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Kontrolle an der langen Leine schätzt Otto Normalzerspaner wenig

Online-Services für CNC-Werkzeugmaschinen: Erst die neue Generation nutzt Chancen konsequent
Kontrolle an der langen Leine schätzt Otto Normalzerspaner wenig

Die einen nennen es Teleservice, die anderen schlicht Online-Dienst. Der Nutzen von Wartung, Support und Programm-Updates via Kabel ist unbestritten. Trotzdem macht das Gros moderner NC-Maschinen weiterhin offline Späne. Ein neuer Typ von Netservices soll das jetzt ändern.

Von Chefreporter Wolfgang Filì – chefreporter@fili.net

„Woran es dem klassischen Teleservice gefehlt hat, war einfach die funktionale Kraft“, betont Volker Kreidler. Anders als das System der Siemens-Tochter EPS GmbH in Leinfelden – hier führt er die Geschäfte – mache die Mehrheit der Dienste spätestens beim Programm-Update und der Ferndiagnose der Maschinen Halt. „Remote-Control allein ist dem Anwender aber zu wenig“, sagte Kreidler; „und – wenn sich der Nutzen nicht geldwert nachweisen lässt – auch wenig interessant.
Online-Services diesen Zuschnitts seien in der Vergangenheit viel gelobt und diskutiert worden. In der Praxis hätten sie sich aber kaum durchgesetzt. Für Services auf Basis so genannter Application-Service-Provider-Geschäftsmodelle mit ihren erweiterten Funktionen sei dies sehr wohl zu erwarten. Zu ihnen zählt Kreidler auch sein System.
Anbieter klassischer Punkt-zu-Punkt- Dienste sind vor allem die Werkzeugmaschinenbauer. Der Anwender wählt sich hier per Modem beim Hersteller ein, dessen Service-Techniker dann den gleichen Bildschirm vor sich sieht wie der Mann an der CNC. Analysiert und – soweit möglich – therapiert wird der Maschinen- oder Programmfehler via Daten-Pingpong und Instruktion. Werden Schäden festgestellt, die nur über Austausch behoben werden können, weiß der Service-Mann genauer, was er zum Einsatz mitnehmen muss.
Der Zuwachs solcher Teleservices gleicht allerdings einer flachen E-Funktion. Was bei der Marktsättigung durch bewährte Produkte noch typisch ist, bedeutet für neue Techniken gleichwohl Stagnation. Das musste auch Branchenriese Yamazaki feststellen. Obwohl die Japaner seit 1998 jede ihrer Zerspanungsmaschinen mit der Steuerung Mazatrol Fusion 640 ausrüsten und dadurch Teleservice-fähig machen, nehmen erst drei von zehn Kunden diese Option wahr. Die Resonanz ist weitaus schwächer als angenommen. Dabei hatte der Konzern in Japan wie in den kontinentalen Zentralen millionenschwer in den Telesupport investiert. Dr. Ömer Sahin Ganiyusufoglu, Geschäftsführer der Yamazaki Mazak GmbH in Göppingen, moderiert den Flop mit Humor und mutmaßt die Qualität der Maschinen als mögliche Ursache. Zum anderen habe das Unternehmen gelernt, dass die EDV-Durchdringung seiner Kunden Lücken habe. Unabhängig davon baut Yamazaki weiterhin fest auf Online-Service und -Support und scheint auch bereit zu sein, deren Erfolg einstweilen zu finanzieren. Schließlich seien sie bereits heute der Standard, betont Ganiyusufoglu.
Auch Hersteller wie die Index-Werke setzen auf Teleservice. Anders als Mazak lassen die Esslinger die Sache jedoch ver-halten angehen. Damit stehen sie stellvertretend für das Gros der Werkzeugmaschinenbranche. Index wie auch die Reichenbacher Schwestergesellschaft Traub nutzen die Online-Hilfe bisher vorwiegend für den Anlauf ihrer in Übersee und Fernost installierten Maschinen. Die dazu verwendete Technik – Point-to-Point von Mensch zu Maschine und umgekehrt – stammt aus dem vergangenen Jahrtausend. Wie die Mehrheit ihrer Wettbewerber zeigen die Schwaben jedoch wenig Ambition, auf Basis bald schon überholter Standards ein eigenes Geschäftsmodell zu entwickeln. Netzwerk-Konzepte, die die EDV-Landschaft und das Sicherheitskonzept der Anwender berücksichtigen, kommen da schon besser zupass.
So hatte Index auf der Branchenmesse Emo 2001 in Hannover mit Volker Kreidlers EPS und den Werkzeugmaschinen-Herstellern Chiron, Heller, Trumpf und Mecof demonstriert, wie Network-Services funktionieren können. Die CNC und SPS der Maschinen waren über Internet mit den Rechnern des Leinfeldener Dienstleisters verbunden, ihre Daten aus dem Produktionsprozess wurden in Echtzeit aufgezeichnet, auf den EPS-Servern verdichtet, analysiert und bewertet. Anschließend bekam jeder einzelne Anwender die Ergebnisse zum Zustand seiner Maschine, der Prozess- und Werkstück-sicherheit, zur Auslastung sowie zu den langfristigen Zustandsänderungen seiner Maschine zurückgespielt.
Darüber hinaus bietet das EPS-System in Kürze eine Programmier-Schnittstelle für Anwender und Hersteller. Eigenes Know-how lässt sich dadurch integrieren. Man kann über ihre Maschinensteuerung oder via PC aus einer Bibliothek von E-Diensten auswählen und diese online aktivieren.
