Startseite » Allgemein »

Kompetenz eines Designers lässt sich am technischen Hintergrund messen

Industriedesign: Produktinnovationen durch technisch ausgebildete Gestalter
Kompetenz eines Designers lässt sich am technischen Hintergrund messen

Durch den fehlenden Praxisbezug vieler Designer sind die Gestalter vielerorts in Misskredit geraten. Eine neue Generation von Industriedesignern mit technischer Ausbildung hat den Unternehmen aber viel Fertigungs-Know-how zu bieten und kann Synergieffekte aus verschiedenen Projekten nutzen.

Von unserem Redaktionsmitglied Monika Corban

Deutlich günstiger als herkömmliche Aufsitzmaschinen sollte die Scheuersaugmaschine BR Trike sein und auch noch billiger als die größte handgeführte Maschine. Mit dieser Zielvorgabe der Alfred Kärcher GmbH & Co. aus Winnenden war klar, dass sich vieles nicht so lösen ließ, wie bei den herkömmlichen Geräten. Die Mitarbeiter des Esslinger Industrie-Designbüros Teams Design mussten daher den Aufbau komplett neu überdenken, ohne dabei den Kostenrahmen aus den Augen zu verlieren. Herausgekommen ist eine komplett neuartige Konstruktion, die es erlaubt, das Gerät nur halb so teuer anzubieten wie die früheren Modelle.
Um solch weitreichende Ergebnisse zu erreichen, müssen die Designer von Anfang an mit dabei sein und vor allem viel Ahnung von der Technik und den Herstellungsverfahren haben. „Design ist für mein Verständnis die Gestaltung von Produkten, die man in hohen Stückzahlen herstellt”, betont Reinhard Renner, einer der beiden Geschäftsführer des Design-Büros. „Nur die äußere Hülle zu machen, ist zu wenig. Konzeptionsfehler lassen sich mit Design nicht ausbügeln”, warnt er Unternehmen, die Designer erst für die letzte Formgebung dazuholen.
Bei der Trike führte die gemeinsame Entwicklungsarbeit dazu, dass ganz auf ein Metallgerüst als Träger verzichtet wurde. Der Kunststoff-Tank ist gleichzeitig Chassis und Sitz. Dadurch mussten viele Details neu gelöst werden: Wie kommt man an den Tank ran? Wie lassen sich die Schläuche lösen und der Sitz aufklappen? „Auch gestalterisch wollten wir einen neuen Weg gehen”, berichtet Designer Renner, „Deshalb haben wir das Gerät entsprechend dem Zeitgeist sehr rund gestaltet, völlig anders, als man es von einer Reinigungsmaschine erwartet.“
Der hohe Entwicklungsaufwand – allein die Modellierung im Computer kostete 40 000 DM – hat sich gelohnt, pflichtet ihm Frank Schad, Pressesprecher von Kärcher, bei: „Das Gerät ist ein Blickfänger. Ich habe noch nie auf einer Messe erlebt, dass so viele Leute einfach stehen bleiben und sich mal versuchsweise daraufsetzen.” Damit scheint auch eine weitere Zielvorgabe des Reinigungsgeräteherstellers erfüllt zu sein: Die Arbeit mit dem Gerät muss Spass machen, weil dann die Bediener ordentlicher arbeiten und pfleglicher mit den Materialien umgehen.
Entscheidend für den Erfolg eines Projektes ist es, dass die Zielvorgaben genau gesteckt sind. Der Auftraggeber gibt vor, welche technischen Elemente verwendet werden müssen. Und dann muss er eine gehörige Portion Vertrauen in den Designer aufbringen. Das fällt um so leichter, je länger die Zusammenarbeit dauert. „Mit Kärcher arbeiten wir bereits seit 1964 zusammen”, betont Renner und verweist stolz auf die Spezialität seines Hauses, keine Kunden zu verlieren. Für Bosch designen die Esslinger bereits seit 1959 die gesamte Elektrowerkzeug-Palette, für Witte die Werkzeuge, für Traub Drehmaschinen, für Still Gabelstapler und für Leifheit Thermoskannen, Haushaltsgeräte und Staubsauger sowie für Leitz Büro-Artikel. Jährlich kommen mit rund 40 Kunden 200 bis 250 Projekte zustande.
Kostenlose Erstberatung soll den Einstieg ins Design erleichtern
Doch nicht nur für Mittelständler mit langjähriger Designerfahrung bietet die Produktgestaltung Chancen. Um Neulingen den Einstieg zu erleichtern, bietet das Design Center Stuttgart des Landesgewerbeamtes Baden-Württemberg neben Vortragsreihen zum Thema Management und Design seit Anfang März auch eine kostenlose Erstberatung für interessierte Unternehmen an. In dem vertraulichen Gespräch soll geklärt werden: Wie finde ich einen Designer, der zu mir passt? Wie kann ich seine Leistung messen? Was kann ich mit Design erreichen, ist das überhaupt etwas für mich? Wie kann ich die Kosten einschätzen, die dadurch entstehen?
