Startseite » Allgemein »

Kulturell wird´s einfacher, technisch aber nicht

China: Bosch Rexroth wächst mit chinesischen Kunden
Kulturell wird´s einfacher, technisch aber nicht

Seit über 25 Jahren ist Rexroth auf dem chinesischen Markt aktiv. Ihre einheimischen Kunden bereiten sich auf Expansion vor: Sie bauen Maschinen für die Volksrepublik. Aber auch der europäische und amerikanische Markt sind ihre Ziele.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

An der Flussbiegung des Huangpu mitten in Shanghai schwenken jeden Abend Reiseleiter ihre Schirme, drängen sich Touristen. Kameras klicken, bannen erleuchtete Fassaden oder den in allen Farben schimmernden Oriental-Pearl-Fernsehturm auf den Film. Bis um 22.30 Uhr. Dann erlischt die Pracht. Die Nacht und die Dunstglocke lassen die Hochhaussilhouetten des Vorzeige-Stadtteils Pudong verschwinden.
Licht aus. Die Chinesen sparen Strom. Nicht aus Sorge um die Umwelt. Es ist der schiere Mangel, der nicht nur die Touristen beim abendlichen Schnappschuss zur Eile zwingt, sondern auch den produzierenden Unternehmen Sorge bereitet. Doch Not macht erfinderisch. „In unserem Werk in der Nähe von Peking haben wir uns mit der lokalen Regierung darauf geeinigt, dass wir die Produktion für eine Woche im Jahr komplett ruhen lassen“, berichtet Berend Bracht, Managing Director und CEO der Bosch Rexroth China Ltd. Dafür fließt die Energie in den restlichen Wochen regelmäßig. Um zu so einer Einigung zu kommen, seien sehr gute Kontakte zu den Verantwortlichen erforderlich, betont der 38-Jährige, der seit fünf Monaten als Chef von über 1100 Mitarbeitern der chinesischen Landesgesellschaft in Shanghai lebt.
Die paar Monate hätten aber niemals gereicht, um sich in das komplexe Netz von „guanxi“, eben den Beziehungen zu wichtigen Persönlichkeiten, zu begeben. Vielmehr profitiert Bosch Rexroth davon, dass seit über 25 Jahren eine wachsende Zahl von Mitarbeitern den Weg auf den Zukunftsmarkt angetreten hat. Dennoch reicht das Beziehungsgeflecht allein nicht aus, um Erfolge zu erzielen. Auch Kreativität ist gefragt: Die Energieversorgung im Werk in Wujin nahe Shanghai ist gesichert, weil der Konzern den offiziellen Stellen Messgeräte beschaffte, mit denen sich die begehrte Energie verteilen lässt.
„Wenn man in China gute Beziehungen zu Verantwortlichen in Partei und Regierung hat, kann man sogar sehr schnell zu solchen Entscheidungen kommen“, lobt Dr. Alfons Weber, der als Executive Vice President das Asiengeschäft von Bosch Rexroth verantwortet. Gute Bedingungen also für Unternehmer aus dem Ausland. Meistens jedenfalls. Wenn nicht gerade die Regierung für die Olympiade im Jahr 2008 eine Schnellstraße plant, deren Trasse just durch die Hallen der Fertigung in der Nähe von Peking verläuft. Wie bei Abriss und Neubau ganzer Stadtviertel in Shanghai oder beim Dammbau am Yangtse gilt Umsiedlung auch in solchen Fällen als probates Mittel. Und so wird Bosch Rexroth bei Peking demnächst ein neues Werk eröffnen, moderner als das alte. „Die Regierungsstellen kommen uns dabei durchaus entgegen“, betont Weber.