Folgende Dienstklassen hält EPS bereits vor:
– Machine Services
– Machine Performance
– Workpiece Services und
– Data Services
Erstere unterstützen die Inbetriebnahme über ein so genanntes Electronic Fingerprint Recording EFR und analysieren Maschinenstörungen für den Servicefall. Machine Performance zeigt die Veränderung in den Ergebnissen zyklisch wiederholter EFR-Messungen – Verschleißerscheinungen lassen sich dadurch schon im Vorfeld erkennen. Die unter Workpiece Services zusammengefassten Dienste erfassen in Echtzeit sämtliche Daten, die gebraucht werden, um den Prozess und damit die Werkstückqualität zu sichern. Zu CAD/CAM-Spezialisten werden Schnittstellen angeboten für die Visualisierung von Maschinenprogrammen in der CNC. Ziel ist dabei, Schwachstellen schon vor der Fertigung zu erkennen und gegebenenfalls zu beseitigen. „Der entscheidende Vorteil dieses Verfahrens ist die bedarfsgerechte und vorbeugenden Wartung“, erklärt Kreidler: Ging der Service zuvor bei der Hauptspindel-Lebensdauer von Angaben des Herstellers aus, wird jetzt nach dem tatsächlichen Zustand entschieden. Dadurch wird Maschinenstillstand vermieden und die Instandsetzung besser planbar.
Via Online-Dienst lassen sich auch die Ursachen von Fertigungsfehlern feststellen. Bemerkt der Bearbeiter etwa eine Delle am Werkstück, kann er sein Programm an EPS schicken. Dort wird per CNC-Simulation ein virtuelles Werkstück angefertigt. Tritt dort die gleiche Delle auf, liegt der Fehler mit Sicherheit im NC-Programm, andernfalls an der Maschine selbst.
Die Web-basierten Archivierungs- und Verwaltungsdienste sorgen im Fall des Verlusts von Programmen, Parametern oder Maschinendaten außerdem dafür, dass die Fertigung schnell wieder aufgenommen werden kann. Dies bietet auch Anwendern ohne eigene EDV-Infrastruktur eine hohe Datensicherheit. EPS-Mann Kreidler geht davon aus, dass Web-Browser schon in naher Zukunft die Standard-Bedieneroberfläche moderner Werkzeugmaschinen-Steuerungen sein werden.
Einen anderen Weg geht die DMG Vertriebs- und Service-GmbH: Zum einen haben die Bielefelder ein eigenes Service- und Sicherheitsystem jenseits des Internet entwickelt. Zum anderen verfügt die Gildemeister-Konzertochter über die größten personellen Kundendienst-Ressourcen der deutschen Werkzeugmaschinen-Hersteller und setzt diese auch konsequent für den Support ein. Nach inoffiziellen Angaben wird jede zehnte der jährlich 6000 ausgelieferten Maschinen der Gruppe mit der Netservice-Option bestellt. Insofern fällt das Unternehmen aus dem flachen Raster der Branche und gilt technisch wie beim Verkaufserfolg als Trendsetter. Die Voraussetzungen, die DMG dabei an das EDV-Know-how der Kunden stellt, sind gering: Jeder Betrieb, der seine Rechnungen nicht mehr mit der Schreibmaschine schreibe, sondern mit dem PC, finde sich beim Netservice schnell zurecht.
Nachgefragt: „Bestenfalls zehn Prozent vom Service lassen sich online umsetzen“
Obwohl technisch ohne Widerhaken, kommt der Teleservice nur schleppend voran. VDW-Chef Heller zu den Ursachen.
Nur für jede vierte neue NC-Werkzeugmaschine werden Online-Dienste in Anspruch genommen. Rechnet sich die Sache nicht?
Das Gegenteil ist der Fall. Grundsätzlich haben Hersteller wie Anwender ein materielles Interesse: Die einen, weil sie weniger, dafür jedoch wesentlich gezielter Service leisten können, die anderen, weil die Verfügbarkeit ihrer Werkzeugmaschinen steigt und Kundendienst-Leistungen schneller und billiger werden.
Weshalb solche Zurückhaltung, wenn Teleservices ökonomisch Sinn machen?
Um es klar zu sagen: Online-Dienste für Werkzeugmaschinen werden sehr wohl zunehmend genutzt. Insofern sind sie bereits ein Standard – dies allerdings nicht mit den Zuwachsraten, die die Hersteller sich versprochen haben. Man muss gleichwohl berücksichtigen, dass Teleservices kein eigenständiges Produkt sind, sondern nur ein physikalisch beschränktes Mittel zum Zweck. Und das ist der Dienst am Investgut des Kunden. Bestenfalls zehn Prozent davon lassen sich über Online-Dienste umsetzen.
Gibt es technische Schranken?
Die Voraussetzungen sind gering. Prinzipiell ist jede Maschine mit moderner CNC und Netzwerkkarte online-fähig. Sofern beim Service vor Ort die Bildverarbeitung eine Rolle spielt, kommt noch einige Hardware hinzu. Nein – was manchem Anwender viel eher Probleme macht, ist die Organisation hinter dem Teleservice und sind Befürchtungen, seine Betriebsdaten würden öffentlich.
Welchen Rat geben Sie in solchen Fällen?
Point-to-Point-Verbindungen sind sicherer als das Internet. Außerdem gibt es bereits verschiedene Network-Services, die gesicherte Prozeduren anbieten.
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