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Mit Brief und Siegel einen neuen Markt im Visier

EBM-Werke erfolgreich nach der ISO/TS 16949 zertifiziert
Mit Brief und Siegel einen neuen Markt im Visier

Für den Einstieg ins Automotive-Geschäft ist mehr nötig als das richtige Produkt, wie das Beispiel der EBM-Werke in Mulfingen zeigt. Mit der Zertifizierung nach der neuen Norm TS 16949 haben sie dieser Tage die Eintrittskarte zu dem neuen Markt gelöst. Jetzt können die pfiffigen Ventilatoren mit EC-Antrieb bei den OEM Kunden finden.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Der Unternehmensgründer ist zugleich Verkäufer der Technologie in seiner Firma. Gerhard Sturm gerät etwas ins Schwärmen, wenn er die technischen Lösungen seines Unternehmens präsentiert. „Bis zu 90 Prozent Wirkungsgrad, intelligent und busfähig, ein Drittel weniger Energieverbrauch als die herkömmlichen Wechselstrommotoren und weniger Platzbedarf“, zählt der Geschäftsführende Gesellschafter der EBM-Werke die Vorteile der neuen Ventilatorengeneration auf.
Mit der Technologie der elektronisch kommutierten Gleichstrommotoren, kurz EC-Motoren, möchte der Hersteller von Gebläsen und Ventilatoren einen neuen Kundenkreis erschließen. Sturm hat die großen Pkw-Hersteller im Visier. Seine Nische sieht der Vollblutunternehmer und Techniker überall dort, wo an Stelle der althergebrachten Kollektormotoren intelligente EC-Gleichstrommotoren eingesetzt werden können.
Die Eintrittskarte zu dem neuen Markt hat er für den Firmenstammsitz Mulfingen schon gelöst: das Zertifikat nach ISO/TS 16949:2002. Die Qualitätsmanagement-Norm soll in den kommenden Jahren die nationalen Qualitätsmanagement-Zertifikate der großen Automobilhersteller vereinheitlichen. VDA 6.1 in Deutschland beispielsweise oder QS 9000 in den USA werden dann überflüssig. Das Zertifikat wird ein Muss für alle werden, die Zulieferer der OEM und ihrer großen Komponentenhersteller sein wollen.
„Unsere Tochter Papst aus St. Georgen hat uns mit ihrer Erfahrung sehr dabei geholfen“, berichtet der Firmenchef vom langen Weg zum Zertifikat. Denn der Motorenspezialist Papst, dessen Markenname bei vielen bekannter ist, als der der EBM-Mutter, war bereits nach dem neuen Standard zertifiziert. Papst ist im Automotive-Geschäft schon seit gut zehn Jahren zu Hause. Das Unternehmen produziert beispielsweise Sensorgebläse, die versteckt im Interieur von Luxuskarossen für das richtige Klima sorgen. Außerdem liefern die Schwarzwälder an die großen Hersteller Systeme zur Sitzbelüftung. „Neun miteinander vernetzte Lüfter in einem Sitz, das ist schon eine große technische Herausforderung,“ betont Unternehmenschef Sturm.
Er hat 1963 die EBM-Werke zusammen mit dem Unternehmer Heinz Ziehl gegründet. Das Stammwerk liegt versteckt in einem schmucken Seitenarm des Jagsttales im Nordosten Württembergs. Ein Hidden Champion in jeder Beziehung: Rund 7500 Menschen beschäftigt die Gruppe mittlerweile weltweit, knapp die Hälfte im Ausland, 2000 am Stammsitz.
In der Breite des Produktspektrums bezeichnet sich EBM als weltweit führend. Der kleinste Lüfter misst 25 mm im Durchmesser. Die größten Propeller sind bis zu 1 m groß. Das Unternehmen ist in vielen Branchen zu Hause: von der Ausrüstungsindustrie über die Klima- und Kältetechnik, die Computer- und Telekommunikationsindustrie bis hin zur Reinraumtechnik.
Wenngleich Wechselstrommotoren noch den Löwenanteil des EBM-Geschäfts ausmachen, sieht der Stratege Sturm die Zukunft in der bürstenlosen Technik. Sie findet breite Einsatzfelder in der Telekommunikations- und Computerbranche sowie der Gebäudetechnik. EBM blieb in den vergangenen Jahren von der Krise der Elektronik- und Telekommunikationsbranche nicht verschont, wie Sturm erzählt. Dieser Einbruch sei mit ein Grund gewesen, das Automotive-Geschäft als weiteres Standbein zu entwickeln.
Dazu gehen die Schwaben mit dem TS-Zertifikat kräftig in Vorleistung. Die neue Norm TS 16949 basiert auf der bekannten ISO 9001:2000. Aber: „Sie geht viel, viel tiefer, der Aufwand ist etwa fünfmal so groß“, erklärt Wolfgang Grigo. Er ist der Leiter des Qualitäts- und Umweltmanagements bei EBM, außerdem ist der Qualitätsexperte externer Auditor beim Zertifizierungsanbieter DQS.
Fünfmal so viele Audit-Tage wie beim Zertifikat nach ISO 9001 sind laut Grigo für das neue Papier nötig. Vier Prüfer waren eine Woche lang im Haus, um bei den EBM-Werken das Prüfsiegel für das Qualitätsmanagement zu erteilen. Eineinhalb Jahre habe die Vorbereitungszeit gedauert. Arbeitsgruppen in allen Fachabteilungen sammelten an die 3000 Mannstunden an, wie der Qualitätsmanager schätzt.
Die drei wesentlichen Elemente der ISO 9001 finden sich in der TS 16949 wieder: die Prozessorientierung, die Kundenorientierung und der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP). Flink kritzelt Grigo das Bild einer Gauß’schen Normalverteilung aufs Papier, wenn er von seiner Welt der Fehlerwahrscheinlichkeiten und der Statistik erzählt. „Die Prozessorientierung des Systems ist ein Knackpunkt“, betont der Qualitätsmanager. Für die Qualitätsplanung und -lenkung gilt es, den Gesamtprozess in Einzelprozesse zu zerlegen, die dann auf den Prüfstand kommen. „Und das bei 8500 lebenden Produkten und 600 gleichzeitig laufenden Projekten“, verdeutlicht der Qualitätsmanager die Komplexität der Aufgabe.
So folgt jeder Schritt auf dem Weg zum fertigen Produkt einem konsequent detaillierten Fahrplan. Ganz am Anfang stehen die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalysen, kurz FMEA, für Konstruktion und Prozesse. Sie prüfen jedes Bauteil und jeden Vorgang dahingehend, was alles schief gehen könnte. Dann folgen Bemusterung und aufwendige Freigabeverfahren bis zur Serienproduktion. Der rote Faden ist dabei der Produktionslenkungsplan. Dieser endet mit einem Reaktionsplan, der dem Mitarbeiter aufzeigt, was zu tun ist, wenn ein Fehler auftaucht und wer zu informieren ist.
Firmenchef Sturm ist sicher, dass sich dieser Aufwand auszahlen wird. Er geht mit schnellen Schritten durch die Fertigungshalle, stoppt kurz und nimmt einen Ventilator mit kompaktem Gehäuse in die Hand. Das Gerät ist für die Klimaanlage eines Reisebusses bestimmt. „Die Ansprüche der Menschen an Komfort werden immer größer“, erläutert Stratege Sturm und klopft auf das schwarze Gehäuse des Ventilators. „Genau darin liegt unsere Chance in der Automotive-Branche. Dort gibt es noch viele Aufgaben, die nach intelligenten Lösungen verlangen.“
Beim neuen Zertifikat fünf mal mehr Audit-Tage als bei der alten Norm

