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Mit dem großen Bruder am gleichen Ziel arbeiten

Beutler Nova: Probleme nach der Übernahme bewältigt
Mit dem großen Bruder am gleichen Ziel arbeiten

Viele Fusionen oder Übernahmen scheitern. Damit aus der Akquisition ein Erfolg wird, ist von allen Beteiligten mehr als Engagement gefragt. Eine klare Aufgabenteilung zwischen der neuen Tochterfirma und dem Mutterkonzern ist entscheidend dafür, dass alle an einem Strang ziehen, wie das Beispiel des Pressenherstellers Beutler Nova zeigt.

Ulrich W. Schamari ist Fachjournalist in Frankfurt/M.

Die Bemühungen tragen Früchte, in diesem Punkt sind sich alle Verantwortlichen einig. Die Beutler Nova AG aus dem schweizerischen Gettnau war noch bis vor kurzem ein Unternehmen mit veralteter Produktpalette. Doch auf der Euroblech 2000 in Hannover stellten die Schweizer zwei vielbeachtete Neuentwicklungen vor: eine C-Presse und einen Stanzautomaten.
Auch das Zahlenwerk stimmt wieder. Im Geschäftsjahr 2000 verdoppelte sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. Die Kennziffern in der Fertigung haben sich ebenfalls verbessert. Seit Beginn der Restrukturierung hat sich die Produktivität auf das Niveau von 200 % gesteigert, während sich die Durchlaufzeiten und die Lagerbestände halbieren.
Im Sommer 1999 war Beutler Nova von dem Pressenkonzern Müller-Weingarten übernommen worden. Während andernorts Übernahmen oft nicht die Erwartungen erfüllen, gibt es bei den Schweizer Spezialisten konkrete Erfolge vorzuweisen, wie Geschäftsführer Hans Schärli betont. Die eidgenössische Firma hat in der schwäbischen Maschinenbaugruppe eine feste Position, in der sie sich weiter entwickeln kann. Im Zuge der konzerninternen Arbeitsteilung hat das Management eine klar umrissene Aufgabe und soll selbstständig Beiträge zum Gesamtergebnis des Konzerns in Weingarten beisteuern.
Die Eingliederung in den Konzern des neuen Eigentümers war ein Kraftakt für alle. Die Integration und Neuausrichtung ging nicht ohne Opfer und aktive Beteiligung der über 50 Mitarbeiter von Beutler Nova. „Ich habe großen Respekt vor der Belegschaft“, sagt deshalb Heinz Schüpbach, heute Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Freiburg. Er war ehemals Projektleiter bei der Reorganisation des Gettnauer Maschinenbauunternehmens.
Ein typisches Problem, das bei Übernahmen immer wieder auftaucht, ist, dass sich Zuständigkeiten überschneiden. Diesen Punkt haben die Pressenexperten durch die klare Arbeitsteilung gelöst. Der Kern der Strategie: Beutler Nova erhielt an seinem Standort Gettnau die komplette Verantwortung mit Produktion und Vertrieb für mechanische Pressen bis 2500 kN. Die Mutter Müller-Weingarten engagiert sich in diesem Marktsegment nicht mehr unter eigenem Namen. Sie hat den kompletten Bereich, der im eigenen Haus vorhanden war, an den kleineren, neuen Partner abgetreten.
Der Anpassung der beiden Unternehmenskulturen steht so nichts mehr im Wege. Die Belegschaft kann die gemeinsamen Ziele des Firmenverbundes erkennen und bei der täglichen Arbeit in den Vordergrund stellen. Die neuen Maschinenkonzepte wurden von beiden Entwicklungsabteilungen gemeinsam in kurzer Zeit erstellt und auf den Markt gebracht. Ergebnis der Zusammenarbeit: Beutler Nova kann nun eine durchgängige Produktpalette bis zu 2500 kN anbieten.
Mit den neuen Produkten kamen die Synergie-Effekte
Das Management der Schweizer hatte schon vor der Übernahme versucht, Marktzugang und -präsenz zu verbessern. Bereits Mitte der 90er Jahre startete das Unternehmen ein Reorganisationsprogramm. Geschäftsführer Schärli erinnert sich noch gut an die Probleme in der Zeitspanne vom Beginn der Umstellung bis zum Zusammenschluss mit Müller Weingarten: „Wir haben ein relativ starkes Wachstum gehabt, mussten aber eine neue Produktreihe entwickeln und einen internationalen Markt aufbauen, und die beiden Dinge zusammen haben sehr große finanzielle Mittel gebunden.“
