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Keramikventile bewähren sich im Flottenversuch

BMBF-Projekt: Einsatz von Keramik lohnt sich
Keramikventile bewähren sich im Flottenversuch

Serienteile aus Hochleistungskeramik können ihre Stärke nur dann voll ausspielen, wenn alle Herstellprozesse ganzheitlich auf den Einsatzzweck abgestimmt werden. Das zeigt ein Forschungsprojekt am Beispiel von Motorventilen, Zylinderbuchsen und Schneidmessern.

Kristian Eichgrün und Lothar Schäfer sind wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Kaiserslautern am Lehrstuhl für Fertigungstechnologie und Betriebsorganisation (FBK), der das Verbundforschungsprojekt koordiniert

Der Schlüssel zu leistungsfähigen und wirtschaftlichen Bauteilen aus Hochleistungskeramik liegt in der ganzheitlichen Gestaltung der Prozesskette. Dies ist das Ergebnis eines vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderten Verbundprojektes, an dem seit 1996 acht Partner aus Industrie und Forschung zusammenarbeiten. Ziel war es, mit wirtschaftlichen Fertigungsmethoden die Einsatzzuverlässigkeit von Serienbauteilen zu erhöhen. Keramische Motorventile, Zylinderbuchsen und Schneidmesser haben die Einsatztests bereits vor Projektabschluss erfolgreich bestanden.
Konstruktion, Werkstoffauswahl und fertigungstechnische Produktion wirken so zusammen, dass sie nicht isoliert voneinander betrachtet werden können. Stattdessen sind alle Prozesse der Prozesskette ganzheitlich zu betrachten (Pulversynthese, Pulveraufbereitung, Formgebung, Brandvorbereitung, Sinterung, Hartbearbeitung, begleitende Qualitätsprüfungen und Einsatz). Im Verbundprojekt untersuchten daher Anwender, Keramikhersteller, Keramikbearbeiter, Systemlieferanten und Forschungsinstitute gemeinsam die technologischen Prozessketten von verschiedenen Demonstrationsbauteilen. Um das Projektziel zu erreichen, steigerten sie die Prozesssicherheit der einzelnen Herstellschritte und stimmten diese gezielt auf die erforderlichen Endprodukteigenschaften ab.
Als Demonstrationsbauteile dienten beispielsweise keramische Messer für die Papierindustrie. Die dort eingesetzten Schneiden sind hohen Schnittkräften und Abrasionswirkungen ausgesetzt. Diesen Belastungen widersteht teilstabilisiertes Zirkonoxid, das eine hohe Verschleißfestigkeit und Bruchzähigkeit besitzt. Zusätzlich zu den mechanischen Anforderungen müssen die Schneiden auch noch geometrische erfüllen: Bei einem Kantenwinkel von 90° ist ein Schneidenradius von 5 µm zu fertigen.
Die Prozesskette wurde nun gezielt auf die Einsatzbedingungen der Schneidmesser abgestimmt. Schrittweise entstand eine serienfähige Umsetzung:
– Zunächst wurde eine kostengünstige Metall-Keramik-Verbundkonstruktion entwickelt, die sich in vorhandene Papierschneidemaschinen integrieren lässt. Das Bauteilvolumen der keramischen Schneide reduziert sich auf den mechanisch und tribologisch hochbeanspruchten Bereich.
– Die Wahl einer Werkstoffqualität mit homogenem und feinkörnigem Gefüge sorgt dafür, dass mit den vorhandenen Hartbearbeitungsverfahren die geforderte Mikrogeometrie der Schneide mit ausreichender Schnittkantenstabilität und Verschleißfestigkeit erreicht wird.
– Umgekehrt musste auch die Hartbearbeitung auf die Einsatzbedingungen der Schneide abgestimmt werden. Um Absplitterungen und Ausbrüche zu vermeiden, wurde eine neue Schleifstrategie entwickelt, die sich von der für metallische Messer unterscheidet. Dies erforderte auch angepasste Werkzeugspezifikationen.
Die Werkstoffsubstitution sowie das Abstimmen von Konstruktion, Gefügeeinstellung und Endbearbeitung des Werkstücks zeigten Wirkung: Gegenüber konventionellen Hartmetallschneiden wiesen die keramischen Schneidmesser durch ihre höhere Verschleißfestigkeit eine mehr als vierfache Standzeit auf. Die zur Zeit laufenden Einsatztests erzielen noch höhere Steigerungsfaktoren.
