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Materialica stellt neue Magnesium-Konzepte vor

Kratzfeste Lacke haften ohne Chromatierung auf Metallen
Materialica stellt neue Magnesium-Konzepte vor

So unterschiedlich die Fachmessen Aluminium 2000 und Materialica 2000 auch sind, sie weisen doch auf denselben Trend hin: Die Industrie muss Gewicht sparen, Leichtmetalle haben Konjunktur. Außerdem gibt es Innovationen aus allen Werkstoffbereichen.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß

Noch nie ist es der Aluminium-Industrie in den letzten 40 Jahren so gut gegangen“, konstatierte Dr. Walter Hueck, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Aluminiumindustrie (GDA), Düsseldorf, auf der Fachmesse Aluminium 2000 in Essen. Spätestens seit der Audi A2 als erstes Großserien-Fahrzeug mit Alu-Karosserie auf dem Markt ist, erfährt die Branche einen Boom. Die Aluminium 2000 spiegelt diese Entwicklung wider. Innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl der Aussteller auf 501 verdoppelt, die Zahl der Fachbesucher auf über 11 000.
Gleichzeitig rückt das noch leichtere Magnesium in den Mittelpunkt des Interesses. Der Automobilbau sucht nach Möglichkeiten, weiter Gewicht einzusparen. Hier hatten die Münchener Werkstoff-Veranstaltungen einiges zu bieten. Magnesium bildete den Schwerpunkt des parallel zur Materialica veranstalteten Wissenschafts-Kongresses „Materials Week“. Von 950 Beiträgen befassten sich 160 mit dem noch wenig erforschten Leichtmetall und wurden von 400 Zuhörern besucht. Zugleich nutzten internationale Magnesium-Anbieter die Messe, um ihr Produkt im europäischen Markt anzubieten. Im Vordergrund stand für sie die Weitergabe von technologischen Informationen über das wiederentdeckte Material an das Fachpublikum.
Damit bestätigten sie den von der Materialica mit Fleiß erworbenen Ruf, Technologien zu vermitteln und Impulse für neue Entwicklungen zu geben. Dr. Lutz Poth, Forschung und Entwicklung im Geschäftsbereich PPC der Degussa Metals Catalysts Cerdec AG (DMC²), erlebte das Messegeschehen in seinem Technologiefeld so: „Wir waren überrascht, in wie vielen Bereichen es Anwendungspotenziale für unsere Lösungen gibt, an die wir nicht gedacht haben.“ DMC² bietet Schmutz abweisende Beschichtungen mit Lotuseffekt an.
Pkw-Tür aus Magnesium ist so Crash-sicher wie aus Stahl
Die von 6900 auf 6000 zurückgegangene Besucherzahl der Materialica schmälert den Erfolg dieses Technologieansatzes nicht. Der Rückgang mag mit dem Jahresrhythmus der Veranstaltung zusammenhängen, den einige Aussteller heftig kritisieren. Die nach München gereisten Fachbesucher sind indes zufrieden. Nach einer Umfrage, die Infratest Burke im Auftrag der Messe München durchführte, bewerteten 99 % die Veranstaltung positiv – dies sind zwei Prozentpunkte mehr als im letzten Jahr.
Zu den Magnesium-Anbietern, die erstmals in München präsent waren, gehört die Timminco Corporation mit Sitz in Kanada und USA. Das mittelständische Unternehmen bezeichnet sich als weltgrößten Hersteller von Magnesium-Knetlegierungen. Es nutzt eigene Erzvorkommen und liefert das Material in Form von fertigen Profilen und Blechen. Mit rund 6000 t/a sind die Produktionsmengen vergleichsweise gering. Doch Dr. Reiner Steins von der Genfer Niederlassung sieht speziell in Europa ein hohes Wachstumspotenzial, etwa im Automobilbau oder bei Sportgeräten. „Schwingende Konstruktionen aus Magnesium können viel leichter sein als aus Aluminium“, betont er. Die gewichtsspezifische Festigkeit übertrifft die von Aluminium. Und das Leichtmetall lasse sich zehnfach schneller zerspanen als Aluminium. „Wir verarbeiten das Leichtmetall schon seit 1934“, sagt er, um auf das Know-how der Nordamerikaner hinzuweisen – auch im Blick auf sicherheitstechnische Fragen.
An zwei Beispielen verdeutlicht Steins das Leichtbaupotenzial von Magnesium: Eine Druckmaschine für Yoghurt-Becher verarbeitet momentan 800 Stück/min. Maßgeblich für die obere Grenze ist die träge Masse eines hochdynamisch bewegten Revolvers mit Becheraufnahme und integriertem Getriebe. Timminco-Ingenieure entwickeln eine extrudierte und spanend nachbearbeitete Magnesium-Ausführung, die durch ihr geringes Gewicht den Durchsatz auf 1200 Becher/min heben soll. Zweites Beispiel: Die Wagon Automotive GmbH, Waldaschaff, hat als Prototypen eine Pkw-Tür aus Magnesium entwickelt. Im Vergleich zu den 18 kg schweren Pkw-Türen heutiger Bauart wiegt sie nur 8,5 kg. In Crash-Tests erweist sie sich den Stahl-Türen als ebenbürtig, wie die Ingenieure in Waldaschaff auf Anfrage erklären.
