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Mailand führt aus dem Emo-Loch

Metallbearbeitungsmesse Emo: Entwicklungstreiber mit Mut zur Vision
Mailand führt aus dem Emo-Loch

Wie keine andere Ausstellung bringt die Emo den jüngsten Stand und die kommenden Trends der Metallbearbeitung auf den Punkt. Wir haben für Sie zusammengetragen, was es an Hintergrund-Information für einen lohnenden Gang auf die vom 21. bis 28. Oktober in Mailand stattfindende Messe braucht.

Von Chefreporter Wolfgang Filì chefreporter@fili.net

Kennen Sie das Emo-Loch? Nein, oder zumindest nicht wirklich? Schade, denn vermutlich stecken Sie gerade mitten drin. Das Loch ist ein internationales Phänomen. Ebenso unvermeidlich wie pünktlich, taucht es wenige Monate vor Beginn der Fachmesse Exposition de Machine-Outil (Emo) auf, bringt Ausrüstungsinvestitionen ins Stocken und lässt die Absatzkurve nicht weniger Werkzeugmaschinenbauer um zweistellige Prozente absacken. Je innovativer diese sind, desto tiefer ist in der Regel der Hänger, denn die geneigte Kundschaft hält sich in Erwartung auf Relaunches und neue technische Lösungen zurück.
Entsprechend reicht die Gemütslage der Hersteller von „gereizt mit blank liegenden Nerven“ bis „erwartungsvoll gespannt“. Man sucht mit Hochdruck aus dem Loch zu kommen: Marketingleute und Ingenieure überprüfen die am weitesten fortgeschrittenen Projekte, verabschieden sich einstweilen vom Wochenende mit der Familie und tüfteln am Messeobjekt. Auch der Sondermaschinenbau stapelt Überstunden bis zum Abwinken. Schließlich müssen die Neuentwicklungen just-in-time fertig werden. Nicht wenige solcher auf den letzten Drücker zu Ende gebrachten Exponate sollen noch auf dem Laster zur Emo lackiert werden – zumindest versichern Branchenkenner dies ohne Wimpernzucken.
Kurze Zeit später schon – oft wenige Wochen nach Abschluss der Messe – ist das Emo-Loch verschwunden. Als wäre es niemals da gewesen, löst sich alles in Wohlgefallen auf: Die Investitionen und Projekte kommen erneut ins Rollen. Erfrischt durch verbesserte Produkte und Technologien, springt auch die Verkaufskurve wieder an, und der Puls der Manager fällt in unkritische Zonen zurück. Relative Ruhe kehrt ins Tagesgeschäft ein.
Dieser Zyklus wiederholt sich nun zum fünfzehnten Mal. Die Werkzeugmaschinenbranche ist ihn mittlerweile gewöhnt, macht tapfer mit und treibt ihn sogar aktiv voran. Sie hat gelernt, sich in solchen Phasen technisch wie organisatorisch zu häuten, Altes mit Neuem sowie Gutes durch Besseres zu ersetzen und unter all diesem Druck nach dem Superlativ zu fahnden. Als Frage bleibt nur: Für wen lohnt dieser ganze Stress eigentlich? Wieso wird kaufbare Technik nicht kontinuierlich auf den Stand gebracht?
Die Antwort ist ebenso schlüssig wie banal. Zum einen muss sich die Emo einschließlich der Umsatzhänger und Durchstarter für die Akteure wohl rechnen. Sonst wären sie längst ausgeschert. Zum anderen gibt es keine zweite Messe, die das fertigungstechnische Know-how der Weltgemeinschaft derart punktgenau zusammenbringt wie die Emo. Für Fertigungstechnikanbieter wie -anwender – soweit sie sich nicht gerade in Marktnischen tummeln – ist die Ausstellung daher ein Pflicht-Termin. Dieses Jahr findet sie vom 21. bis 28. Oktober im italienischen Mailand statt.
Als größte Schau für Metallbearbeitung zeigt sie im Hier und Heute Lösungen, die bereits morgen Wettbewerbsvorteile verschaffen und helfen, Produkte präziser und schneller in den Markt zu packen. Dabei ist nachrangig, ob es um die Herstellung von Einzelteilen wie im Werkzeug-, Formen- und Vorrichtungsbau geht oder um die Serienproduktion extrem stückzahlintensiver Branchen wie der Automobil- und Elektroindustrie, der Hydraulik, Feinmechanik oder Mikrotechnik. Was auf der Emo gezeigt wird, steht immer im ersten Glied der Wertschöpfungskette und beeinflusst die Herstellkosten entscheidend.
