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Mit gemeinsamen Projekten Kosten senken

Kooperationen: Mittelständler in Südwestsachsen bündeln Kräfte
Mit gemeinsamen Projekten Kosten senken

Der Mittelstand muss kooperieren, um zu überleben, sagen die Experten. Ein Beispiel: 64 Maschinenbauer in Südwestsachsen bündeln schon seit Jahren erfolgreich ihre Kräfte im Interessenverband Chemnitzer Maschinenbau (ICM). Gemeinsam erschließen sie Förderprogramme, bilden Einkaufskooperationen und Zuliefernetzwerke.

Stefan Schroeter ist Journalist in Leipzig

Mit ihren Montage- und Laseranlagen ist die Sitec Industrietechnologie GmbH, Chemnitz, seit Jahren auf dem einheimischen Markt erfolgreich. Automobil-Konzerne wie Volkswagen und Opel sowie deren Zulieferer wie Siemens Automotive und Takata gehören zu den Sitec-Kunden. Seit drei Jahren nun rücken die internationalen Märkte stärker in den Blickpunkt. „Der nationale Markt wird Grenzen haben“, weiß Jörg Lässig, Leiter der Planungs- und Entwicklungsabteilung. „Wir wollten auch Absatzmöglichkeiten im Ausland erschließen.“ Die ersten Versuche, Beziehungen nach Asien und Italien aufzubauen, waren allerdings noch nicht von Erfolg gekrönt.
Das Bundes-Förderprogramm Ergo (Erhöhung der Globalisierungsfähigkeit von Fachkräften in kleineren und mittleren Unternehmen) kam Sitec in dieser Situation gerade recht. In Workshops konnten die Sitec-Leute ihre Projekte den Ergo-Beratern vorstellen und mit anderen Teilnehmern diskutieren. „Wenn man so ein beratendes Umfeld hat, bewegt man sich zielgerichteter“, findet Lässig. „Und man hat die Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand zu blicken.“
So beispielsweise auf die italienischen Geschäfts-Gepflogenheiten, die sich von den deutschen deutlich unterscheiden: Der Sitec-Manager weiß inzwischen, warum ein mittelständisches deutsches Unternehmen nicht den direkten Kontakt mit einem italienischen Kunden suchen sollte: „Ein Italiener kauft eine Maschine nur von einem guten Freund, nicht von einem Fremden. Der Markt lebt extrem von persönlichen Kontakten.“ Die Konsequenz dieser Erkenntnis war, dass Sitec sich in Italien Partner-Firmen suchte, die ihre Lasermaschinen vertreiben sollten. Inzwischen sind die ersten Maschinen nach Italien verkauft. Noch besser läuft der Export nach Irland. Auch in Tschechien, Belgien und Saudi-Arabien haben die Chemnitzer bereits Fuß gefasst.
Das Förder-Programm kam auch der Hörmann Industrietechnik GmbH gut zupass, die in dieser Zeit eine Niederlassung im polnischen Polkovice aufbaute. Entwicklungsleiter Dr. Bernd Weber sieht den Nutzen des Projekts vor allem darin, dass die Hörmann-Leute mit fachkundiger Unterstützung ihre Erfahrungen in einem Handbuch festhalten konnten, das beim Aufbau weiterer Tochtergesellschaften in Tschechien, Portugal und China genutzt werden kann. „Wir haben jetzt eine Methodik und einen Erfahrungsbericht, die wir wieder verwenden können“, so Weber. Einen speziellen Platz im Handbuch nehmen Stolpersteine ein – dazu zählt Weber die Entsendung des eigenen Personals und die Beachtung sozialer Standards vor Ort: „Uns waren die Arbeitszeit-Regelungen zunächst nicht genau bekannt. Als wir Sonntags-Arbeit einplanten, gab es durch die religiöse Bindung der Leute Schwierigkeiten. Solche Dinge muss man akzeptieren.“
In das Ergo-Programm sind Sitec und Hörmann über den Interessenverband Chemnitzer Maschinenbau e.V. (ICM) gekommen. In dem Verband haben mittlerweile 64 Maschinenbau-Unternehmen in Südwestsachsen ihre Kräfte gebündelt, um gemeinsame Projekte voran zu bringen, wozu auch Förderprogramme der Europäischen Union, des Bundes und des Landes erschlossen werden. Ursprünglich wurde der ICM 1992 von zehn Treuhand-Unternehmen gegründet, um sich im Privatisierungsprozess gegenseitig unterstützen zu können. Mittlerweile sind daraus 64 Mitglieds-Unternehmen mit 4500 Mitarbeitern geworden.
„Der Schwerpunkt unserer Mitglieder liegt auf dem Gebiet des Sondermaschinenbaus und der Automatisierungstechnik“, erklärt ICM-Geschäftsführerin Dr. Heidrun Steinbach. „Bei uns sind Finalisten, Zulieferer und Dienstleister vertreten, aber auch Universitäten und Forschungseinrichtungen.“
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Einkaufspool
