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„Low-Cost-Anlagen sind rentabel, auch wenn sie mal für eine Schicht ruhen“

Prof. Andreas Syska: Um 2015 profitabel zu montieren, sind jetzt schon Veränderungen fällig
„Low-Cost-Anlagen sind rentabel, auch wenn sie mal für eine Schicht ruhen“

Ab welcher Losgröße die automatische Montage profitabel wird, ist laut Prof. Andreas Syska zukünftig die falsche Frage. Denn um selbst bei Einzelanfertigung wirtschaftlich zu sein, taugen erprobte Konzepte nicht.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Professor Syska, wo muss ein Mittelständler ansetzen, um seine Montage für 2015 fit zu machen?
Die bisher verbreitete starre Denke rückt allein die Kosten in den Vordergrund. Davon muss man sich lösen, denn in Zukunft werden drei Faktoren wichtiger sein: Flexibilität, die schnelle Reaktion auf Kundenwünsche sowie die Variantenvielfalt, die man erreichen kann. Auch wenn wir jetzt noch am Anfang stehen: Wir bewegen uns unaufhaltsam auf die Individualisierung der Produkte und Losgröße 1 zu.
Wie lässt sich soviel Flexibilität in der Montage verwirklichen?
Flexibel sein heißt eben nicht, in einer Notsituation gerade noch etwas zu schaffen, sondern jederzeit auf Änderungen vorbereitet zu sein. Das gilt für das gesamte System und bedeutet: kurze Umrüstzeiten, geschulte Mitarbeiter und schnellen Informationsfluss. Um das zu erreichen, ist Kreativität gefragt.Warum nimmt nicht der Kunde direkten Kontakt mit der Produktion auf?
Gibt es dafür schon Beispiele?
Mir fallen spontan drei Unternehmen ein, die das schon fast erreicht haben. Dort meldet sich die Vertriebsorganisation oder der regionale Verkäufer direkt in der Produktion. Das geht, weil ein Bypass an der üblichen Verwaltung vorbeiführt und Produktionsmitarbeiter in Gesprächsführung und anderen administrativen Fähigkeiten geschult wurden. Bevor man umstellt, muss man so ein Modell natürlich in Pilotbereichen ausprobieren.
Sind die Mitarbeiter für neue Konzepte qualifiziert?
Wir haben an der Qualifizierung schon viel getan. Aber warum sollte man nicht auch hier neue Möglichkeiten finden? Mich fragte ein Entscheider, ob ich seinem Mitarbeiter eine Hospitanz in mehreren produzierenden Unternehmen vermitteln könnte. Gute Idee! In anderen Fällen gehen Führungskräfte zu Trainings an die Hochschule – ohne gleich ein komplettes Studium zu absolvieren.
Wie lassen sich Qualität, Termintreue und Kosten unter einen Hut bringen?
In einer schlanken Montage, wo die Lagerbestände extrem niedrig sind, ja sogar fast Null erreichen, sind sowohl Qualität, Termintreue als auch niedrige Kosten zu erreichen. Und ich betone, dass wir uns das durchaus als Ziel setzen sollten. Andererseits zeigt sich, dass Kunden für Qualität, Verlässlichkeit und Flexibilität einen angemessenen Preis auch bezahlen.
Was bringt bei so vielen äußeren Einflüssen noch die automatisierte Montagetechnik?
Die Technik muss die Prozesse sicher und stabil machen. Das heißt aber nicht, dass wir in Industriedenkmäler investieren. Der Blick nach Japan zeigt, dass intelligente Low-Cost-Automatisierung möglich ist. Die Fertigung im Topunternehmen kann durchaus bescheiden aussehen. Da schließt sich der Kreis zur Flexibilität: So eine Anlage kann auch mal für eine Schicht stillstehen, ohne dass die Kostenkalkulation den Bach runtergeht.
Sind Mittelständler auf diese Veränderungen vorbereitet?
Ich sehe Licht und Schatten. Teilweise versperrt die starre Denke das Verständnis für neue Methoden. Erfreulich oft aber treffe ich auf Offenheit: In solchen Betrieben gibt es lediglich ein Defizit in der Umsetzung. Überall ist zu erkennen, dass wir seit ein paar Jahren auf einem guten Weg sind. Im Hintergrund entstehen schon viele Top-Produktionsstätten.

Randbedingungen für die Montage im Jahr 2015
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, an denen sich die Montage ausrichten muss, haben sich bereits in den vergangenen Jahren verändert – ohne dass sich dies in der Praxis ausreichend niederschlägt, wie Prof. Andreas Syska von der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach betont. Woran sich die Montage in zehn Jahren orientieren muss, beschreibt der Experte in fünf Thesen.
  • Im Jahr 2015 konfiguriert der Kunde sein Produkt vielfach online. Zu Ende gedacht, heißt das: Es gibt keine Losgrößenbildung mehr. Auftragsplanung, Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung, wie sie heute praktiziert werden, verlieren ihren Sinn. Der Kunde löst den Auftrag aus, will das Produkt sofort, und wahrscheinlich beträgt die Losgröße 1.
  • Im Jahr 2015 ist die digitale Fabrik so selbstverständlich wie heute ein 3D-CAD-System in der Konstruktionsabteilung – auch wenn heute noch viele, vor allem Mittelständler, darauf hoffen, dass diese Entwicklung an ihnen vorübergeht. Die hohe Geschwindigkeit bei Neuanläufen in der Produktion wird ein Muss sein: Die digitale Fabrik beschleunigt den Prozess und macht ihn sicher.
  • Im Jahr 2015 kommt um das Thema Supply Chain Management (SCM) keiner mehr herum, denn dann stehen nicht mehr Unternehmen, sondern Wertschöpfungsketten miteinander im Wettbewerb. Virtuelle Netzwerke, die nur für die Lebensdauer eines Produktes Bestand haben, werden weit verbreitet sein. Nur so lassen sich Technik, Organisation und Logistik permanent neu konfigurieren und an die aktuellen Produkte anpassen.
  • Im Jahr 2015 könnten Kapazitäts- börsen sowie das Koppeln von ERP- Systemen eine größere Rolle spielen als heute, weil beides zur Flexibilität beiträgt. Wenn sich die Börsen etablieren, lassen sich auch Engpässe in der Montage ausgleichen, weil Web-Agenten im Netz nach freien Kapazitäten Ausschau halten können. Gerade auf diesem Gebiet ist die Entwicklung jedoch schwer abzusehen.
  • Im Jahr 2015 werden sich diejenigen freuen, die schon 2005 angefangen haben, neue Dienstleistungskonzepte zu entwickeln: Denn Betreibermodelle werden sich auch in der Montage durchsetzen. Ein Risiko tragen dabei beide Partner. Wer die Anlage für einen Kunden baut und betreibt, bindet sich auf viele Jahre und ist davon abhängig, dass sich die Stückzahlen wie gewünscht entwickeln. Wer montieren lässt, gibt andererseits einen Teil der Kernkompetenz aus der Hand.
Industrieanzeiger
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