Die Beteiligung an der Messe – sei es nun als Beschicker oder Besucher – gilt deshalb als Investition mit Zinsgarantie. Technische und kaufmännische Entscheider aus dem Umfeld der Fertigung wissen dies. Sind sie persönlich verhindert, wird der Messegang zumindest delegiert. Entsprechend reicht der Einfluss der Emo weit über den Kontinent hinaus. So ist die Zahl der Besucher seit der ersten Auflage vor 28 Jahren konsequent sechsstellig. In diesem Jahr soll sie bei mindestens 200 000 liegen. Die Ausstellerzahl dagegen entwickelt sich vor allem in Abhängigkeit vom Verlauf der EU-Gesamtwirtschaft nebst Maschinenverbrauch und -produktion, pendelt jedoch stets zwischen anderthalb- und zweitausend.
Nach Angaben des italienischen Branchenverbandes Ucimu, der die Messe dieses Mal ausrichtet, werden es in Mailand über 1600 Unternehmen sein. Sie stellen in 28 Hallen auf 126 000 m² Nettofläche aus. Der Anteil der Europäer liegt bei knapp 90 %. Lässt man die italienischen Firmen einmal außen vor – sie sind 2003 Gastgeber und die Emo ist für sie ein Heimspiel – beträgt er immer noch 45 %. Diese geballte europäische Präsenz hat ihren Grund: Anders als bei der Informationstechnik, spielt die Musik in Sachen Metallbearbeitung weniger in Japan, Südostasien oder den USA, als vielmehr in der Alten Welt. Die Messe hat daran entscheidenden Anteil.
Seit 1975 hatte sie – und zuvor, ab 1951, ihr Vorläufer Europäische Werkzeugmaschinenausstellung (EWA) – dafür gesorgt, dass der Rhythmus passte. Taktgeber war und ist das in Brüssel ansässige Comite de Cooperation des Industries de la Machine-Outil (Cecimo). In ihm sind heute 15 nationale Verbände von Werkzeugmaschinenunternehmen zusammengeschlossen. War das Anliegen der Cecimo in den fünfziger Jahren zunächst, die Vielzahl der westeuropäischen Einzelausstellungen zugunsten einer zentralen Leitmesse mit wechselndem Standort zu beseitigen, entschied man sich nach zwölf EWAs Anfang der siebziger Jahre für eine doppelte Öffnung.
Erstens sollten nicht mehr allein Hersteller aus den bis dahin 13 Cecimo-Ländern ausstellen dürfen. Dies hatte das technische Potenzial der Messe und auch ihre Internationalität beschränkt. So waren Know-how-schwere Staaten wie Japan, die USA und auch die damalige DDR von der Teilnahme an der EWA ausgeschlossen gewesen. Zweitens wurden die Veranstaltungsorte und auch der Turnus selbst neu geordnet. Die Staaten mit den stärksten Kontingenten – die BR Deutschland mit damals durchschnittlich 35 % Ausstelleranteil, Italien mit 20 und Frankreich mit 15 % – machten dies unter sich aus. Der frühere Messestandort Brüssel entfiel. Die ab 1975 unter dem Namen Emo veranstaltete Weltausstellung für Metallbearbeitung wechselt zweijährlich zwischen Hannover, Mailand, erneut Hannover sowie Paris – dann geht der Reigen wieder von neuem los.
Außerdem wurde mehr Raum gelassen für die nationalen Ausstellungen. Bedingung für einen Stand auf der Emo war nur noch die Verpflichtung, in den ungeraden Jahren keine andere Messe innerhalb der Cecimo-Länder zu beschicken. Diese Regelung – die auch auf die japanischen und US-amerikanischen Leitmessen durchschlug – bewirkte, dass sich die Unternehmen der Werkzeugmaschinenbranche weltweit auf die Emo als einen geschützten Raum konzentrierten, in dem sie ihre Lösungen unter identischen Bedingungen, zeitgleich und im selben Rahmen wie der Wettbewerb vorstellen konnten.
