Der Einsatz von Magnesium im Chassis und Fahrwerk scheint näher zu rücken. Fraunhofer-Forscher haben neue Legierungen an realen Kfz-Bauteilen getestet.
Die steigenden Spritpreise machen wieder bewusst, wie wichtig der Bau von energiesparenden Autos mit reduziertem Gewicht ist. Magnesium bietet sich dafür geradezu an: Es wiegt rund ein Drittel weniger als Aluminium und ist zwei Drittel leichter als Stahl. Tests mit dem Leichtmetall hat jetzt das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit (LBF), Darmstadt, erfolgreich abgeschlossen. „Es hat sich gezeigt, dass manche Magnesium-Legierungen exzellente Materialeigenschaften haben und zum Bau sicherheitsrelevanter Bauteile wie Chassis oder Fahrwerk geeignet sind“, fasst Christian Pohl vom LBF die Ergebnisse zusammen.
Reines Magnesium ist für den Fahrzeugbau zu weich. Durch die Verbindung mit anderen Elementen lassen sich die Eigenschaften jedoch verändern. Im EU-Projekt „Mg-Chassis“ haben Forscher aus Deutschland, Schweden und Israel mit den Automobilherstellern VW, Opel und Fiat neue Legierungen getestet. Am israelischen Magnesium Research Institute entstanden leichte, aber dennoch extrem belastbare Werkstoffe aus Magnesium, das mit geringen Mengen Aluminium, Zink und Mangan aufgeschmolzen wurde. Ingenieure am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen gossen sie in Bauteile. LBF-Wissenschaftler untersuchten diese Demonstratoren auf ihre Betriebsfestigkeit. „Aus unserer Sicht führen Prüfungen an realen Bauteilen zu realistischeren Kennwerten, weil die Randbedingungen den Bauteilumgebungen entsprechen“, erklärt der LBF-Wissenschaftler.
Die Forscher unterzogen die Teile unterschiedlichen Tests. Zum einen simulierten sie den normalen Fahrbetrieb durch Schwingbelastungen mit konstanten und mit variablen Amplituden. Große Lastschwankungen treten beispielsweise beim Fahren auf Feldwegen auf, kleinere eher auf der Autobahn. Zum anderen wurden in den Arbeiten auch „Sonder- und Missbrauchsereignisse“ nachgestellt – wenn ein Rad zum Beispiel den Bordstein touchiert oder wenn ein Zusammenprall stattfindet. Die entscheidenden Fragen lauteten dann: Vermindert die bei den Stößen auftretende plastische Verformung die Lebensdauer des Bauteils? Oder droht etwa ein schnelles Bauteilversagen?
Christian Pohl stieß auf teils überraschende Ergebnisse bei den Tests. Je nach Belastungsart schneiden die neuen Magnesium-Legierungen einmal besser und einmal schlechter ab als die klassische Referenz-Legierung AZ-91. Wichtiger jedoch als die materialbezogenen Erkenntnisse bewertet er den praktischen Nutzen der Messreihen: „Wir verfügen jetzt über wesentlich mehr Kennwerte, die dem Konstrukteur die Auswahl der am besten geeigneten Legierung erleichtern.“
Angesichts der steigenden Treibstoffpreise zweifelt der LBF-Forscher nicht daran, dass ausgewählte Fahrwerksteile künftig in Magnesium ausgeführt werden. Treiber für den Mg-Einsatz sind jedoch nicht nur die Sprit- sondern auch die Werkstoff-Kosten. So hat sich der Aluminium-Preis seit Januar 2003 fast verdoppelt auf 2,60 US-Dollar/kg (August 2006) mit einem Spitzenwert bei 3,25 US-Dollar/kg im Juni, wie Dr. René Poss von der International Magnesium Association (IMA) berichtet. Hingegen sei der Mg-Preis seit Jahren unverändert bei 2,30 Euro/kg geblieben. „Zum Gewichts- kommt jetzt der Preisvorteil. Darum müssen neue Konstruktionen in Magnesium realisiert werden“, sagt Dr. Poss. Einschlägige Tagungen (Kasten links) liefern Impulse dafür. os
Ermittelte Kennwerte erleichtern die Guss-Auswahl
Magnesium-Tagungen
Zwei Vortragsveranstaltungen mit begleitender Ausstellung richten sich besonders an Fachleute aus der Automobilindustrie:
14. Magnesium Abnehmer- und Automotive-Seminar 28.-29. September an der FH Aalen, Programm und Anmeldung: www.efm-aalen.de
Die Veranstaltung greift den Magnesiumeinsatz in fünf Themenblöcken auf. Eine Session widmet sich Anwendungen mit Magnesium. Darunter findet sich zum Beispiel ein Erfahrungsbericht über die Serienproduktion von Magnesiumblechen in der Autoindustrie. Im Block Gießprozesse sind Vorträge über das Thixogießen und das Integralschaumgießen angekündigt.
1. Europäisches Magnesium- Automobil-Seminar 24.-25. Oktober in Stuttgart, www.intlmag.org, rene.poss@web.de
Das Seminar widmet sich der Legierungsentwicklung, dem Gestaltungsprozess, der Produktion sowie Anwendungen. Enthalten ist auch ein Besuch des neuen Mercedes-Benz-Automobilmuseums.
Teilen: