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Lieferanten müssen mitziehen

Einheitliche Plattform erleichtert Bestellvorgänge
Lieferanten müssen mitziehen

Technische Lösungen zur Automatisierung des Einkaufs gibt es zuhauf. Die Qualitätsunterschiede zeigen sich etwa bei der Skalierbarkeit. Wolf Heiztechnik hat ein System installiert, das neben Bestellungen und Auftragsbestätigungen auch Kanban, Lieferantenbewertungen und künftig Liefer-Avis ermöglicht.

Bestellung schreiben, ausdrucken, eintüten, frankieren, abschicken – bei Hunderten von Lieferanten und Tausenden von Bestellungen ist das nicht nur aufwändig und teuer, sondern auch eine Verschwendung von Personalressourcen. Denn Routinearbeiten halten die Einkäufer von wichtigen Aufgaben ab – etwa die Optimierung von Bestellprozessen oder die Nachverfolgung verspäteter Lieferungen. „Unser operativer Einkauf hat sich mit Standardprozessen befasst und konnte sich kaum um Ausnahmesituationen kümmern“, erinnert sich Ernst Kranert, Bereichsleiter Einkauf bei der Wolf Heiztechnik.

Für die technische Lösung kamen drei Dienstleister in die engere Wahl. „Nur einer erfüllte unsere Bedürfnisse nach einer skalierbaren Komplettlösung“, so Kranert. Das Hauptkriterium: Das System musste zu 100 Prozent webbasiert sein – also ohne Implementierung einer Software bei den Lieferanten auskommen. „Es war schon schwer genug, unsere Lieferanten von den Vorteilen einer elektronischen Bestellabwicklung zu überzeugen“, so Kranert. Bei Firmen wie Siemens oder Honeywell ist eine solche Umstellung kein Problem, aber kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben viele Vorbehalte gegen Neuerungen.
Mit der Präsentation der Anbieter vor dem Einkauf, der EDV und der Projektleitung war es nicht getan. Kranert wollte sich vor Ort davon überzeugen, dass die Softwarelösung zu Wolf passt. „Deshalb haben wir uns bei den Kunden der Anbieter direkt informiert und uns die Systeme im laufenden Betrieb zeigen lassen.“ Er hatte den Eindruck, dass er dort auf seine kritischen Fragen ehrliche Antworten bekam: „Das war keine Werbeveranstaltung.“ Ihm war vor allem die Zukunftsfähigkeit wichtig.“ Anfangs sollten nur Angebote, Bestellungen und Auftragsbestätigungen digitalisiert werden, später auch Rubriken wie Zuverlässigkeit und Termintreue.
Die Entscheidung fiel auf das Produkt Abbino von Nicando. Das System passte nicht nur, es versprach auch einen schnellen Return-on-Investment (ROI): Die Zeiteinsparung bei den Einkäufern ließ sich leicht messen. Multipliziert mit den Kosten pro Stunde aus dem Controlling stellte sich heraus, dass die Investition sich in weniger als einem Jahr amortisieren würde.
Nach der Freigabe durch die Geschäftsführung veranstaltete Wolf Heiztechnik einen Lieferantentag mit den 100 wichtigsten Lieferanten – nicht mit den größten, sondern denjenigen mit dem größten strategischen Potenzial. Die Erwartungshaltung war einfach und klar: Alle müssen mitmachen. Von den insgesamt 640 aktiven Lieferanten sollten innerhalb von zwölf Monaten 300 auf der Plattform vertreten sein, die 90 Prozent des Einkaufsvolumens im Fertigungsbereich ausmachen. Doch es gab viel Widerstand. Entweder hatten die Einkäufer selbst Vorbehalte, oder sie wollten sich nicht mit ihren Kollegen, Mitarbeitern und der Geschäftsführung auseinandersetzen. Vor allem dann nicht, wenn dort auch sonst viel mit Papier gearbeitet wird. „Viele haben uns erklärt, dass ihr System das nicht kann, ohne es geprüft zu haben“, sagt Kranert.
