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Klebebänder ersetzen Schrauben

Kurzzeitig halten Klebebänder bis zu 260 °C stand
Klebebänder ersetzen Schrauben

Anstelle von Schrauben verwendet die Rhein-Nadel Automation GmbH Klebebänder, um ihre Förderbänder zu montieren. Dadurch spart sie pro Band eine Stunde Arbeitszeit ein. Ein weiterer Vorteil: Es lassen sich unterschiedliche Werkstoffe verbinden.

Dr. Jürgen Klingen ist Hauptabteilungsleiter Forschung und Entwicklung bei der 3M Deutschland GmbH in Neuss

Förderbänder leisten einen wichtigen Beitrag für die Automatisierung von Produktionsprozessen. Bei der Rhein-Nadel Automation GmbH, Aachen, sind sie selbst ein Ergebnis innovativer Konstruktion. Neben Standard-Bändern bietet das 1972 gegründete Unternehmen anwendungsspezifische Konstruktionen an und ist darum immer offen für innovative Fertigungslösungen.
Bei der Montage der Bandkörper in Förderanlagen hat das Unternehmen von Schrauben auf Klebebänder umgestellt. Fand sich bisher bei den 3 m langen Standard-Bandkörpern alle 10 cm eine Schraube pro Seite, so ist nun keine mehr zu sehen. Der Grund: Das Edelstahl-Gleitblech wird auf das Aluminiumblech einfach aufgeklebt. Geschraubt wird lediglich an den Enden, „aber auch nur zur Sicherheit”, wie Betriebsleiter Franz Houben anmerkt. Zum Einsatz kommt das Verbindungssystem VHB der 3M Deutschland GmbH in Neuss (VHB = Very High Bond). Das 1,1 mm dicke Klebeband wird bei Rhein-Nadel in Breiten von 9 und 19 mm verarbeitet.
Die Verklebung bringt in der Fertigung zahlreiche Vorteile: Geschätzt wird von den Konstrukteuren vor allem die gleichmäßige Auflage, die nicht mehr durch Schraublöcher gestört wird. Die Schichtdicke bleibt über die gesamte Klebestrecke konstant.
Als Stanzteile erleichtern Klebebänder die Automatisierung
Die bei der Herstellung eines Alu-Profil-Bandkörpers eingesparte Arbeitszeit beziffert der Betriebsleiter auf fast 1 h. „Eine große Ersparnis, wenn man bedenkt, daß wir pro Jahr rund 500 Förderbänder mit Alu-Profil-Bandkörpern herstellen, in Längen zwischen 50 Zentimeter und 20 Meter”, erklärt Houben. „Wir würden nicht mehr auf die Idee kommen, nochmal zu schrauben.”
Bei Rhein-Nadel Automation werden Klebebänder verwendet, obwohl sie im Materialkosten-Vergleich schlechter als Klebstoffe abschneiden. Rechnet man aber den Zeitfaktor mit ein, liegen die Gesamt-Fertigungskosten mit den VHB-Verbindungssystemen niedriger. Denn Klebstoffe brauchen Zeit, um auszuhärten. Oft ist dabei eine Nachbearbeitung notwendig. Beim Verwenden von Klebebändern hingegen entfallen die Kosten für die Zwischenlagerung von nicht ausgehärteten Klebstoff-Verbindungen. Außerdem lassen sich Klebebänder reproduzierbar positionieren. Als Stanzteile erleichtern sie automatisierte Fertigungsprozesse. Fügeteile wie zum Beispiel die Rahmen für die Bandkörper der Förderanlage können vorkonfektioniert werden, was ebenfalls Zeit in der Fertigung einspart.
Die von Rhein-Nadel Automation verwendeten VHB-Klebebänder bewähren sich bereits seit 20 Jahren in unzähligen Anwendungen. Acrylat-Copolymere sind die Basis dieses Verbindungssystems. Die darin enthaltenen C-C-Einfachbindungen zeichnen sich durch eine hohe Beständigkeit gegenüber Energie in Form von Wärme oder UV-Strahlung sowie gegen chemische Angriffe aus. So erfüllen die Klebebänder auch die Anforderungen von Förderbändern, die in der Lebensmittelindustrie in sogenannten Schrumpftunneln hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Die VHB-Produkte sind je nach Ausführung zwischen 90 °C und 150 °C dauerhaft temperaturbeständig, einige von ihnen sogar kurzzeitig bis 260 °C.