ISO/TS 16949:2002
Seit April 2002 gibt es die neue ISO / TS 16949, die alle, bisher weltweit existierenden und veröffentlichten, Qualitätsnormen und Forderungen der Automobilindustrie an ein Qualitätsmanagementsystem in sich vereinigt.
Sie basiert auf der ISO 9001:2000, enthält aber Zusatzforderungen für die Automobilindustrie, die in das Führungs- und Organisationssystem integriert werden sollen. Die Norm wird von allen Automobilherstellern weltweit anerkannt und soll einen Weg aus dem Zertifizierungslabyrinth der Automobilindustrie schaffen. Früher gab es häufig Mehrfachzertifizierungen, da es in den verschiedenen europäischen Ländern und Amerika unterschiedliche Normen gab (QS 9000 in den USA, VDA 6.1 in Deutschland, EAQF in Frankreich und AVSQ in Italien). Das soll jetzt durch die Schaffung dieser einheitlichen Grundlage für Zertifizierungen verhindert werden.

Portrait
Firma: ebm-Werke GmbH & Co. KG, gegründet 1962 von Gerhard Sturm und Heinz Ziehl
Stammsitz: Mulfingen
Tochterfirmen: Papst-Motoren
GmbH & Co. KG, St. Georgen,
(seit 1992)
MVL GmbH, Landshut,
(seit 1997, früher SEL Alcatel)
Mitarbeiter: 7500 weltweit, 2000 am Stammsitz, 3200 im Ausland
Produktspektrum: Motoren und Ventilatoren auf dem Prinzip des EBM-Außenläufermotors, AC/DC/EC,
8500 Motoren- und Ventilatorentypen
Umsatz: rund 800 Mio. Euro/Jahr konsolidiert, (12,9 Mio. Ventilatoren und Motoren/Jahr nur EBM Mulfingen)
 
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