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Mit dem Handy die Prozesse steuern

Bedienkonzepte: Maschinen ohne Bedienfeld bauen
Mit dem Handy die Prozesse steuern

Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine hat sich nur langsam verändert. Jetzt kommt Bewegung in das Segment. Neueste Entwicklungen weisen darauf hin, dass sogar Handys zur Maschinenbedienung taugen.

Nach wie vor kommuniziert eine NC- oder SPS-Steuerung mit Bedienfeldern, die je nach Aufgabengebiet mehr oder weniger aufwändig sind. Für einfache Aufgaben im SPS-Bereich dominieren nach wie vor monochrome Zeilendisplays mit Funktionstasten. Im „High-End Segment“ der Anforderungen, wie wir es etwa im NC-Steuerungsbereich antreffen, sind hingegen PC-basierte Bedienfelder mit XGA-Farbgrafik-Bildschirmen, alphanumerischen Tastaturen sowie Navigationsgeräten wie Touchpads mittlerweile zum Standard geworden. Und mit den PC-basierten Systemen hielt verständlicherweise auch Windows-Betriebssysteme Einzug in die Werkhalle. Doch haben sich die Entwickler in den seltensten Fällen Gedanken über eine Bedienung gemacht, die sich an den Anforderungen der Maschinenbediener orientiert. Windows ist nun mal für Büroaufgaben konzipiert worden und somit nicht ohne weiteres in einem von Realtime-Anforderungen und völlig anderen Umgebungsbedingungen geprägten Fabrikumfeld einsetzbar.

Waren erste Lösungen noch rein tastaturbasiert, so lernte der Anwender schnell, dass ein Windows sinnvollerweise eine Maus oder ein anderes Interaktionselement benötigt. Solche Geräte werden seit einiger Zeit in allen möglichen Ausführungsformen eingebaut. Doch so schön ein Touchpad beispielsweise im Notebook funktioniert, so problematisch lässt es sich bei senkrechtem Einbau in ein Maschinenbedienfeld in Augenhöhe nutzen. Hier wird ein Bediener schon nach wenigen Minuten feststellen, dass sein Körper eine solch unergonomische Anordnung mit Schmerzen in Hand und Arm quittiert. Und auch eine Anordnung in einem geneigten Pult bei stehender Bedienung ist ergonomischer Unsinn. Mittlerweile ist ein starker Trend in Richtung Touchscreen festzustellen. Das macht oberflächlich Sinn, denn die Qualität und Kosten sind mittlerweile akzeptabel und die Nutzung erscheint intuitiv. Doch auch hier müssen die industriellen Randbedingungen beachtet werden. So müssen alle Interaktionselemente auf dem Bildschirm so groß gestaltet werden, dass sie auch von einem öligen Werkerfinger auch mit Handschuh noch sicher getroffen werden. Damit scheidet das direkte Nutzen der Windows-Oberfläche mit ihren auf Mausbedienung optimierten Slidern oder Buttons in der Regel aus und eine angepasste Eigenentwicklung der Bedienoberfläche wird notwendig. Seit mehreren Jahren gibt die VDI-Richtlinie 3850 „Nutzergerechte Gestaltung von Bediensystemen“ den Entwicklern praxisnahe Gestaltungsregeln hierfür an die Hand.
Doch die technische Entwicklung schreitet unaufhaltsam voran. Kleine mobile Computer bieten eine hohe Leistungsfähigkeit und sind über die mittlerweile etablierten Funktechnologien wie Bluetooth oder WLAN kommunikationstauglich. Gerade die Funkkommunikation bietet neue Anwendungen auch im industriellen Bereich. Sogar die Spracheingabe wird mittlerweile akzeptiert, ist sie beispielsweise in Oberklassefahrzeugen mittlerweile Standard. Getrieben wird die Entwicklung vom Konsumbereich, in dem die Menschen sich daran gewöhnt haben, mit ihrem Handy nicht nur telefonieren, sondern es auch für viele andere Aufgaben nutzen zu können. Doch für eine industrielle Nutzung ist Vorsicht geboten. Zu unterschiedlich sind viele Anforderungen und Einsatzrandbedingungen, als dass man Lösungen aus dem Konsumbereich einfach übertragen könnte.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein großer Hersteller prozesstechnischer Komponenten war von der Idee überzeugt, das kleine aber kostenmäßig vergleichsweise teure Bedienfeld in seinen Geräten durch ein Bedienen via Bluetooth Handy zu ergänzen oder bei Akzeptanz sogar zu ersetzen. In dem Projekt lief zunächst alles nach Plan, in wenigen Wochen war eine stabile Kommunikation zwischen dem verwendeten Mobiltelefon und dem Gerät aufgebaut und eine spezielle Bedienoberfläche für das Handy entwickelt. Damit war der Bedienfeldersatz zwar technisch realisiert, doch viele neue Fragen kamen auf. Da Handys sehr kurzlebige Verbrauchsgüter sind, muss eine langlebige industrielle Lösung sich von einem speziellen Handytyp lösen. Doch hier fangen die Probleme an. Mehrere getestete Handys diverser Fabrikate zeigten trotz gleicher Spezifikation ein jeweils anderes Verhalten. Die hierzu notwendigen Standards der Funkübertragung sowie der Firmware haben offenbar noch nicht den Reifegrad erreicht, den industrielle Anwendungen erwarten. Und wie man die Berechtigungsfrage des Nutzers klärt oder den eindeutigen Verbindungsaufbau bei mehreren Handys und Prozessgeräten gestaltet, muss ebenfalls noch beantwortet werden. Schließlich kann man auch nicht für jedes Interaktionsgerät eine eigene Bediensoftware entwickeln, sondern muss die Bedienung zukünftig geräteunabhängig abstrakt beschreiben.
Doch die Möglichkeiten sind jedenfalls verlockend. Handys sind hochleistungsfähige und preisgünstige Interaktionsgeräte und industriell taugliche Funkkommunikationssysteme werden derzeit markttauglich. Damit lassen sich erhebliche Vorteile in der Anlagenplanung, im Betrieb und in der Instandhaltung realisieren. Doch wird hier noch viel Arbeit im Bereich des Systems Engineering zu leisten sein. Genau dieses hat sich die Technologieinitiative SmartFactory-KL vorgenommen (www.smartfactory.de). Viele Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus haben sich hier zusammen geschlossen und bauen derzeit unter Leitung des ZMMI in Kaiserslautern eine Demonstrations- und Forschungsfabrik auf, in der solche Zukunftstechnologien erprobt werden sollen.
Prof. Dr. Detlef Zühlke Zentrum für Mensch-Maschine- Interaktion ZMMI, Kaiserslautern
Bediensysteme werden immer leistungsfähiger
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