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Kupferhalbzeuge an der Leistungsgrenze

Werkstoffe: Massgeschneidert durch Sprühkompaktieren
Kupferhalbzeuge an der Leistungsgrenze

Auch bei Kupfer ist das Hightech-Zeitalter ausgebrochen. Das zeigen die Produkte von Swissmetal – ob es sich nun um stranggepresste Profile handelt, um hochfeste Gleitlager-Werkstoffe oder berylliumfreie Legierungen.

„Unsere Domäne sind anspruchsvolle Spezialitäten, um die andere lieber einen Bogen machen“, meint Sam V. Furrer, Chief Development Officer der Swissmetal – UMS Schweizerische Metallwerke AG. Das Unternehmen unterhält Werke in Dornach und Reconvilier (Schweiz) sowie Lüdenscheid (Deutschland) und produziert Halbzeuge aus Kupferlegierungen für zahlreiche Hightech-Branchen wie die Elektronik-, Telekommunikations-, Luftfahrt-, Automobil- und Uhrenindustrie. Bei den Kunden entstehen daraus Gleitlager, Generatorwicklungen, Elektronikkontakte, Uhrwerkskomponenten oder sogar Schreibwaren. Denn auch bei Kugelschreibern ist Know-how gefragt: Als umgestellt wurde von lösemittelhaltigen auf die umweltfreundlicheren wasserbasierten Tinten und dabei Korrosionsprobleme an den Neusilber-Spitzen auftraten, setzten viele Hersteller auf die Erfahrung der Schweizer Legierungsspezialisten.

Die hohe Schule ist das Kupfer-Strangpressen. Hier nehmen die Schweizer nach eigener Einschätzung eine weltweite Spitzenposition ein. „Beim Strangpressen von Halbzeugen aus Kupferbasisprofilen macht uns niemand etwas vor“, bekräftigt Jean-Pierre Tardent, Leiter Innovation und Business Development bei Swissmetal. Das Umformen von Kupferwerkstoffen erfordert ein wesentlich höheres Temperaturniveau als bei Aluminium. Es liegt hart an der Grenze dessen, was die Stähle für die jeweiligen Werkzeug überhaupt aushalten können. Nur eine ausgefeilte Werkzeugtechnologie erlaube es beispielsweise, komplex gestaltete und eng tolerierte Geometrien zu erzeugen. Ebenso anspruchsvoll seien Hohlprofile mit teilweise unsymmetrisch angeordneten Kammern, die für Rotorwicklungen moderner Stromgeneratoren benötigt werden. Wegen der hohen Energiedichte bei der Stromerzeugung müssen sie intern gekühlt werden. Anderenfalls würden sich die Abmessungen des Rotors und damit der magnetische Spalt zwischen Rotor und Stator verändern – mit nachteiligen Auswirkungen auf Wirkungsgrad und Anlageneffizienz.
Bei einem Flugzeug in der Luft darf es einfach keine Kontaktprobleme geben: Der Ausfall eines wichtigen Sensors während des Fluges könnte katastrophale Auswirkungen haben. Besonders hohe Anforderungen werden daher an die vielen Stecker gestellt, die jahrzehntelang selbst unter widrigsten Witterungs- und Temperaturverhältnissen störungsfrei funktionieren müssen. In so gut wie allen westlichen Passagierflugzeugen, so bekräftigt Jean-Pierre Tardent mit Stolz, komme daher die von Swissmetal entwickelte Legierung C97 zum Einsatz. Zu den besonderen Eigenschaften des Kupfer-Nickel-Werkstoffs zähle neben einer hohen Festigkeit und guten Leitfähigkeit auch die Langzeit-Beständigkeit der Eigenschaften bei Temperaturen von bis zu 200 °C. Deshalb kommen als Steckverbinder ausschließlich hochwertige, aufwendig präzisionsbearbeitete Systeme zum Einsatz.
„Zu den Herausforderungen an die Lieferanten gehört die Abkehr vom Beryllium“, verrät Sam Furrer. Als Legierungselement verleiht Beryllium den Kupferwerkstoffen zwar außergewöhnlich gute mechanische und zugleich elektrische Eigenschaften, ist andererseits aber hochgiftig. Swissmetal hat für sich schon lange die entsprechenden Konsequenzen gezogen und bietet diese Legierungsgruppe gar nicht erst an. Die Entwickler suchten intensiv nach Alternativen. Der Durchbruch gelang vor zwei Jahren mit der Legierung NP6. Dieser patentierte Werkstoff zeichnet sich durch höchste Festigkeit sowie Dauerfestigkeit bei gleichzeitig sehr guter Zerspanbarkeit aus und kommt beispielsweise bei Steckkontakten mit hohen Zuverlässigkeitsanforderungen zum Einsatz. Ein Beispiel sind Basisstationen für die Telekommunikation. Darüber hinaus sei der Werkstoff strategisch bedeutsam für den Luftfahrtsektor sowie im rasch wachsenden Markt der Steckverbinder für Breitbandkommunikation via Glasfaserkabel.
Auch bei Werkstoffen für extrem hoch beanspruchte Gleitlager, wie sie in Flugzeug-Fahrgestellen oder in Bohranlagen für die Erdöl-Exploration benötigt werden, galten Beryllium-haltige Legierungen lange als das Maß aller Dinge. Neben hoher mechanischer Festigkeit, guten Gleiteigenschaften und höchster Verschleißbeständigkeit ist hier eine hohe Korrosionsbeständigkeit gefordert. Lebensdauer und Wartungsintensität haben bei solchen Komponenten einen starken Einfluss auf die Kosten. Bei dieser Anwendung erwies sich der mit dem Sprühkompaktierverfahren Osprey hergestellte Kupfer-Nickel-Zinn-Werkstoff CN8 als „selten erfolgreicher Durchbruch“, wie Furrer betont. Fachleute kannten zwar schon seit Jahrzehnten die überlegenen Eigenschaften des Materials, doch ließ es sich mit herkömmlichen Schmelz- und Gießverfahren nicht oder in nicht ausreichend großen Abmessungen erzeugen, weil es beim Erstarren zu Entmischungen kommt.
Beim Osprey-Sprühkompaktieren wird das Metall im schmelzflüssigen – und daher noch nicht entmischten – Zustand unter Schutzgasatmosphäre verdüst und sofort auf einem Drehteller tröpfchenweise aufgefangen. Durch die schnelle Erstarrung und die mechanische Wechselwirkung von Tröpfchen unterschiedlicher Größe – die teilweise fest, halbflüssig oder flüssig auftreffen – bildet sich ein homogenes Gefüge ohne Entmischungszonen. Durch die nachfolgenden Umformungs- und Wärmebehandlungsschritte erhält das Material optimale Eigenschaften und weist die für kritisch belastete Gleitlager erforderlichen Eigenschaften auf. Beispielsweise beim Reibungskoeffizienten ist CN8 den Kupfer-Beryllium-Legierungen, die bisher als Referenzmaterial galten, um bis zu 30 % überlegen.
„Unsere Kunden müssen sich auf ihren Märkten ständig neuen Herausforderungen stellen“, erklärt Tardent. Deshalb arbeite Swissmetal bei der Suche nach neuen Werkstoff- und Verfahrenslösungen in Entwicklungspartnerschaften eng mit Kunden zusammen – die Basis für die Zukunftssicherung des Unternehmens.
Klaus Vollrath Fachjournalist in Allschwil/Schweiz
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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