Welchen Fortschritt eine neue Fertigung bringt, zeigt ein Blick in das Werk in Wujin. Dort stellen 452 chinesische Mitarbeiter seit Anfang 2004 Zylinder und Aggregate für Industriehydraulik für den chinesischen Markt her. Die Maschinen und die saubere Halle sind, wenn man die aus Europa gewohnten Maßstäbe anlegt, nichts Besonderes. Dennoch heben sie sich vom Umfeld ab. Denn in der 3,6-Millionen-Einwohner-Stadt Changzhou gibt es zwar einen nagelneuen Universitätskomplex für 40 000 Studenten. Gleichzeitig sitzen aber die Obstverkäufer neben aufgestapelten Orangen am Straßenrand, dümpelt der Plastikmüll in Kanälen und Bächen, arbeiten Steinmetze vor ihren Garagen-Werkstätten, und komplett verrostete kleine Lkw tuckern mit offenen Keilriemen über Land. „Unsere Mitarbeiter haben wir inzwischen geschult, auch darin, auf Umweltaspekte Rücksicht zu nehmen“, erzählt Werksleiter Serge Vandroux. „Und sie sind stolz, hier zu arbeiten.“
Im Werk des chinesischen Maschinenbauers Wuxi Baonan hingegen, der sich in China als Marktführer im Bereich der Zeitungsdruckmaschinen sieht und moderne Steuerungen von Bosch Rexroth einsetzt, steht schon mal die hölzerne Schubkarre mit Werkzeug vor dem neuesten Modell der Vierfarb-Druckmaschine, und auch die Drehmaschinen haben ein ehrenwertes Alter erreicht. Dennoch ist Überheblichkeit fehl am Platze. „So haben wir hier in China auch mit der Fertigung angefangen“, mahnt Berend Bracht. „Und die Maschinen, die unter solchen Bedingungen gebaut werden, erfüllen durchaus die Anforderungen des chinesischen Marktes.“
Den Entscheidern bleibe einfach keine Zeit, sich um Kleinigkeiten zu kümmern. Holzkarre, na und? Demnächst sollen in die Halle CNC-Maschinen einziehen, auf der Straßenseite gegenüber ist eine neue Halle geplant – Deng Xiao Ping sei Dank, weil er das Land öffnete. Auch Zhongye Mi, Managing Director der JFY in Yangzhou, plant Zuwachs. JFY baut Laserschneid-, Stanz- und Biegemaschinen, 50 Stück im Jahr 2002, 200 im Jahr 2004, ab dem kommenden Jahr sollen es in einer weiteren Halle noch mehr werden. Die Präsenz auf dem Weltmarkt ist das Ziel, und das wird nicht aus Bescheidenheit verschwiegen. Marktführern wie Trumpf, Amada oder Finnpower möchte Mi in fünf oder zehn Jahren Konkurrenz machen.
Vielleicht sind die Pläne hoch gesteckt. Aber dass das Wachstum in China nicht aufzuhalten ist, scheinen auch Maschinenbauer aus dem Westen fest zu glauben. 8 Mio. Euro investierte Bosch Rexroth in die Fertigung in Wujin, und in den kommenden drei Jahren sollen weitere 83 Mio. Euro für die Expansion in der Volksrepublik aufgewendet werden. „Kulturell wird es einfacher werden, weil immer mehr junge Chinesen in verantwortliche Positionen kommen“, sagt Berend Bracht. Technisch hingegen sieht er schwierigere Zeiten kommen, denn China hole auf.
Wenn man den Chinesen in Shanghai lauscht, erscheint sowieso keine Perspektive übertrieben. Schwierig sei es gewesen, den Stadtteil Pudong in den Himmel wachsen zu lassen. Das alte Shanghai liegt am Westufer des breiten Huangpu, der ein ernst zu nehmendes verkehrstechnisches Hindernis darstellt. Aber wir haben es geschafft, heißt es, unsere Ingenieure haben die Technik gelernt, mit der man entsprechende Brücken bauen kann. Bisher hat auch die Shanghaier Metro nur einige wenige von 14 geplanten Linien, weil das Bohren und Sichern der Tunnel im Schwemmland nicht einfach war. Aber auch das haben die chinesischen Ingenieure inzwischen im Griff. Keine Frage, was in Zukunft die Reiseführer spätabends am Huangpu über das technische Know-how in ihrer Heimat berichten werden: „Früher gingen hier um halb elf die Lichter aus. Aber das mit der Energie funktioniert heute natürlich.“
83 Mio. Euro für die Expansion in China