Ein weiterer Newcomer auf der Materialica ist die „The Japan Steel Works“ (JSW), Ltd. Vom Düsseldorfer Büro hat Deputy General Manager Dr. Hiroyuki Tokushige das Know-how über Magnesium-Thixomolding mitgebracht. In Japan wird diese Technologie beispielsweise für Gehäuse von Videokameras, Laptops und Handys eingesetzt. Die Vorteile demonstriert Tokushige an einem Handy mit Deckel-Scharnier: Magnesium wirkt edler als Kunststoffe, ist steifer und lässt sich bei Bedarf auch zum EMV-Schutz heranziehen. „Wir denken an den Einsatz unserer Technologie im Markt für Mobiltelefone, der in Europa viel stärker wächst als in Japan.“
Neuartige Batterie kann variable Formen annehmen
Die Materialica war nicht allein von Magnesium geprägt. Vielmehr zeichnete sie sich – noch stärker als in den letzten Jahren – durch die Präsenz unterschiedlichster Werkstofftechnologien aus. Die erst drei Wochen alte Marpinger „Nano Tech Coatings“ (NTC) GmbH etwa stellte neuartige Lacke vor, die kratzfest sind und bei Bedarf Schmutz abweisend eingestellt werden können. Sie lassen sich auf Metalloberflächen ohne Chromatierung aufbringen und werden nach dem alkalischen Reinigen in einem einstufigen Prozess eingebrannt. Geschäftsführer Dr. Georg Wagner stützt seine Methode auf zwei eigene Patente: „Bei meinen Produkten bringe ich die Nanotechnologie mit der Lackchemie zusammen.“
Die Ceramtec AG, Plochingen, hat für extrem beanspruchte Lagerpaarungen in Hüftprothesen die Verbundkeramik Biolox Delta entwickelt. Neben ihrer hohen Verschleißfestigkeit (Härte von 2000 HV05) bietet die Keramik eine Bruchzähigkeit und Biegefestigkeit, die beide an Metalle erinnern. Die Werte betragen 6,5 MPa m0,5 und 1200 MPa. Dr. Wolfgang Burger, Leiter Oxidwerkstoffentwicklung, hält das Material für so gut, dass es auch für Anwendungen außerhalb der Medizintechnik interessant werden könnte: „Damit lassen sich auch mal geometrische Zugeständnisse machen, die bei Keramiken sonst nicht erlaubt sind.“
Zwei Wochen nach der Materialica informierte die Verleihung des Chemie-Nobelpreises darüber, dass es elektrisch leitfähige Polymere gibt – sogar schon in praktischen Anwendungen wie Batterien oder Leuchtanzeigen. Nicht weniger spektakulär hört sich die Auswirkung einer Neuentwicklung an, die das Familienunternehmen Platingtech auf der Materialica vorgestellt hat. Der galvanotechnische Betrieb aus Niklasdorf/Österreich hat ein dreidimensionales Endlos-Polymer durch Metallisieren elektrisch leitfähig gemacht. Das dabei entstandene Material dient als Trägersubstanz für neuartige Lithium-Ionenpolymer-Batterien. Diese Batterien enthalten keinerlei Flüssigkeiten. Dank des flexiblen Endlos-Polymers sollen sie sich in der Formgebung frei gestalten lassen. „Die können sie auch anziehen“, erläutert Wolfgang Kollmann, „oder unter den Dachhimmel im Auto laminieren.“ Das 1994 als Kollmann & Kollmann GmbH gegründete Familienunternehmen hat nun große Pläne für die Zukunft. Um das neue Material zu produzieren, wird die Firmenfläche verzehnfacht und die Mitarbeiterzahl auf 20 verdoppelt. Und der Umsatz soll sich in vier Jahren verfünffachen.
Aluminium-Produktion: Industrie baut Recyclingkapazitäten aus
Den Boom der Aluminiumbranche belegen nicht zuletzt die wachsenden Recyclingkapazitäten. Norsk Hydro beispielsweise baut sie massiv aus, wie auf der Aluminium-Fachmesse in Essen zu erfahren war.
Der größte Industriekonzern Norwegens wird im November in Spanien sein zehntes europäisches Umschmelzwerk mit einer Kapazität von 60 000 t/a in Betrieb nehmen. In Rackwitz bei Leipzig verdoppelte der Konzern die Kapazität auf 50 000 t/a, in England kaufte er die Deeside Aluminium Ltd. hinzu und in Henderson, Kentucky soll ebenfalls ein neues Werk entstehen. Laut Arvid Moss, Präsident von Hydro Raufoss Automotive, ist Recycling schon heute ein gutes Geschäft. Der Energiebedarf für Sekundäraluminium ist bis zu 95 % geringer als bei Primärmetall. Die Automobilindustrie und die EU fordern den Ausbau der Kapazitäten. In Deutschland liegt die Recyclingrate im Verkehrssektor nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Aluminiumindustrie (GDA), Düsseldorf, bereits über 90 %.
Hydro zählt mit einem Liefervolumen von 2,1 Mio. t/a zu den führenden Aluminiumproduzenten. Bei Gießereiprodukten versteht sich die zum Konzern gehörende Hydro Aluminium a.s., Oslo, als Weltmarktführer.
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