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Licht und Schall fordern Kompetenz und neues Denken

Junge Fertigungstechnologien treten in Wettbewerb mit etablierten Verfahren
Licht und Schall fordern Kompetenz und neues Denken

Innovative Bearbeitungsverfahren bieten auch dem Werkzeug- und Formenbau neue Perspektiven. Richtig eingesetzt, eröffnen sie einiges Potenzial. Aber auch die etablierten Verfahren werden immer produktiver.

Von unserem Redaktionsmitglied Haider Willrett haider.willrett@konradin.de

Umfangreicher ausgestattet, leistungsfähiger, trotzdem kleiner, leichter und länger haltbar – diese Entwicklung gilt für neue Produktgenerationen in fast allen Bereichen der Technik. Eine Voraussetzung dafür: Innovative Werkstoffe mit immer besseren Festigkeitswerten, die immer höheren Temperaturen widerstehen und langsamer verschleißen.
Was für den Verbraucher ein Gewinn ist, wird für den Hersteller und dessen Lieferanten zunehmend zur Herausforderung. Sie müssen Materialien bewältigen, die schwer, vielfach mit konventionellen Methoden gar nicht zu bearbeiten sind. Deshalb wurden in den letzten Jahren neben den etablierten Bearbeitungsverfahren, etwa dem Fräsen oder dem Erodieren, Technologien entwickelt, die auch dem Werkzeug- und Formenbau neue Perspektiven eröffnen. Zu ihnen zählen das Ultraschall-unterstützte Schleifen oder das Abtragen von Material mittels Laser.
Zurzeit noch auf Nischen beschränkt, steckt im einen oder anderen dieser jungen Verfahren durchaus Potenzial. So ist Franz Mack, Gründer und Geschäftsführer der Mack CNC-Technik GmbH & Co. KG in Dornstadt, überzeugt, dass das Ultraschall-unterstützte Schleifen Bereiche der Fertigungstechnik revolutionieren wird. Die Spezialität des Verfahrens sind harte und spröde Werkstoffe – etwa Keramiken, Hartmetalle oder Glas –, die sich sonst bestenfalls flach- oder rundschleifen lassen. „Ultrasonic-Anlagen erzeugen dagegen komplexe dreidimensionale Formen und präzise Bohrungen ab 0,3 Millimeter Durchmesser.“ Die Maschinen der Stipshausener Sauer GmbH nutzen das Grundkonzept von Fräszentren aus dem Mutterkonzern Gildemeister und bieten in Sachen Geometrie die gleichen Möglichkeiten.
Alexander Mack, der gemeinsam mit Vater Franz die Geschäfte führt, ist im Familienbetrieb für die neue Technologie zuständig. Begeistert erzählt er: „Wir entdecken immer wieder Bearbeitungsmöglichkeiten, die wir vorher nicht für machbar gehalten hätten.“ Gewinde, mit hoher Präzision und Oberflächengüte direkt ins Hartmetall eingearbeitet, gehören für ihn schon zum Alltag. Überrascht hat ihn dagegen, dass in Glas prozesssicher Stege hergestellt werden können, die nur 0,1 mm dick sind. „Die kleinen Prozesskräfte machen´s möglich.“ Sie wirken sich auch auf das Aspektverhältnis, die maximale Bearbeitungstiefe in Bezug auf den Werkzeugdurchmesser, positiv aus. Bis zu 30xD tiefe Kavitäten erzeugen die mit Diamantkörnern belegten Bohrer und Fräser.
Über die interessantesten Bearbeitungen dürfe er leider nicht sprechen, bedauert Mack junior. Die Kunden – sie kommen überwiegend aus dem Automobilbau, dem Motorsport, der Luft- und Raumfahrt, dem Maschinenbau oder der Medizintechnik – bestehen auf Geheimhaltung. Aber auch die „Versuchsteile“, an denen er die Technologiedaten erarbeitet, geben einen Einblick in die Möglichkeiten. Etwa der Siliziumnitrid-Block mit diversen Bohrungen und angearbeiteten Flächen oder der Hartmetall-Stempel, dessen Stirnfläche spiegelblank ist. Je nach Werkstoff und Bearbeitungsstrategie seien Oberflächengüten bis Ra = 0,05 µm möglich.