Das Unternehmen war 1992 – ein Jahr vor den ersten Reorganisations-Maßnahmen – aus einem Industriebetrieb hervorgegangen, der nach veralteten Prinzipien geführt wurde und keine konkurrenzfähigen Produkte mehr hatte. Bis zum Eintritt in die Müller-Weingarten-Gruppe haben die Schweizer sich auf Pressen bis 1000 kN konzentriert, die überwiegend in der Schweiz und in Österreich vertrieben wurden. Einen Hauptgrund dafür, dass die Selbstständigkeit schließlich aufgegeben wurde, erklärt Firmenchef Schärli lapidar mit der Finanzknappheit: „Wenn eine Maschinenfabrik wachsen will und Mittel von einer Bank braucht, dann glaubt die gar nicht, dass noch jemand Maschinen bauen will.“
Das Management stand in der schwierigen Zeit immer zu der Vision, dass der für die Region wichtige Betrieb nicht untergehen dürfe. Die Macher wollten mit der kleinen, innovativen und engagierten Belegschaft einen Neubeginn wagen. Mit dieser Einstellung wurde Beutler Nova schließlich als Akquisitionsobjekt für die Müller-Weingarten-Gruppe attraktiv. Die Übernahme erschien vorteilhaft, da sich der Konzern in einem speziellen Segment des Pressengeschäfts neu positionieren konnte, indem er die Aktivitäten in diesem Premiummarkt auf den kleineren Partner übertrug.
Wie zufrieden in dieser Verbindung auf der anderen Seite der David mit dem Goliath ist, formuliert Hans Schärli so: „Bei Müller-Weingarten hatten wir festgestellt, dass man offen war für eine Partnerschaft mit einem Unternehmen, das künftig für den Konzern das Kleinpressen-Geschäft betreibt.“ Mit diesem Rückhalt konnte sich Beutler Nova der überlebenswichtigen Aufgabe widmen, ein neues, flexibles und wirtschaftlich erfolgreiches Produktionskonzept zu entwickeln. Große Hilfe leistete dabei laut Schärli der Experte Erich Harsch, eine der führenden europäischen Persönlichkeiten im Pressenbau. Er war bis April 1999 Technischer Direktor sowie Mitglied der Unternehmensleitung bei Müller-Weingarten und begleitete anschließend bei Beutler Nova die technologische Entwicklung der Pressen bis 2500 kN weiterhin als Berater.
Anfangs musste sich das kleinere Unternehmen zunächst sowohl mental als auch organisatorisch auf den neuen Partner einstellen. Schärli zufolge lag dann das Schwergewicht auf den sachlichen Veränderungen: „Höchste Priorität hatte die Integration der neuen Produktserie in unser Produktionsprogramm.“ Es ging darum, wieder international wettbewerbsfähig zu werden.
Nun gilt es, die Tradition von Müller-Weingarten im Sektor der Kleinpressen fortzusetzen. Zwar wurde aus der Erbmasse der zuvor unabhängigen Gesellschaft einiges an Produkten übernommen, aber erst das im Konzernverbund entwickelte Programm führte in Produktion, Vertrieb und Service zu den gewünschten Synergie-Effekten. „Wir haben unsere Erfahrungen in erster Linie im Steuerungsbereich eingebracht, und von Müller-Weingarten haben wir durch deren Erkenntnisse im Großpressen-Bereich und im mechanischen Bereich profitieren können“, berichtet Geschäftsführer Hans Schärli.
Mit entscheidend dafür, dass die Neuausrichtung von Beutler Nova unter einem Konzerndach gelungen ist, war laut Schärli ein weiterer Grund: Auf der Ebene des Top-Managements seien sich von Anfang an alle Beteiligten über die Zusammenarbeit und die notwendigen Maßnahmen einig gewesen. „Wir haben die Synergien sofort gesehen, und da sind wir sehr offen aufeinander zugegangen.“
Beispiel Beutler Nova: Die Erfolgskriterien nach der Übernahme
– Das Unternehmen muss sich durch Reorganisation für die Übernahme fit machen.
– Es braucht klar definierte Unternehmensziele, die mit der Einbindung in einen Konzern erreicht werden sollen.
– Die Position im Konzern hat so stark zu sein, dass dem Unternehmen im Rahmen der Arbeitsteilung eine eigenständige Rolle zufällt.
– Der Zusammenschluss darf nicht zu konzerninternen Rivalitäten um Marktanteile führen.
– Die Dynamik des Unternehmens ist durch konzerninterne Kooperationen zu steigern.
– Es darf vom Konzern nicht nur nehmen, sondern muss auch etwas geben können – Produkte, Know-how, Marktsegmente.
– Das Unternehmen sollte sich harmonisch in das Konzerngefüge eingliedern – sowohl mental als auch fachlich.
– Die Partnerschaft muss für beide Seiten ein profitables Geschäft sein.
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