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Klare Messreihen selbst im dicken Ölnebel

Zulieferer erprobt fertigungsnahe Koordinatenmesstechnik
Klare Messreihen selbst im dicken Ölnebel

Bei der Grüner Systemtechnik steht eine Koordinaten-Messmaschine mitten in der Fertigung. Allen widrigen Umständen zum Trotz liefert das Gerät seit einem halben Jahr µ-genaue Ergebnisse.

Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Böttger

Ein strammer Schritt ist in der Fertigung der Grüner Systemtechnik GmbH nicht zu empfehlen. Dabei kann man leicht auf dem Hosenboden landen. Es ist der Ölnebel, der hier überall in der Luft liegt, sich auf dem Fußboden niederschlägt und die Gänge zwischen den Bearbeitungsmaschinen in eine Rutschbahn verwandelt. Peter Haller, Leiter Messtechnik bei dem schwäbischen Automobilzulieferer: „Wir fahren hier sehr hohe Drehzahlen, da bleibt das nicht aus.“
„Grüner war unser Wunsch-Kandidat“, freut sich Wolfgang Schwarz, Produkt-Manager bei der Carl Zeiss Industrielle Meßtechnik GmbH in Oberkochen. „Wir wollten Centermax unbedingt hier aufstellen, bevor die Abluftanlage in der Fertigungshalle installiert ist und der Ölnebel verschwindet. Unsere neue Messmaschine sollte so richtig gestresst werden – und hier fanden wir das passende Umfeld.“ Im Moment hängen in der Fertigung die Abluftrohre noch unbenutzt von der Decke. Die Anlage soll bald in Betrieb genommen werden. „Dann wird das hier deutlich besser“, wünscht sich Haller. Noch ist es nicht so weit.
Draußen ist schönes Wetter. Durch die Oberlichtfenster scheint die Sonne. Säulen aus Licht stehen wie Pfeiler in der dicken Hallenluft. Vierzig Bearbeitungszentren, allesamt vom Firmengründer und -inhaber Horst Grüner konstruiert, arbeiten rund um die Uhr. Täglich verlassen 500 fertige Getriebegehäuse und nicht weniger als 5000 Lenkungen den Betrieb in Hausen, einem Ortsteil von Bad Überkingen auf der schwäbischen Alb. Außerdem zählen Zylindergehäuse, Kupplungsglocken und Ölwannen zum breit angelegten Produktspektrum. Und tatsächlich: Mitten in der Fertigung, gleich neben einer Werkzeugmaschine, steht der jüngste Spross von Carl Zeiss, das sogenannte Produktions-Messzentrum Centermax.
Eigentlich sind Koordinaten-Messmaschinen hochempfindliche Geräte und ausschließlich für den Messraum konzipiert. Alles, was die Ergebnisse gefährden könnte, bleibt hier außen vor: Zum Beispiel wechselnde Temperaturen oder Bodenschwingungen, die von den Maschinen herrühren. In einem Messraum ist es außerdem ruhig. Das kann entscheidend sein, denn auch Lärm verursacht Schwingungen, welche die empfindlichen Messtaster durcheinander bringen könnte. Und Ölnebel gibt es in diesen Mess-Oasen natürlich auch nicht.
Das alles weiß Peter Haller, der sich seit fast 20 Jahren bei Grüner um die Messtechnik kümmert. Entsprechend düster war seine Prognose, als Centermax im letzten Oktober aufgestellt wurde: „Die Maschine könnt ihr in vierzehn Tagen gleich wieder abholen.“ Auch die Zeissianer hatten ihre Erwartungen nicht zu hoch geschraubt. „Wir wollten herausfinden, was die Messmaschine aushält“, erzählt Schwarz. „Unser Plan sah vor, das Gerät tatsächlich nach zwei Wochen aus der Fertigung zu nehmen und nachzuschauen, wo es klemmt, was für Verbesserungen noch notwendig sind.“
Wider Erwarten steht das Messzentrum noch heute in der Grünerschen Produktion. In den hochgezogenen Führungsbahnen von Centermax steht das Öl mittlerweile millimeterhoch oder läuft an der Verkleidung der Maschine herunter. Aber das machts nichts, die Resultate stimmen. Haller: „In einer Langzeitüberprüfung haben wir ein Probewerkstück 25 Mal auf einer Maschine im Messraum gemessen und anschließend auf dem Centermax. Es war lediglich eine Differenz von 5 µ festzustellen, die vom Werkstück selbst herrührte.“