Die Klebebänder können zudem eine Vielzahl von Werkstoffen mit unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften verbinden. Die Kraft ist immer gleichmäßig verteilt. Im Gegensatz zu mechanischen Verbindungen sind Klebebänder aufgrund ihres viskoelastischen Verhaltens viel besser in der Lage, die auftretenden Scherkräfte aufzufangen. Sie können unterschiedliche Längenausdehnungen der verbundenen Materialien bis zum Dreifachen der Klebebanddicke ausgleichen – also bis zu 3,3 mm im Fall der geklebten Bandkörper. Daß dies ausreicht, zeigt eine einfache Rechnung: Bei einer Temperaturdifferenz von 50°C dehnt sich Aluminium um 1,15 mm aus, Edelstahl nur um 0,85 mm (bezogen auf 1 m Länge). Daraus ergibt sich eine Differenz von 0,3 mm, die das Klebeband leicht auffängt.
Darüber hinaus weisen die VHB-Bänder hohe Klebekräfte auf. Gemessen wurde die Zugscher- und Schälfestigkeit auf Stahl. Die Zugscherfestigkeit liegt zwischen 42 und 69 N/cm², die Schälkraft zwischen 120 und 450 N/100 mm (ausgedrückt als Schälkraft/ Klebeband-Breite).
VHB-Produkte sind als transparente Klebstoff-Filme und als Bänder in Schwarz, Weiß, Grau oder ebenfalls transparent erhältlich. Ihre Dicken liegen zwischen 0,05 und 3 mm, die Breiten zwischen 6 und 1200 mm. Transparenz ist vor allem für neue Fertigungsmethoden in der Glasindustrie wichtig. Auch Solarmodule werden mit Hilfe von VHB-Bändern gefertigt, zum Beispiel die begehbaren Module vor der Glaskuppel im Berliner Reichstagsgebäude. Deren Transparenz untersuchten die Entwickler mit Hilfe eines beschleunigten Alterungstests im Labor. Die Klebeverbindungen wurden 3000 h lang hohen Temperaturen und intensiver UV-Strahlung ausgesetzt. Dabei reduzierte sich die Transparenz von ursprünglich 88,2 % auf 87,3 %.
Klebebänder lassen sich wiederholgenau positionieren
Beispiele für innovative Fertigungen mit Klebebändern finden sich aber auch in anderen Bereichen: zum Beispiel bei den Dachkonstruktionen von Lkw-Aufliegern, in Kühldecken-Systemen oder im Fassadenbau. Beim Jumeirah Beach Hotel in Dubai kamen 60000 m sogenanntes „VHB+”-Klebeband zum Einsatz. Diese Klebebänder lassen sich als Weiterentwicklung der VHB-Produkte leichter verarbeiten. Sie sind anschmiegsamer und eignen sich vor allem für strukturierte Werkstoffe.
Höhere, mit Klebstoffen vergleichbare Festigkeiten erreichen die sogenannten strukturellen Haftklebebänder SBT, wenn sie bei Temperaturen von etwa 140 °C für rund 30 min ausgehärtet werden. Damit sind jedoch Zeit und Kosten verbunden. Zudem eignen sich temperaturempfindliche Werkstoffe für dieses Verfahren nicht. Deswegen entwickeln 3M-Forscher zur Zeit Klebebänder, die durch eine kurzzeitige Bestrahlung mit UV-Licht aushärten. Der Anwendungsschwerpunkt liegt in der Automobil-Industrie. Aber auch in anderen Branchen befinden sich bereits Prototypen des neuen Produkts im Test.
In einem weiteren aktuellen Forschungsschwerpunkt werden zusätzliche Funktionen in die Klebebänder integriert. Zu Schäl- und Zugscherfestigkeit kommt als „dritte Dimension” des Klebebandes eine thermische, elektrische oder auch optische Leitfähigkeit hinzu.
Schließlich arbeiten die Wissenschaftler auch an Systemen, die nicht nur Glas, Metall, Keramik oder hochwertige Kunststoffe verbinden. Die neuen „LSE“-Klebstoff-Filme eignen sich auch für niedrigenergetische, oft strukturierte Werkstoffe und haften auf den meisten modernen Kunststoff-Materialien (LSE = Low Surface Energy). Sie haben sich am Markt bereits in ersten Anwendungen bewährt. Beispielsweise dienen sie zum Befestigen von Etiketten auf Sonnenblenden aus Polypropylen im Auto.
VHB-Klebebänder: Die Kennwerte im Überblick
Schälkraft auf Stahl 120 – 450 N/100mm
Dynamische Zugscherfestigkeitauf Stahl bei Raumtemperatur 42 – 69 N/cm²
Zugfestigkeit 45 – 110 N/cm²
Temperaturbeständigkeitdauernd 90 °C – 150 °Ckurzzeitig (Minutenbereich) 150 °C – 260 °C
Verarbeitungstemperatur (mindestens) +10 °C
Industrieanzeiger
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