Für Mack senior gilt es, das Verfahren bekannter zu machen. Speziell in den Konstruktionsabteilungen müsse ein Umdenkprozess einsetzen und schon beim Entwurf die spezifischen Werkstoff- und Prozesseigenschaften berücksichtigt werden. „Wenn wir in Deutschland solch innovative Techniken nicht nutzen, verlieren wir den Anschluss. Die Japaner und Chinesen arbeiten längst damit“, sagt er mit Nachdruck. Benedikt Brocks, bei Sauer Produktmanager in den Geschäftsbereichen Ultrasonic und Lasertec, bestätigt: „Rund zwei Drittel unserer Ultrasonic-Anlagen gehen nach Asien.“ Der Rest bleibe überwiegend in Europa. Die deutschen Anwender seien allerdings noch sehr zurückhaltend. Franz Mack räumt ein, dass das Verfahren mehr Engagement erfordere als beispielsweise das Fräsen. Viele Technologiedaten, die bei etablierten Verfahren längst Allgemeingut sind, müssten hier erst noch erarbeitet werden.
Vergleichbare Rautiefen wie das Ultraschall-unterstütze Schleifen erzeugt auch das Senkerodieren. Allerdings nur unter einer Bedingung: Der zu bearbeitende Werkstoff muss elektrisch leitend sein. Ist das der Fall, entsteht durch tausende von Lichtblitzen pro Sekunde ein sehr gleichmäßiger Materialabtrag. Das macht das Verfahren zum Favoriten, wenn hochwertige Sichtflächen oder natürlich anmutende Oberflächen mit einer sehr guten Haptik gefragt sind. Etwa bei Spritzgießformen für Kamera- oder Handygehäuse.
Vor Jahren, als sich das 5-Achsen-Hochgeschwindigkeits-Fräsen etablierte, meinten einige bereits die Totenglocken fürs Senkerodieren läuten zu hören. Mit innovativer Technik haben die Ingenieure inzwischen gezeigt, dass Totgesagte eben doch länger leben. Neue Generatoren sorgen für höhere Abtragsleistungen. Schnellere Rechner und Steuerungen ermöglichen es, Ströme und Spannungen feiner abzustimmen und für die jeweilige Prozesssituation zu optimieren. „Die Zeit, in der das HSC-Fräsen dem Erodieren Anteile abnahm, liegt hinter uns“, ist Franz-Josef Sendler, bei der Schorndorfer Agie GmbH fürs Marketing und Produktmanagement zuständig, überzeugt. Er betont, dass beide Verfahren notwendig seien und plädiert für die intelligente Kombination. So sei es vielfach sinnvoll, die Grafitelektroden zu fräsen, das eigentliche Werkstück anschließend aber zu erodieren.
Eine weitere Stärke der Elektroerosion ist die hohe Prozesssicherheit. Mit der entsprechenden Automatisierung laufe die Anlage über Nacht oder am Wochenende ohne Probleme mannlos, betont Sendler. „Programm starten, nach Hause gehen, wieder kommen, fertig“, fasst er den Handlungsbedarf knapp zusammen. Gerade bei filigranen Bearbeitungen in gehärtetem Stahl sei das ein Vorteil gegenüber dem Hartfräsen. „Ein Bruch des Werkzeugs ist bei uns ausgeschlossen.“ Allerdings arbeiten die Frästechnik-Entwickler daran, die Prozesssicherheit insbesondere in den kritischen Bereichen der Hart- und der Mikrobearbeitung zu verbessern. Teilweise sind die Lösungen schon im praktischen Einsatz. So ermitteln beispielsweise Sensoren in der Spindel die auftretenden Schwingungen und lassen so Rückschlüsse auf den Prozessverlauf zu. Auch aus den Prozesskräften kann die Steuerung den Zustand des Werkzeugs hochrechnen.
