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Messtechnik mit kurzem Draht zur Biegemaschine

Brems- und Benzinleitungen unter der Lupe
Messtechnik mit kurzem Draht zur Biegemaschine

Bei Daimler-Chrysler in Sindelfingen wurden Rohrleitungen die längste Zeit mit teuren, mechanischen Lehren geprüft. Heute übernimmt eine optische Messmaschine diese Aufgabe. Abweichungen vom Sollwert werden übersichtlich am Bildschirm dargestellt.

Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Böttger uwe.boettger@konradin.de

Brems- und Kraftstoffleitungen für die E- und S-Klasse von Daimler-Chrysler werden in der Rohrleitungsfertigung im schwäbischen Sindelfingen hergestellt. Die aus Aluminium oder Stahl bestehenden Leitungen haben Durchmesser zwischen 4 mm und 15 mm. Die konfektionierten Leitungen werden in Fixmaßen geliefert, zunächst auf einem Bearbeitungsautomaten mit Anschluss-Stücken versehen, gegebenenfalls gestaucht und schließlich auf den Biegemaschinen entsprechend umgeformt. Trotz unterschiedlichster Fabrikate und Baujahre haben die Rohrbiegemaschinen eines gemeinsam: Die Qualitätsprüfung erfolgt auf der Rohrmessmaschine TQ Tube der Trumpf GmbH in Ditzingen.
Etwa 1400 Fahrzeuge werden täglich mit den Brems- und Kraftstoffleitungen aus der Rohrleitungsfertigung versorgt. Dabei gibt es nicht weniger als 400 Modellvarianten. Dass dabei hohe Präzision eine wichtige Rolle spielt, ist selbstverständlich: „Immerhin elf bis zwölf Leitungen pro Fahrzeug werden auf dem Chassis verlegt. Dabei kommt es auf jeden Millimeter an“, umschreibt Siegfried Radegast, technischer Angestellter in der Rohrleitungsfertigung, die Anforderungen.
Die Sindelfinger haben daher ein Verfahren gesucht, mit dem die Qualitätsprüfung schnell und unkompliziert erfolgen konnte. Zudem sollten die dort erfassten Fehler möglichst rasch an den Rohrbiegemaschinen korrigiert werden können.
Früher vertraute man bei der Qualitätskontrolle auf mechanische Lehrensätze, in die das umgeformte Rohr hineingelegt und nach Augenschein geprüft wurde. Doch dieses Prüfverfahren erwies sich mit der Zeit als extrem unflexibel und kostenintensiv, da die Lehren für jeden Leitungstyp angefertigt und schon bei kleinsten Geometrieänderungen entsprechend abgeändert werden mussten. Radegast beziffert die Kosten für eine Lehre auf mehrere tausend Euro. Leicht nachvollziehbar ist auch, dass das Prüfergebnis stark vom Bediener abhängt. Das Verfahren war zu ungenau und zeitaufwendig für eine Abteilung, die mit 60 Mitarbeitern im Dreischichtbetrieb arbeitet und deren Fertigungslose überwiegend just in time in die Montage geliefert werden. In der Fertigungshalle stehen mehr als ein Dutzend Rohrbiegemaschinen, die entsprechend dem jeweiligen Bedarf der Fahrzeugmontage die unterschiedlichsten Biegeprogramme abarbeiten. Nicht nur das Umrüsten der Maschinen muss innerhalb eines schmalen Zeitfensters erfolgen. Auch die Qualitätsprüfung hat reibungslos zu funktionieren, denn aus jeder Teileserie muss eine bestimmte Anzahl von Rohren auf ihre Maßhaltigkeit geprüft und das Ergebnis dokumentiert werden.
Die wachsenden Anforderungen hinsichtlich der Genauigkeit und der ständig zunehmende, zeitliche Druck waren mit der herkömmlichen Technik nicht mehr zu meistern. Die Schwaben suchten nach einer modernen Alternative und fanden sie in der Rohrmessmaschine TQ Tube, die heute die Qualitätsprüfung in der Rohrfertigung von Daimler-Chrysler übernimmt. Was früher mit den mechnischen Lehren nicht möglich war, ist heute Alltag geworden: Aktuelle Änderungen einzelner Rohrabschnitte lassen sich elektronisch erfassen und weiterverarbeiten.
Doch wie funktioniert das optoelektronische Mess-System? Zunächst wird die zu vermessende Leitung in der optischen Messzelle abgelegt. Danach wird mit Hilfe von 16 hochauflösenden CCD-Kameras die Geometrie der Werkstücke ermittelt. Das Messvolumen beträgt etwa 2500 mm x 1000 mm x 500 mm und kann durch Nachsetzen der Leitung entsprechend erweitert werden. Bögen zwischen 5° und 180° lassen sich bei einem maximalen Rohrdurchmesser von 150 mm problemlos erfassen. Selbst Bogen-in-Bogen-Verlaufsformen kann der TQ Tube vermessen. Die Benutzerführung und die Darstellung der Messergebnisse erfolgt über einen Farb-Grafikmonitor unter Windows NT. Die Prüfdaten werden in einer Datenbank abgelegt und auf einem Farbtintenstrahldrucker prozessbegleitend dokumentiert. „Das Mess-System ist vergleichsweise einfach zu bedienen“, versichert Radegast. „Lediglich für die Ausführung von Biegekorrekturen im CNC-Programm beschäftigen wir speziell geschulte Einsteller.“
Sind die Daten erfasst, führt die Software einen Soll-Ist-Vergleich durch. Die Solldaten basieren entweder auf einem zuvor erfassten Musterteil oder auf hinterlegten karthesischen Rohrkoordinaten, die auch direkt von einem CAD-System im VDA-Format übernommen werden können. Die Abweichungen von der Sollgeometrie werden mit Hilfe einer so genannten Manteltoleranzrechnung am Bildschirm farbig dargestellt. Alle Bereich, die innerhalb der Toleranz liegen, sind grün eingefärbt. Andere Farben signalisieren, dass die geprüfte Leitung in diesem Bereich mehr oder weniger von den Solldaten abweicht. Das Farbspektrum ist so aufgebaut, dass der Anwender auf einen Blick das Messergebnis erfassen und beurteilen kann.
Drei Messpunkte sind für die Prüfung entscheidend. Diese sind die Koordinaten vor, in der Mitte und am Ende der Umformung. Bei durchschnittlich 30 Biegungen pro Rohr sind das knapp 100 Werte, die früher von Hand in die Steuerung der Rohrbiegemaschine zuerst eingegeben und dann gegebenenfalls korrigiert werden mussten. Heute sind sowohl die Biegemaschinen als auch das Mess-System über Schnittstellen mit dem Server verbunden. Ergeben sich Korrekturen aus dem gemessenen Rohr, kann das Mess-System diese direkt in das CNC-Programm der Rohrbiegemaschine übermitteln. Eingabefehler sind bei diesem automatisierten Ablauf ausgeschlossen.
Obwohl es sich bei der TQ Tube um eine hochgenaue, optische Messmaschine handelt, ist diese keineswegs so empfindlich, wie man annehmen könnte. Der Anwender braucht für den praktischen Einsatz des Trumpf-Produkts keinen klimatisierten Raum.
Bei Daimler-Chrysler wurde durch die neue Messtechnik nicht nur die Qualitätsprüfung optimiert. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Wurde früher mit einer Vielzahl unterschiedlicher Biegelehren gearbeitet, spart man in der Rohrfertigung von Daimler-Chrysler heute teure Prüfmittel und Umrüstzeiten.
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