Das Resultat war eine Innovationswelle, die bis heute heftig nachebbt. Fast alle bedeutenden Neuerungen für die industrielle Metallbearbeitung hatten ihre Weltpremiere auf der Emo. In der Grafik auf dieser Seite finden Sie die wichtigsten noch einmal zusammengestellt. Lediglich die 1985er sowie die 1991er Messen waren weniger spektakulär und zeigten in erster Linie bewährte Techniken und Verfahren – wenngleich dies auch auf hohem Niveau. Umgekehrt wurden Innovationen wie die Vertikaldrehmaschine (1992) und die Parallelkinematiken (1994) zunächst auf nationalen Messen und erst im Jahr danach auf einer Emo gezeigt. Bislang waren dies jedoch die einzigen nennenswerten Ausreißer. Im Kern bleibt die Cecimo-Messe Treiber der Fertigungstechnik.
Für 1997 bis 2001 attestieren vor allem wissenschaftliche Beobachter der Emo eine Fortschreibung bewährter Entwicklungslinien. Revolutionäre Neuerungen wie NC-Technik, Highspeed-Cutting oder die Komplettbearbeitung sind mittlerweile Fabrikalltag, und die Branche harrt eines qualitativen Sprungs. Für den Messegänger – und in Konsequenz für den späteren Nutzer der Exponate – ist dies jedoch nicht nachteilig. Im Gegenteil: Er verfügt bei Bedarf über eine immer größere Zahl von Lösungen ohne jede Kinderkrankheit. Techniken wie die Trockenbearbeitung, Lineardirektantriebe, die Integration zuvor unvereinbarer Verfahren wie Drehen und Schleifen, das vertikale Bearbeiten von Wellen oder die Parallelkinematiken sind ausgereift und zu vernünftigen Preisen zu haben.
Im Oktober könnte die Mailänder Emo dort anknüpfen. Dies wäre nur logisch. Andererseits hätten auch die Mechatronisierung der Fertigung oder die Option, bereits bestehende Anlagen und Maschinen zu rekonfigurieren, durchaus das Zeug zum Messemarkstein. Entschieden ist hier noch gar nichts, möglich dagegen alles. Der in die Emo eingebettete öffentliche Kongress „Future Trends of the Machine Tool Industry“ soll dies zeigen. Veranstaltet von Fachleuten aus dem EU-Projekt Mantys – das Kürzel steht für „Thematic Network on Manufacturing Technologies“ –, wird hier der jüngste Stand in Sachen Prozesssicherheit, Fertigungsüberwachung und –steuerung, Präzisions-Engineering und virtueller Teilebearbeitung vorgestellt. Sparpotenzial soll vor allem im Vorfeld der Produktion sowie in der technischen Organisation erschlossen werden. Schließlich sind die physikalischen Grenzwerte beim Spänemachen, Blech- und Rohrbiegen nahezu erreicht. Hersteller wie Anwender dürften sich insofern vermehrt auf die „softe“ Seite der Metallbearbeitung verlegen. Mailand wird’s zeigen.
Bleibt zu fragen, ob eine Weltausstellung wie die 2003er Emo Impulse für die Wirtschaft geben kann. Messemacher reklamieren dies gerne. Sie wissen gleichwohl, dass Investitionen maßgeblich vom Konjunkturzyklus bestimmt sind: Schwächelt die Nachfrage, rüsten die Firmen weniger aus. Umgekehrt ist genau so wahr, dass die Wirtschaft schlecht läuft, wenn die Unternehmen nicht investieren. Welche Seite dieser Waage sich als hier erste rührt, ist weitgehend offen und stimmungsabhängig. Soweit es die Erwartungshaltung der Aussteller und Besucher angeht, könnte eine optimistische Emo also durchaus für Bewegung sorgen. Grundsätzlich geht die Investitionsquote der reifen Industriestaaten jedoch zurück. Das schafft vor allem den Ausrüstern der ersten Betriebe in der Wertschöpfungskette Probleme. So ist die Quote in Deutschland von über 27 % anfangs der Emo-Reihe kontinuierlich gefallen. Beispiele beweisen aber, dass sich auch entwickelte Industriegesellschaften von diesem Trend absetzen können. Die USA etwa hatten ihre Investquote in den boomenden neunziger Jahren von 15,5 auf 20 % erhöht. Inwieweit die EU gleichziehen könnte, ist ungewiss. Wer dennoch eine Prognose wagen will, sollte zunächst das derzeitige Emo-Loch abwarten.
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