„Meist gibt es das große Aha-Erlebnis, wenn klar wird, wie früh man einen Designer mit einbeziehen kann und wie viel sich dann erreichen lässt”, schildert Henning Horn, Leiter des Design Centers Stuttgart die Erfahrungen mit den ersten Beratungsgesprächen. „Die Gespräche laufen sehr diskret ab, denn es gehört schon genug Mut dazu, irgendwo hinzugehen und zu sagen, ich bin da unsicher.” Für die Beratung haben die Stuttgarter Designer aus dem Verband der Industriedesigner verpflichtet, die alle mindestens fünf Jahre Berufserfahrung haben. In der ersten Runde beriet beispielsweise Horst Diener, Geschäfstführer der Designpraxis Diener in Ulm, vier Interessenten.
Verlässliche Zahlen, wieviele Unternehmen sich bereits mit dem Thema beschäftigen, hat auch Henning Horn nicht. Seiner Kenntnis nach, sind aber bei den meisten kleinen Unternehmen die Entwicklungskonstrukteure auf sich gestellt.
Zwei mögliche Auswege für Mittelständler bietet der Aufbaustudiengang Investitionsgüter Design für Diplomingenieure an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart. Entweder ergattern sie einen der jährlich rund zehn Absolventen dieses Studienganges oder kooperieren im Rahmen von Semester- und Diplomarbeiten mit der Hochschule. 1993 hat Professor George Teodorescu, für den der Praxisbezug bei der Ausbildung alles ist, den Studiengang umstrukturiert und nennt ihn nun Integral Design. Der Name ist Programm. Es gehe nicht darum dass die Studenten additiv zu ihrer technischen Kompetenz auch noch eine gestalterische bekämen. Vielmehr sollen sie beide Elemente zu einer Gesamtproblemlösung integrieren. „Wir erziehen unsere Studenten zu Problemlösern“, betont der Design-Professor. Dass das Konzept erfolgreich ist, belegt die Tatsache, dass keiner seiner Absolventen arbeitslos ist. Fast alle arbeiten in mittelständischen Unternehmen. Teodorescu bedauert es fast, dass der Sog der Industrie so groß ist, dass kaum einer sich selbständig maht: „Bei den Slim-Unternehmen von heute hat man damit einer Ingenieur und einen Designer für nur ein Gehalt.“Im Internet
Ihm geht es vor allem darum, Designer auszubilden, die der komplexen Gestaltung von Produkten und Anlagen in der Investitionsgüterindustrie gewachsen sind: „Während andere Designer Schwierigkeiten mti der Aussprache von Wörtern wie Turbomolkularpumpe oder Gaschromatographie haben, verfügen unsere Absolventen auch über die nötigen Grundlagen für das Verständnis“, vertritt er sein Konzept. Für ihn entscheidet, ebenso wie für Teams-Design-Chef Reinhard Renner, der technische Hintergrund für die Kompetenz eines Designers. Fehlt der, sei es oft vorprogrammiert, dass der Versuch scheitert, Design in der Investitionsgüterindustrie zu implementieren. Von solchen Negativerfahrungen stamme die Berührungsangst und sogar die Ablehnung vieler der Industrie den Designern gegenüber her.
Um diese Hürde abzubauen, eigne sich eine zeitlich und finanziell befristete Semesterarbeit, ist George Teodorescu überzeugt. Unternehmen könnten dabei ihre aktuelle Produktpalette von Studenten ausloten lassen, oder auch eine Perspektive, wo sich das Unternehmen strategisch hinwagen möchte. Am Anfang steht immer ein vier- bis fünftägiger Workshop. Dabei werden Fertigungsmöglichkeiten, Produktpalette und Strategie des Unternehmens analysiert. Das vom Auftraggeber definierte Projekt selber dauert dann vier bis fünf Monate. Ein bis zwei Mal während des Semesters besprechen sich die Beteiligten, bis schließlich die Ergebnisse präsentiert werden.
Genutzt haben diese Möglichkeit schon rund 20 Mittelständler. Zusammen mit dem VDMA-Landesverband Baden-Württemberg und dem Design Center Stuttgart schrieb der Professor 300 Unternehmen an, ob sie Interesse an einer solchen Zusammenarbeit hätten. „Fünfzig anworteten – das ist eine sehr hohe Quote“, freut er sich. Ein konkretes Projekt über roboterisierte Montagestraßen kam beispielsweise mit Sieghart-Schiller GmbH, Sonnenbühl, zustand; ein weiteres mit der Bleichert Förderanlagen GmbH aus Osterburken.
„Ich würde mich sehr freuen, wenn der Mittelstand und die Kleinunternehmen feststellen, dass bei uns die Tür offen steht“, lädt Teodorescu Unternehmen zur Kontaktaufnahme ein. Im April organisiert er beispielsweise eine Auktion, auf der vor Investoren und interessierten Industrieunternehmen die Vorentwicklungen und Erfindungen der Diplomanden versteigert werden sollen.