Kein anderes Tool gräbt sich so tief ins Material wie eine Erodierelektrode. Sie kann Tiefen bis zum 70fachen ihres Durchmessers erreichen. Beim Fräsen von gehärteten Stählen sind dagegen lediglich Aspektverhältnisse zwischen fünf und zehn realistisch. Wird weicheres Material zerspant, kann der Fräser auch schon mal bis zum 20fachen seines Durchmessers eintauchen. Doch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Neue Schneidstoff- und Beschichtungskonzepte sorgen für einen weicheren Schnitt. Dadurch spanen die Werkzeuge ruhiger und können sich tiefer in die Kavität arbeiten“, erläutert Prof. Fritz Klocke, Direktor des Werkzeugmaschinenlabor (WZL) an der RWTH Aachen und des Fraunhofer Institut für Produktionstechnik (IPT) in Aachen.
Deutliche Vorteile gegenüber anderen Verfahren hat das Fräsen, wenn Flexibilität sowie großer und schneller Materialabtrag gefragt sind. Ob Großformen oder Mikrobearbeitung, Einzelteil oder Großserie – fast alles kann damit in vergleichsweise kurzer Prozesszeit hergestellt werden. „Tiefzieh- und Schmiedewerkzeuge, die offen gestaltet sind und relativ große Radien sowie weiche Übergänge haben, können heute bis zu einer Härte von 65 HRC komplett gefräst werden“, beschreibt Klocke den Stand der Technik. Etwas anders sehe es bei Spritzgieß- oder Druckgussformen aus. Sie haben vielfach komplexe Geometrien und filigrane Elemente, und hier habe das Erodieren Vorteile. Begrenzt ist das Potenzial des Fräsens bei sehr harten und schwer zerspanbaren Werkstoffen. Eine Entwicklung, die dem Verfahren hier zugute kommt, sind Werkstoffe, die zwar hochfest und verschleißbeständig sind, sich aber dennoch gut zerspanen lassen.
Sehr filigrane Formen und Strukturen sind laut Benedikt Brocks von Sauer das Terrain des Laserabtragens. Die geringe Abtragsleistung des Lasers, der Schicht um Schicht mit einer Dicke von 2 bis 10 µm verdampft, beschränkt das Verfahren allerdings auf kleine Anwendungen oder zonale Bearbeitungen in vorgefertigten Teilen. Wirtschaftlich lassen sich Kavitäten mit Tiefen bis rund 5 mm erzeugen. Im Bereich kleiner Bauteile sieht Brocks das Laserabtragen im direkten Wettbewerb zum Senkerodieren. „Unser Vorteil ist, dass wir direkt ins Material arbeiten. Wir brauchen keine Elektroden.“ Der Materialabtrag sei zwar etwas langsamer, unterm Strich sei der Prozess dennoch bei vielen Anwendungen erheblich schneller, weil der Aufwand fürs Programmieren und Fertigen der Elektroden wegfalle.
Einig sind sich alle Befragten darin, dass kein Verfahren ein anderes ersetzen wird. Jedes hat spezifische Stärken und Grenzen. „Nur wenn man die Bearbeitungsaufgabe ins Zentrum aller Überlegungen stellt, findet man den jeweils wirtschaftlichsten Prozess“, gibt Benedikt Brocks zu bedenken. Werden mehrere Verfahren gebraucht, kann eine Kombinationsmaschine eine wirtschaftliche Alternative zu getrennten Anlagen sein. So bietet Sauer beispielsweise sowohl Ultrasonic- als auch Lasertec-Maschinen an, die auch vollwertige Fräszentren sind. Institutschef Fritz Klocke betont: „Entscheidend ist das Wissen um die Möglichkeiten aktueller Fertigungstechnik und die Bereitschaft, diese auch zu nutzen. Das setzt von der Geschäftsleitung bis zum Werker eine hohe Kompetenz voraus.“
Ultraschall erzeugt spiegelnde Oberflächen
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