Startseite » Allgemein »

Mit fremdem Geld in die große weite Welt

Internationale Investoren finanzieren Mittelständler
Mit fremdem Geld in die große weite Welt

Deutsche Firmenchefs geben langsam aber sicher ihre Zurückhaltung gegenüber dem Thema Beteiligungskapital auf. Das Geld aus den Schatullen außenstehender Venture-Kapitalisten erleichtert Mittelständlern Nachfolgeregelung und weltweite Expansion.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering

Ohne Kapital kein Wachstum: Bis vor nicht allzu langer Zeit war dieses Dilemma in Deutschland eine der größten Expansionsbremsen. Wenn ein Mittelständler den Schritt ins Ausland wagen wollte oder sich ein Übernahmekandidat anbot, war die Eigenkapitaldecke oft zu dünn. Seit wenigen Jahren allerdings boomen hier zu Lande sowohl Nachfrage als auch Angebot in Sachen Beteiligungskapital. Es gibt zweifellos mehr Kapital-Angebote als früher“, bestätigt Andreas Kochhäuser, Mitglied der Geschäftsleitung in der deutschen Niederlassung der Kapitalbeteiligungsgesellschaft 3i Group plc, London. „Neu ist vor allem, dass VC-Gesellschaften englischen oder US-amerikanischen Ursprungs die deutschen Unternehmen für sich entdeckt haben“, so seine Beobachtung.
Die 3i Group ist bereits seit 1987 in Deutschland. Sie ist ein internationaler Anbieter von Venture Capital (VC) – oder Beteiligungskapital, wie mancher deutsche Mittelständler gerne sagt, wenn ihm die Übersetzung „Risikokapital“ oder „Wagniskapital“ zu sehr nach Glücksspiel klingt. Die Vorteile dieser Finanzierungsform liegen auf der Hand: Wagniskapital ist Geld, das der Investor einem Unternehmen als Eigenkapital zur Verfügung stellt. Es ist kein Kredit, der Zinsen kostet und die Eigenkapital-Quote senkt. Wer nur an Internet-Start-ups denkt, wenn es um Risikokapital geht, liegt falsch. Gerade typische Mittelständler leiden bekanntermaßen unter chronischem Eigenkapitalmangel.
Eine große Gesellschaft wie 3i kann sich in ganz Europa die interessanten Betriebe aussuchen. Jüngster Coup der britischen Financiers: 3i hat Mitte Mai gemeinsam mit der Management-Holding 4g Ltd. die Münchener Knürr AG übernommen. Die Übernahme soll die Nachfolge bei dem Hersteller von Gehäusen für elektronische Bauteile regeln. Der 1100-Mitarbei- ter-Betrieb wird
zukünftig von einem externen Management-Team geführt. Und Hans Knürr, der bisherige Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzende des Familienunternehmens, zieht sich in den Ruhestand zurück. Den freien Aktionären hat 3i ein Kaufangebot für die restlichen Anteile unterbreitet.
Häufigster Grund für eine Beteiligungsfinanzierung ist jedoch die Expansion. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Emag Maschinenfabrik in Salach. 3i ist seit zwei Jahren mit Co-Investoren an dem Werkzeugmaschinenbauer beteiligt. Zusammen halten die Financiers 47,5 % der Anteile des Unternehmens. Die Anteilsmehrheit liegt beim Emag-Management. Nach der Finanzspritze, um die Kapitalbasis zu erweitern, stand der Expansion nichts mehr im Weg: Vergangenes Jahr übernahmen die Salacher im Frühjahr den Schleifmaschinenhersteller Reinecker in Ulm-Einsingen, im Herbst Pittler-Tornos in Leipzig. Vor kurzem gab Emag darüber hinaus bekannt, mit der US-amerikanischen Hardinge Inc., Elmira/New York, in Leipzig ein Joint Venture zum Bau und weltweiten Vertrieb einer neuen Baureihe von Vertikal-Drehmaschinen gründen zu wollen. Das Unternehmen hat seit 1993 ein gewaltiges Wachstumstempo hingelegt: 1993 lag der Umsatz noch bei 90 Mio. DM, dieses Jahr heißt das Ziel 380 Mio. DM.
War der Beteiligungsmarkt in der Bundesrepublik früher wenig interessant, verzeichnet die Branche derzeit Rekordzuwächse. Der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e. V., Berlin, meldet für 1999 unter seinen Mitgliedsfirmen ein Neugeschäft von 5,2 Mrd. DM. Damit stieg das Beteiligungsvolumen in Deutschland auf insgesamt 13 Mrd. DM an. In den USA, wo der VC-Markt bereits seit den 80er Jahren boomt, ist ebenfalls kein Ende des Kapitalhungers der Betriebe in Sicht. Im ersten Quartal dieses Jahres stiegen die VC-Investitionen nach Zahlen von Branchenverbänden um sage und schreibe 266 % auf 22,73 Mrd. US-$.