Kontaktstellen zum Thema Industriedesign: Hier erhalten Sie Informationen und Hilfestellungen
Im Internet
Industrieforum Design Hannover e. V.,
– Seminarangebote
Design Center Stuttgart
– kostenlose Erstberatung für Designeinsteiger (siehe Text)
– Literaturrecherche im Auftrag
– Semiare zum Thema Design und Management
Suchmaschine für Industriedesigner nach Postleitzahl
Verband Deutscher Industriedesigner
angesiedelt beim Deutschen Designer Verband e. V., Essen
Hochschulkontakt
Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart
Prof. George Teodorescu
– Projekte im Rahmen von Semester- und Diplomarbeiten der Teilnehmer der Studiengangs Integral Design
– Projekte über das 1997 gegründete Steinbeis-Transferzentrum Investitionsgüter-Design, das inzwischen Kunden aus Korea, England und den USA hat.
Buchtipp
„Die 100 Besten/Industriedesign 1998/99”
Zum dritten Mal in Folge haben die Herausgeber, d..c Brand + Design Consultants, nach einer anerkannten Methode die wichtigsten deutschen Design-Wettbewerbe ausgewertet: Herausgekommen ist ein Ranking der 100 besten Hersteller und Industrie-Designer auf dem deutschen Markt, unterteilt in zehn Kategorien. Es bietet Orientierungshilfe für die Suche nach entsprechenden Partnern.
Verlag Forum GmbH, Frankfurt/M.
ISBN 3/931317-31-5
Fallbeispiel: Protec – Wie aus einem Designmuffel ein überzeugter Verfechter wurde
Vor Jungdesignern vertrat Protec-Chef Erhard Fichtner die Position, dass sein Unternehmen bei der Produktentwicklung auch ohne Designer auskommt. Die Diskussion veranlasste ihn, ein Versuchsprojekt zu starten – das mit großem Erfolg abgeschlossen wurde.
Meinen Entwicklungsleiter und mich hat vor allem überrascht, dass Designer auch bei der konstruktiven Umsetzung helfen können und wie viel Wissen sie von neuen Fertigungstechnologien haben”, erinnert sich Erhard Fichtner. Sie waren auf Einladung des Design Center Stuttgart in einem Existenzgründerseminar für Jungdesigner als Beispielunternehmen angetreten, das Design bei der Produktentwicklung für unnötig hielt.
Die Oberstenfelder fertigen Röntgenfilm-Entwicklungsmaschinen, die in Kliniken oder radiologischen Praxen eingesetzt werden. Da es sich dabei um ein Investitionsgut handelt, an das der Endanwender nicht unbedingt einen ästhetischen Anspruch stellt, habe man bisher nicht die Notwendigkeit gesehen, einen Designer einzuschalten. Für ihn habe sich Design immer im Bereich Ästhetik, Formgebung und Farbgestaltung abgespielt, weswegen er mit sehr gemischten Gefühlen in die Veranstaltung gegangen sei, entsinnt sich Fichtner: „Die Diskussion war jedoch so lebhaft und konstruktiv kritisch, dass sie den Anstoß gegeben hat, doch mal ein Projekt zu versuchen.”
Als Versuchsprojekt wurde die Entwicklung eines Chemikalienmixers für die Filmentwicklungsgeräte definiert, mit einem überschaubaren Budget und ebensolcher Zeitachse. Den Auftrag erhielt das Industrial Design Büro, in Stuttgart. Von dort kam auch der Anstoß, für die gewünschte Körpergröße und Form des Kunststoff-Gehäuses einmal das bisher bei Protec nicht angewandte Rotationsverfahren auf die Werkzeugkosten und die späteren Teilekosten hin zu überprüfen. „Die Designer blicken in so viele Bereiche hinein, dass sie ein ganz anderes Spektrum und andere Informationsquellen haben als wir”, sagt Fichtner. Auch die Dosierung der Chemikalien wurde mit einem neuen Verfahren gelöst, das einer der Designer aus einem andern Projekt kannte. So wurden die oft ungenauen Pumpenlösungen durch ein genaueres und vor allem zukaufbares System mit Wiegezellen abgelöst.
Die betriebswirtschaftlichen Erfolge des Projektes liegen für den Protec-Chef auf der Hand: Zwar habe sich die Entwicklungszeit nicht verkürzt, „wir haben uns in der gleichen Zeit allerdings viel breiter informiert als sonst”. Den großen Vorteil sieht er vor allem darin, dass sich das Unternehmen für das neue Fertigungsverfahren entschlossen hat. Damit ließe sich mit erheblich geringeren Investitionskosten ein Produkt zur Serienreife bringen. „In so einem Projekt denkt man nicht in geordneten Bahnen”, schildert er, „das bricht auch eigene Scheuklappen auf.“ Begeistert hat ihn, dass die Designer parallel mitgedacht und auch eigene Anstöße gegeben haben.
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de