Als weiteres Demonstrationsbauteil wurden Motorventile aus Siliciumnitrid im Umfang einer Großserie hergestellt. Durch ihr geringeres Gewicht können keramische Ventile den Spritverbrauch von Verbrennungsmotoren spürbar senken. Vor allem wirtschaftliche Aspekte beeinflussten die Werkstoffauswahl der in Motoren unter hohen zyklischen Belastungen eingesetzten Keramikventile. Als Basiswerkstoff dient Siliciumnitrid wegen seiner ausgezeichneten Temperaturwechselbeständigkeit, Festigkeit und Zähigkeit. Definierte Anteile weiterer keramischer Bestandteile führen zu einem Werkstoff, der sich wirtschaftlich im Niederdruckverfahren sintern lässt und die Einsatzanforderungen erfüllt.
Neben der Werkstoffqualität bestimmen hohe geometrische Genauigkeit und Oberflächengüte die Funktionsfähigkeit der Ventile. Die ganzheitliche Untersuchung der Prozesskette zeigte, dass die abschließende Hartbearbeitung diese Forderungen nicht allein erfüllen kann, wenn der Prozess wirtschaftlich arbeiten soll. Die Qualität der Formwerkzeuge hat hohen Einfluss auf das Endprodukt über den Sinterprozess und die Endbearbeitung hinaus. Um die Gestalt der Rohteile als Eingangsgrößen für den Schleifprozess zu verbessern, bedurfte es daher präziser Sinterformen. Gleichzeitig wurde die Schleifstrategie an die Eigenschaften der Rohteile angepasst. Das Ergebnis: Die Zeiten für die Hartbearbeitung wurden auf ein Viertel reduziert, die Bauteilqualität gesteigert und insgesamt die Bauteilkosten verringert. Um die Zuverlässigkeit keramischer Motorventile zu belegen, läuft seit dem Frühjahr 1997 ein umfangreicher Feldversuch. Insgesamt 1662 Mercedes-Benz-Fahrzeuge (C-Klasse, Kompressor 2.3) wurden mit Ventilen ausgestattet, deren Herstellung im Forschungsprojekt begleitet wurde. Nur ein einziges Keramikventil fiel aus, das zudem aus einer sehr frühen, noch nicht fertigungstechnisch optimierten Charge stammte. Dieser erfolgreiche Einsatz markiert den Beginn einer Entwicklung: Allein die Substitution von Metall durch Keramik reduziert Kraftstoffverbrauch, Geräusch- und Schadstoffemissionen deutlich, ohne dass das Potenzial einer konstruktiven Anpassung des Motorsystems bisher genutzt wurde.
Die vorgestellten Demonstrationsbauteile verdeutlichen das Einsatzpotenzial von Hochleistungskeramiken. Mit der unter Serienbedingungen erreichten Prozesssicherheit und Reproduzierbarkeit belegen sie die Leistungsfähigkeit des ganzheitlichen und einsatzorientierten Ansatzes.
So wurde optimiert
Hohe Fertigungskosten und streuende Eigenschaften schrecken oft vor dem Einsatz von Hochleistungskeramiken ab. Nur eine ganzheitliche Betrachtung der Prozesskette hilft, beides in den Griff zu bekommen. Die Beispiele zeigen auszugsweise, mit welchen Maßnahmen die Entwickler zum Ziel gekommen sind:
Papierschneiden
Maßnahmen: – Eine Verbundkonstruktion ermöglicht eine reine Druckbelastung der Kamera und minimiert das Bauvolumen.
– Rohteilherstellung: Die Korngröße des Gefüges wird dem zu erreichenden Schneidenradius angepasst (5 µm m, homogen).
Hartbearbeitung: Dämpfungseigenschaften und Korngrößen der Werkzeuge wurde modifiziert, um die Prozessdynamik zu reduzieren und die Reproduzierbarkeit zu erhöhen. DieSchleifstrategie ist am Einsatzfall und die Schneidengeometrie angepasst. Schleifoperationen werden materialspezifisch abgestuft.
– Montage: Keramikspezifisches Handling wird vorgesehen.
Motorventile
Die Maßnahmen: – Formgebung: Durch den Wechsel auf hörerfester formenmaterial wird der Verschließ verringert (vierfache Standzeit). Die Formengeometrie ist fertigungs- und einsatzgerecht abgestimmt.
– Hartbearbeitung: Das Werkzeug wird tendeziell zu feineren Körnungen und dämpfungoptimierten Bindungen hin optimiert. Die Schnittstrategie ist maschinen- und materialspezifisch angepasst (Schnittzahl um mehr als 50 % gesenkt). Die Werkzeugstandzeit sinkt auf nahezu ein Viertel und erreicht die Größenordnung von metallischen Ventilen.
– Zerstörungsfreie Bauteilprüfung: für Serien automatisiert.
Industrieanzeiger
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