Zu den gemeinsamen Projekten gehört ein Einkaufspool, in dem derzeit 24 Unternehmen zwischen 20 und 300 Beschäftigten ihre Nachfragekraft gebündelt haben. 1992 als Arbeitsgemeinschaft gegründet, gibt es inzwischen verbindliche Kooperations-Vereinbarungen und Rahmenverträge. Davon profitieren vor allem die kleineren Unternehmen, die in einigen Positionen bis zu 40 % der Materialkosten sparen können. Bei größeren Unternehmen sind die Einsparungen geringer, da sie für ihre eigenen Bestellmengen ohnehin gute Rabatte bekommen. „Für sie lohnt es sich aber trotzdem. Und wir brauchen sie natürlich, um große Mengen zu erreichen“, erzählt ICM-Projektleiter Dr. Ulrich Bobe. „Unser Ziel ist, im nächsten Jahr eine eigenständige Einkaufs-Dienstleistungsgesellschaft zu gründen.“
Derzeit werden die Rahmenverträge noch von so genannten Lead Buyers ausgehandelt: Unternehmen, die auf dem jeweiligen Gebiet die größte Kompetenz und das größte Einkaufsvolumen einbringen. Neben dem Einkauf von Katalogteilen und Standard-Dienstleistungen sollen künftig auch Zeichnungsteile einbezogen werden. „Da erwarten wir noch einmal einen Schub von interessierten Unternehmen“, so ICM-Mann Bobe.
Fest im Blick hat er auch eine IT-Plattform, über die der Einkauf künftig laufen soll. Dabei schwebt ihm eine kostengünstige Standard-Lösung vor, die flexibel genug ist, um auf die Bedürfnisse von kleinen und mittelständischen Unternehmen reagieren zu können. „Zurzeit testen wir die Anbieter.“ Damit die Prozesskosten die Einsparungen nicht wieder auffressen, müssten manche Nutzer allerdings noch die Schnittstellen anpassen und die mitunter veraltete Datenverarbeitung modernisieren.
Außerdem plant der ICM, künftig weitere Schulungen für die Einkäufer der einzelnen Unternehmen anzubieten. Mitunter schlägt der Verband zwei Fliegen mit einer Klappe: Als sich der Einkaufspool auf der Leipziger Zuliefermesse präsentierte, kamen die teilnehmenden Unternehmen nicht nur mit Lieferanten ins Gespräch, sondern auch mit Finalisten, die sich für ihre eigenen Produkte interessierten.
Das regionale Netzwerk von Finalisten und Zulieferern will auch der ICM-Arbeitskreis Produktion stärken. „Es gibt starke Finalisten, die verstärkt nach regionalen Zulieferern suchen“, so Projektleiter Bernd Schädlich, „die Zulieferer haben ihre Kunden aber oft woanders.“ Im Projekt Innoregio arbeitet der ICM nun mit seinen Partnern daran, anhand konkreter Systembaugruppen Systemzulieferungen in der Region zu organisieren.
Produzenten und potenzielle Zulieferer von Systemen und Einzelteilen sind bereits identifiziert. So soll mit einer Motorspindel eine zentrale Werkzeugmaschinen-Baugruppe künftig in der Region gefertigt werden, die bislang importiert werden muss. Produzenten von Einzelteilen wie die Spindelwellen, Lagersysteme, Gehäuse und Motoren gibt es bereits. Ein ähnliches Netzwerk-Projekt existiert für eine Präzisions-Fügepresse. „Unser Ziel ist es, eine regionale Systemzuliefererstruktur für Baugruppen und später für komplette Maschinen und Anlagen zu entwickeln“, so Schädlich. „Mit solchen Partnerbeziehungen können dann auch die Finalisten besser auf Kundenwünsche reagieren.“
Die Kräfte von kleinen und mittleren Unternehmen bündelt der ICM auch beim Projekt Nemo, bei dem die Chemnitzer einen bundesweiten Wettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gewonnen und eine Förderzusage bekommen haben.
Dabei fassen sieben Unternehmen ihre Fertigungs-Kapazitäten zusammen und können so gegenüber Großunternehmen als Systemanbieter auftreten. „Allein wären sie dazu nicht in der Lage“, erklärt ICM-Vorstandsvorsitzender Uwe Hartmann. „In der ersten Phase wollen wir als Systemlieferant Großunternehmen in Sachsen gewinnen. Danach gehen wir nach Thüringen und dann in die alten Bundesländer.“ Dass das Modell funktionieren kann, haben mehrere Unternehmen der Region bereits bewiesen: Unter Federführung der Hörmann Rawema GmbH Chemnitz hat die Starrag Heckert GmbH ein Flexibles Fertigungssystem für Daimler-Chrysler gefertigt und in Betrieb genommen.
Inzwischen streckt das Netzwerk seine Fühler bis in die ungarische Region Borsod aus. Dort arbeitet der ICM gemeinsam mit sächsischen und ungarischen Behörden an Konzepten für die Revitalisierung einer Industriebrache. Ziel ist, dort Entsorgungs- und Recycling-Unternehmen anzusiedeln, für die die Maschinenbauer die Ausrüstung liefern können.
Kooperationen für Südwestsachsen
Der Interessenverband Chemnitzer Maschinenbau e.V. ist ein Kooperationsnetzwerk für Industrie, Wissenschaft, Politik und Forschungs-Einrichtungen in Südwestsachsen. 1992 von zehn Unternehmen gegründet, zählt der ICM inzwischen 64 Mitglieds-Unternehmen, in denen insgesamt 4500 Mitarbeiter Umsätze von 500 Mio. Euro erwirtschaften. Der ICM selbst beschäftigt 12 Mitarbeiter, die Projekte in den Arbeitsgruppen Einkauf, Produktion, Personalentwicklung sowie Forschung und Entwicklung betreuen.
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