Dabei war die Umstellung kein Hexenwerk: Die Lieferanten hatten drei Monate Zeit für ihre interne IT-Vorbereitung, dann wurde jeder einzeln angebunden, geschult und eingewiesen. Um die Daten aus dem Webserver herunterzuladen, können sie wahlweise EDI, CSV oder XLS verwenden. Trotzdem trauten manche Lieferanten der Sache nicht: Sie erhielten die Bestellungen zwar elektronisch, bearbeiteten sie jedoch manuell. Kranert warnt: „Jeder Medienbruch ist eine Fehlerquelle.“ Ziel ist es, dass die Lieferanten sowohl die Bestellungen als auch die Auftragsbestätigungen elektronisch abwickeln. Inzwischen hat sich das System durchgesetzt. Manche Lieferanten sind sogar so sehr überzeugt, dass sie die Software bei sich installiert haben und für ihren eigenen Einkauf nutzen. Nur ein Lieferant ist aus dem Projekt ausgestiegen, weil es ihm zu aufwändig war.
Heute läuft der Prozess wie folgt ab: Der Beschaffer schreibt eine Bestellung in SAP, schickt sie online ab, und wenn die Lieferung kommt wie bestellt, hat er nichts mehr damit zu tun. „Nur wenn der Lieferant abweichend bestätigt, erhält der Einkäufer eine Warnmeldung und muss aktiv werden“, erläutert Kranert. Dann gibt es zwei Optionen: den Lieferanten überzeugen, die Bestellung zu bestätigen, oder die abweichende Auftragsbestätigung akzeptieren und im eigenen SAP-System ändern. Früher gab es eine eigene Seite für die Lieferanten mit einem Screenshot aus SAP, heute erfolgt eine transparente Entnahmebuchung mit den Angaben, was noch da ist und was fehlt.
Zudem hat Wolf mit seinen Lieferanten eine Kanban-Abwicklung für das C-Teile-Management aufgebaut. Früher gab es auch dazu eine eigene Internet-Seite, heute stehen die Tafeln auf der gleichen Plattform. Anstatt einmal täglich die Mengen zu aktualisieren, erfolgt die Anpassung heute in Echtzeit.
Die Digitalisierung der Bestellprozesse war jedoch nur der Anfang. Auf der Plattform lassen sich zahlreiche weitere Funktionen integrieren: So erhalten die Lieferanten nun ein 12-Monats-Forecast. Durch das elektronische Format ist es immer aktuell. Die Lieferanten passen ihre Planung darauf an. Wichtig ist, dass niemand mehr Daten manuell bearbeitet: „Das System funktioniert nur, wenn es keine Medienbrüche gibt“, so Kranert.
So richtig spannend wird es beim Feedback: Jeder Lieferant erhält monatlich eine Beurteilung, in der Termintreue, Mengentreue und Qualität bewertet werden. Einmal jährlich gibt es ein Feedback zu den Softskills – zum Beispiel wie freundlich und lösungsorientiert der Kundendienst arbeitet. Alle Bewertungen zusammengenommen werden im Bereich Lieferperformance gelistet. „Die Termintreue hat sich seit der Systemeinführung extrem gesteigert“, berichtet Kranert, „früher lag sie unter 90 Prozent, heute bei 98 Prozent.“ Die Lieferanten sehen das als sportliche Herausforderung. Die Beurteilungen von Wolf werden immer ungeduldig erwartet: „Wir sind schon bei 99,98 Prozent Liefertreue“, wird dann intern und extern geworben.
Neben einer transparenten Einkaufsabwicklung sollen auch die Lieferanten mit ihren Produkten strukturiert werden. „Wir wollen die Anzahl der Lieferanten konstant halten“, sagt Kranert. Neue Lieferanten müssen sich bereits im Vorfeld (vertraglich) verpflichten, nur auf der Plattform zu arbeiten.
Als nächstes ist ein Lieferanten-Avis geplant, um den Wareneingang zu automatisieren. So können die Lieferanten ihre eigenen Anlieferfenster buchen. Wurde früher am Anliefertag etwa ein Fenster von 10 bis 13 Uhr angeboten, kann man sich künftig innerhalb der Warenannahme von 6 bis 15 Uhr das Fenster selbst buchen. „Wenn ein Fahrer weiß, dass er am nächsten Morgen viel auszuliefern hat, bucht er bei uns ein späteres Fenster“, beschreibt Kranert das Procedere. Wer sein Zeitfenster einhält, wird bevorzugt abgewickelt. Zudem lässt sich die Logistik optimieren und Ladeflächen besser nutzen.
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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