„Tun Sie in China nichts, wovon Sie in Europa die Finger lassen würden“

417288

Nachgefragt

Dr. Jörg-Meinhard Rudolph, Gründungspräsident der Deutschen Handelskammer in China und Mitarbeiter am Ostasien-Institut (OAI) der FH Ludwigshafen, mahnt zur Vorsicht im China-Geschäft, wenn er Mittelständler berät.
Herr Dr. Rudolph, wie stellt sich China als Markt für ausländische Unternehmen dar?
China ist ein vertracktes Gebiet. Sie können nicht einmal Ihren Schriftzeichen-Namen lesen, geschweige denn im Ministerium selbst einen Termin vereinbaren. Sogar in Peking oder Shanghai brauchen Sie immer einen Einheimischen, der Sie durchlotst. Das schafft Abhängigkeiten und Unsicherheit. Daher ist es sehr schwer, auf diesem Markt etwas zu erreichen. Nach außen herrscht meist Schönfärberei vor, aber bislang hat noch keine ausländische Firma ihre Bilanz dort veröffentlicht. Ob eine Produktion betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, sollte man genau durchrechnen und dabei die Kosten für allfällige Nacharbeit nicht vergessen, wenn die Güter in Europa vertrieben werden sollen.
Braucht China die ausländischen Unternehmen?
Ja, unbedingt, die ausländischen Investitionen von 1000 Milliarden Dollar treiben ja die Wirtschaft dort. Dabei ist das Land durchgängig industrialisiert und produziert bereits alles selbst. Qualität und Entwicklungsstand hinken zwar weit hinterher, aber zum Kopieren sind die industriellen Voraussetzungen in China optimal, und die Einheimischen verbessern bald ihre eigenen Produkte. Die Chinesen haben einen eigenen Transrapid, sie bauen selber Autos. Im Handumdrehen finden sich die ausländischen Investoren in einer desaströsen Konkurrenzsituation durch chinesische Betriebe wieder.
Wie bewerten Sie den Boom in der chinesischen Wirtschaft?
Meiner Ansicht nach ist das, was in China passiert, nur der Anfang einer folgenreichen Entwicklung – ausgelöst von immensen ausländischen Kapital- und Know-how-Transfers. Das ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Zugleich aber ist es ein Strohfeuer. Heute verbrennt China lichterloh die Ressourcen, die man später noch brauchen würde. Für einzelne Betriebe mag das vernünftig oder profitabel sein. Aber die Konsequenzen bei Benzin-, Getreide- und Rohstoffpreisen, von der Umwelt gar nicht zu reden, werden für alle gravierend sein.
Lohnt es sich für einen Mittelständler, auf diesem Markt zu agieren?
China ist ein teures Pflaster. Als Faustregel würde ich sagen: Nur wenn Sie im ersten Jahr alle damit verbundenen Kosten und Investitionen abschreiben können, sollten Sie mit der Planung fortfahren. Die Entscheidung hängt vom Einzelfall ab. Wegen der andersartigen Bedingungen und der hoch getriebenen Erwartungen an den „Zukunftsmarkt“ rutschen aber viele in Unternehmungen hinein, die sie später bereuen. Man sollte sich daher fragen: Würde ich das in Europa oder Amerika auch so machen? Falls nicht, lassen Sie lieber die Finger davon. op
Kontakt: Dr. Jörg-Meinhard Rudolph, OAI, Tel. (0621) 586670 China-Infos aus Insider-Sicht:
http://xiucai.oai.de

Forschung und Kooperationen in China

417287

Aktiv in China sind nicht nur Wirtschaftsunternehmen: Auch für Forscher gibt es Aufträge im Reich der Mitte.
Weil nicht jedes Produkt auf Anhieb den chinesischen Standards und Gesetzen entspricht, sind laut Dr. Ulrike Tagscherer, Leiterin der China-Abteilung in der Münchner Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft, oftmals konkrete F+E-Projekte erforderlich. Unternehmen, die für ihren Einstieg in den chinesischen Markt solche Vorhaben planen, können sich an die FhG wenden: Ansprechpartner sind die Experten der deutschen Institute. Sie sind mit den Mitarbeitern der Representative Offices der Fraunhofer-Gesellschaft in China vernetzt und haben somit Zugriff auf das Know-how, das für solche Projekte erforderlich ist. Die hiesigen Unternehmen treten dabei als Auftraggeber in Erscheinung, um beispielsweise technische Anpassungen realisieren zu lassen.
Direkte Beratung und auch das Vermitteln von Kontakten zu chinesischen Partnern bieten Experten der Kölner Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Otto von Guericke e. V. „Wir wählen in unseren Büros vor Ort seriöse Partner aus und ermöglichen den Erstkontakt bei einer Unternehmerreise“, sagt Roman Blank, Länderreferent für Indien und China. B 25 Interessenten aus dem Sektor Umwelttechnik reisten beispielsweise zur Messe IFAT 2004 nach Shanghai, 18 Entscheider trafen parallel zur Messe Beijing Essen Welding 2004 auf chinesische Unternehmer. Für 2005 planen die AiF-Mitarbeiter unter anderem eine Veranstaltung für Unternehmen aus dem Bereich Elektrotechnik/Elektronik im März in Shanghai sowie eine Reise für Maschinenbauer zur High-Tech-Expo im Mai in Peking.
Kontakt: Roman Blank, Tel. (030) 48163-528
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de