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Kleine Kratzer heilen von selbst

Oberflächentechnik: Automobilteile besser lackiert
Kleine Kratzer heilen von selbst

Sei es beim Lackieren der Karosse oder von Anbauteilen – die Ziele der Automobilindustrie heißen gesteigerte Wirtschaftlichkeit bei höherer Qualität und Umweltfreundlichkeit. Die Hersteller aus der Lackiertechnik reagieren mit neuen Entwicklungen bei Lack- und Applikationssystemen.

An Automobil-Lackierungen werden hohe Ansprüche gestellt: Farbe und Lack sollen dem Fahrzeug einerseits ein verkaufsförderndes Erscheinungsbild verleihen, andererseits müssen sie eine hohe Widerständigkeit gegen mechanische, chemische und physikalische Angriffe besitzen. Zudem sollen sie möglichst umweltfreundlich sein und sich kosteneffizient aufbringen lassen.

Um die genannten Anforderungen unter einen Hut zu bringen, arbeiten Automobil- und Lackindustrie an neuen Lösungen. Dazu gehört beispielsweise der integrierte Lackierprozess, der von der Münchener BMW Group im Werk Oxford für die Karosserielackierung eingesetzt wird. Bei diesem Nass-in-Nass-Verfahren übernimmt die erste von zwei neuentwickelten Basislackschichten die Füllerfunktion. Der zweite Basecoat-Auftrag, der für optische Eigenschaften wie Farbe, Effekte und Tiefenwirkung zuständig ist, erhält wie üblich einen Klarlacküberzug. Da das Aufbringen und Einbrennen der lösemittelhaltigen Füllergrundierung entfällt, können Energieverbrauch sowie Emissionen reduziert und die Kapazität gesteigert werden. Einen weiteren Beitrag zur Senkung der Lösemittel-Emissionen leistet beim bayerischen Automobilhersteller die Umstellung der Klarlackschicht von Nasslacksystemen auf Pulverlack-Clearcoats.
Der Trend, den klassischen Dreischicht-Aufbau mit Grundierung, Basislack und Topcoat durch zwei Schichten zu ersetzen, ist auch bei der Lackierung von Anbauteilen aus Metall und Kunststoff festzustellen. Ziel dabei ist, den Lackierprozess zu beschleunigen und Lackierstrecke einzusparen. So wird beispielsweise im Zuge der Umstellung von lösemittel- auf wasserbasierte Nasslacksysteme für die Beschichtung von Teilen aus Kunststoffen daran gearbeitet, den Haftprimer in den Wasser-Basecoat zu integrieren. Darüber hinaus gibt es beim Beschichten von Kunststoffen Tendenzen, alternativ zu wasserbasierten Nasslacken sogenannte Niedertemperatur-Pulverlacksysteme einzusetzen. Gründe hierfür sind die Umweltfreundlichkeit der Pulverlacke sowie eine mögliche Kostenreduktion.
Beim Lackieren von Leichtmetall-Felgen sind Acryl-Pulverlacke bereits Standard. Die Entwicklung geht hier zu Pulver-Basecoats, die gleichzeitig als Grundierung dienen. Geht es um die Optik der Räder, sind in Teilbereichen des Premium-Segments matte Flüssig-Decklacksysteme auf dem Vormarsch. Mit entsprechenden Basislacken in Silber oder Schwarz-Metallic erzeugen sie eine sehr edle Oberfläche.
In diesem Bereich bietet die Lackindustrie inzwischen auch eine Pulverlack-Alternative. Der mattierte Acryl-Pulverlack erfüllt die Spezifikationsanforderungen der Räderhersteller respektive der Automobilindustrie und eröffnet neue Design-Möglichkeiten. Und dies nicht nur bei der Felgen-Lackierung, sondern auch beim Beschichten von Dach-Relings, Zierleisten, Scheibenwischern sowie Anbauteilen aus Metall oder Kunststoff.
Ein Schwerpunkt bei der Entwicklung von Klarlacken ist eine erhöhte Kratzfestigkeit und Bremsstaub-Resistenz bei Topcoats für Felgen. Der Weg zu diesem Ziel führt über vier verschiedene Ansätze: Die erste Alternative sind weiterentwickelte konventionelle Systeme, deren Vernetzungsdichte durch spezielle Reaktionsmechanismen im Bindemittel deutlich erhöht wird. Bei der so genannten Reflow-Technologie handelt es sich um hochflexible Klarlacke, die in der Kunststofflackierung bereits seit einiger Zeit eingesetzt werden. Basis dieser Lacke ist ein hochvernetzendes und dabei sehr flexibles Polymer, das bereits bei Raumtemperatur zum Fließen neigt. Dadurch werden kleine Kratzer selbständig repariert.
Bei Möglichkeit drei werden dem Klarlack Nanopartikel – meist Siliziumdioxid, aber auch Aluminiumoxid und Bariumsulfat – beigemischt. Sie bilden auf der Oberfläche des Clearcoats eine Art Versiegelungsschicht, die verhindern soll, dass das darunterliegende Polymer bei mechanischer Einwirkung angegriffen wird. Einen weiteren Schritt nach vorn soll hier der Einbau der Partikel direkt ins Polymer bringen.
Auch durch UV-Klarlacke lässt sich die Kratzbeständigkeit steigern. Sie werden seit rund einem Jahrzehnt entwickelt und als unterschiedliche Systeme angeboten: UV-Monocure-Systeme sind rein strahlungshärtende UV-Klarlacke, UV-Dualcure-Systeme sind Lacke, die unter UV-Licht und thermisch vernetzen, sowie UV-Pulverlacke.
Beim Beschichten von Metall- und Kunststoffteilen lässt sich der Auftragswirkungsgrad bei Wasserlacken durch eine Zerstäuber-Glocke erhöhen, die mit einer neuen Hochleistungsturbine von Sames Technologies, Meylan/Frankreich, ausgestattet ist. Üblich ist bisher die Applikation im sogenannten Bell-Gun-Verfahren, bei dem der erste Basislack-Auftrag mit Hochrotationszerstäubern (Bell) erfolgt, während der zweite, der für die Beurteilung des Farbtons dient, mit einer konventionellen oder elektrostatischen Pistole (Gun) aufgebracht wird.
Der Hochrotationszerstäuber arbeitet dabei mit einem Wirkungsgrad von rund 65 %, die rein luftzerstäubende Pistole erreicht nur etwa 30 %. Dank der Neuentwicklung kann nun sowohl der erste als auch der zweite Basislack-Auftrag im sogenannten Bell-Bell-Verfahren durchgeführt werden. Der Hochrotationszerstäuber erzeugt das gleiche Farbbild wie die Pistole.
Für die Lackierung von Exterieur-, Interieur- und Trimm-Kunststoffteilen mit einer Maximal-Höhe von 300 mm hat die Venjakob GmbH & Co. KG, Rheda-Wiedenbrück, einen 7-Achsen-Lackierautomaten entwickelt. Die Werkstücke können auf der Vorder- und Rückseite sowie in 3D-Geometrien beschichtet werden. Der Automat soll Kleinstserien ebenso effizient beschichten wie große Lose.
Doris Schulz Freie Journalistin in Korntal
Nanopartikel bilden Versiegelungsschicht
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