Trotz des Booms verzeichnet 3i-Experte Kochhäuser in Deutschland immer noch einen Mentalitätsunterschied im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern. Viele deutsche Unternehmer stünden einer fremden Kapitalbeteiligung kritisch gegenüber. Denn eine Beteiligungsfinanzierung hat nicht nur Vorteile. „Der Inhaber muss Anteile seiner Firma abgeben. Außerdem sitzt ein Teilhaber mit am Tisch, und das ist der klassische Unternehmer natürlich nicht gewohnt“, erklärt der 3i-Manager weiter. Bei den Jungunternehmern hat er aber bereits einen Wandel festgestellt: „Die gehen ganz anders an solche Dinge heran.“
Diese Einschätzung teilt auch der Verband BVK. In Deutschland hat sich nach dem Urteil des BVK-Geschäftsführers Dr. Holger Frommann mittlerweile eine eigene Gründerszene entwickelt. Sie sei nicht zuletzt durch so genannte weiche Faktoren wie regionale Wettbewerbe und öffentlich gestützte Gründer-initiativen gefördert worden. Aber auch bei Unternehmern alten Schlages setze langsam aber sicher ein Sinneswandel ein. Ein Indiz: Während in der Bestandsstatistik das Motiv Expansion immer noch der Hauptgrund für eine Beteiligung ist, werden im Zahlenwerk über das VC-Neugeschäft die Anlässe Ma-nagement-Buy-out oder Spin-off, also Alternativen für reifere Betriebe, immer häufiger mit VC finanziert.
NACHGEFRAGT
? Herr Kochhäuser, welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen mitbringen, um für einen Investor wie die 3i Group interessant zu werden?
!Voraussetzung ist, dass das Unternehmen das Potenzial hat, seinen Wert in den nächsten Jahren substanziell zu erhöhen. Sei es durch Marktstellung, Wettbewerbspositionierung oder technische Innovationen. Außerdem muss der Unternehmer über die Fähigkeit verfügen, die Chancen, die sich seinem Unternehmen bieten, auch mit hoher Wahrscheinlichkeit umzusetzen.
?Wie ist das übliche Vorgehen, wenn eine Finanzierungsgesellschaft Interesse an einem Unternehmen hat?
!Nach einem ersten Kontakt wird in der Regel eine Vor- oder Plausibilitätsprüfung vorgenommen. Ist diese positiv, sind im Rahmen eines Letters of Intent das weitere Vorgehen und die Konditionen festzulegen. Danach folgt eine Detailprüfung, der bei Erfolg ein Abschluss folgt.
?Wann steigt 3i mit einer Beteiligung ein, wann wieder aus?
!3i finanziert alle Phasen, von Start-up über Bridge Finance bis hin zu Management-Buy-outs und Management-Buy-ins, sofern das Unternehmen nicht börsennotiert ist. Ein Public-to-Private, also der Rückzug von der Börse, ist ebenfalls möglich. Aus unserer Sicht ist nicht das Entwicklungsstadium der Firma wichtig, sondern das Potenzial, sich weiter zu entwickeln. Die Dauer des Engagements ist nicht generell festgelegt.
? Welche Hindernisse können bei so einem Vorhaben auftreten?
!Hindernisse gibt es viele. Letztendlich gibt es zwei Bedingungen, die grundsätzlich erfüllt sein müssen. Erstens: Ist der jetzige Unternehmer willens und flexibel genug, eine Beteiligungsgesellschaft in den Gesellschafterkreis aufzunehmen? Zweitens: Das Unternehmen muss für die Beteiligungsgesellschaft interessant sein. Dann wird man sich einigen können.
? Inwieweit greift 3i ins Tagesgeschäft ein?
! Ins operative Geschäft mischt sich 3i grundsätzlich nicht ein. Wir lassen uns natürlich die klassischen Minderheitsrechte bei strategischen Entscheidungen zusichern. Wenn sich das Unternehmen in einer kritischen Phase befindet, schauen wir, wie wir helfen können. Das geht beispielsweise über Aufsichtsräte mit relevanten Erfahrungen oder Unternehmensberater. Wir sprechen auch mit den Banken, falls es dort Probleme gibt.
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 7
Ausgabe
7.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de