Seit November ist das Messzentrum sozusagen fester Bestandteil der Fertigungslinie. Die zu überprüfenden Getriebe- und Lenkgehäuse kommen direkt aus der Bearbeitungsmaschine auf das Messgerät. Peter Haller weiß die Vorzüge dieser Vorgehensweise zu schätzen: „Die Wege zum Messraum entfallen, die ganzen Wartezeiten reduzieren sich drastisch.“
Im Messraum herrschen 20 °C. Wenn das Werkstück hier unter die Lupe genommen werden soll, dann muss es zunächst auf die gleiche Temperatur abkühlen. Haller: „Da vergehen Stunden. Aber das muss sein, denn sonst kühlt sich das Teil während des Messens ab. Dann stimmen die Ergebnisse hinten und vorne nicht.“
Peter Haller steht im Messraum, wo sich drei weitere Messmaschinen von Zeiss befinden. Auf einer Ablage liegen Werkstücke, die für eine Stichprobe vorgesehen sind und gerade auf die Umgebungstemperatur abkühlen. In jeder Schicht vermessen die Schwaben zwei Teile komplett. Pro Werkstück läuft das Messprogramm 20 bis 40 Minuten. Bei drei Schichten und der breiten Produktpalette bedeutet das einen enormen Messaufwand. Haller nimmt ein Werkstück in die Hand und deutet auf die filigranen Strukturen: „Wir sind hier pausenlos am Messen, rund um die Uhr, sechs Tage in der Woche. Aber so ist das halt bei einem Automobil-Zulieferer.“
Er legt das Werkstück zurück auf die Ablage. In den letzten Wochen wurde der Messraum mit einer neuen Klimaanlage ausgestattet. Sie soll bald in Betrieb genommen werden. „Kostenpunkt 50 000 Mark“, überschlägt Haller die Investition. „Aber da ist der Betrieb noch nicht mit gerechnet.“ Sichtlich zufrieden blickt er durch die Glasscheiben in die Fertigung hinein: „Beim Centermax brauchen wir das alles nicht. Da spannen wir das Werkstück ein und drücken auf den Startknopf.“
Das Produkt: Messzentrum Centermax – Gefeit gegen Schmier- und Lösungsstoffe
Das Koordinaten-Messgerät Centermax ist mit einigen Besonderheiten ausgestattet, um in der harten Fertigungsumgebung bestehen zu können. Hierzu zählen
1. Invar-Träger
Sie bilden zusammen mit dem Mineralguss den harten Kern des Modells. Invar ist eine spezielle Stahlart mit extrem hohem Nickelanteil und einem sehr geringen Ausdehnungskoeffizienten.
2. Schützende Hülle
Die empfindlichsten Teile der Messmaschine sind besonders gut verpackt. Sogenannte Labyrinthabdichtungen kapseln Lager und Maßstäbe ab gegen Staub, Schmier- und Lösungsstoffe.
3. Aktive Schwingungsdämpfung
Die Maschine ist standardmäßig mit vier aktiven Schwingungsdämpfern ausgestattet. Sensoren überwachen die Dämpfungstöpfe.
4. Ablauf von Flüssigkeiten
Öl oder Wasser unterhalb der Werkstückbasis werden abgefangen.
5. Mineralguss
Er verleiht der Maschine die Form und das nötige Grundgewicht. Zusätzlich besitzt das Material gute thermische und dynamische Dämpfungseigenschaften.
Der Anwender: Grüner Systemtechnik – High-Tech von der schwäbischen Alb
Die Grüner Systemtechnik GmbH ist Zulieferer für namhafte Automobilhersteller in Deutschland. Das Familienunternehmen wurde 1979 von Horst Grüner gegründet und setzte im letzen Jahr 85 Mio. DM um. 80 % davon stammen aus dem Zuliefererbereich, der Rest aus dem Verkauf von Werkzeugmaschinen. Sitz des Unternehmens ist Bad Überkingen auf der schwäbischen Alb. Der Systemlieferant bearbeitet wesentliche Elemente des Antriebsstrangs wie Lenk- und Getriebegehäuse.
250 Mitarbeiter arbeiten im Dreischicht-Betrieb an 40 Bearbeitungszentren, die Horst Grüner selbst konstruiert hat. Bereits vor zehn Jahren entschied er sich für Messgeräte des Herstellers Zeiss. Im Messraum sind drei Messmaschinen rund um die Uhr im Einsatz. Im Herbst letzten Jahres wurde zusätzlich das Messzentrum Centermax mitten in der Fertigung in Betrieb genommen.
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