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Mit scharfem Strahl durch dick und dünn

Kaltes Trennverfahren verhindert Verzug und Risse
Mit scharfem Strahl durch dick und dünn

Das Wasserstrahlschneiden eignet sich besonders für Werkstoffe, die auf den Wärmeeintrag thermischer Trennverfahren empfindlich reagieren. Wie das Beispiel des Anwenders Aquatec zeigt, lassen sich bei optimiertem Einsatz in der vor- und nachgeschalteten Prozesskette erhebliche Vorteile erzielen.

Dipl.-Ing. Klaus Vollrath ist Fachjournalist in Rees

„Das kalte Trennen mit Wasser bietet entscheidende Vorzüge, die man optimal nutzen sollte“, weiß Martin Meenen, Geschäftsführer der Aquatec GmbH in Emmerich. Als Werkzeug dient bei diesem Verfahren ein mit Abrasivkörnchen angereicherter Hochdruck-Wasserstrahl, der mit bis zu 6000 bar in kurzer Zeit selbst 300 mm dicke Edelstahl-Platten durchdringt. Da der Schnittspalt ständig von Wasser durchströmt wird, bleibt er in allen Bearbeitungsphasen kalt. Dies ist vor allem bei vielen hochlegierten Stählen und Sonderwerkstoffen auf Nickelbasis, die teilweise sehr empfindlich auf thermische Beanspruchung reagieren, ein entscheidendes Plus. Vermieden werden so die beim Einsatz thermischer Verfahren oft auftretenden Aufhärtungen oder gar Vorschädigungen bis hin zur Bildung von Rissen.
In anderen Fällen kann der Anwender entweder auf eine nachfolgende Wärmebehandlung, die unerwünschte Gefügeveränderungen beseitigen soll, verzichten oder eine ohnehin erforderliche Wärmebehandlung in der Prozesskette so platzieren, dass der Gesamtaufwand minimiert wird. „Dem Wasserstrahl ist ziemlich egal, welcher Gefügezustand ihm untergeschoben wird“, sagt Meenen. „Er fräst sich durch Kunststoffe und Kohlenstofffaserteile ebenso problemlos wie durch Keramik oder auf höchste Härtestufe vergüteten Werkzeugstahl.“
Wichtigste Investition der 2000 gegründeten Aquatec GmbH war bislang der Kauf einer großformatigen Doppelkopf-Wasserstrahlschneidanlage des Typs Waricut der H.G. Ridder Automatisierungs-GmbH, Hamm. Das 4000-bar-System kann nicht nur Flachmaterial bearbeiten: Mit Hilfe einer zusätzlichen CNC-gesteuerten Drehachse lassen sich auch in rohrförmige Werkstücke Schnitte und Bohrungen einbringen.
Der Arbeitsbereich der Anlage wurde mit einer eigenen Konstruktion so erweitert, dass selbst Blechtafeln mit Abmessungen bis zu 9400 mm x 3000 mm zu bearbeiten sind. „So große Komponenten liefern wir unter anderem an Kunden aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt“, berichtet Meenen. Hier komme es auf hohe Präzision an, weil die entsprechenden Werkstücke beispielsweise als Schablonen für die Fertigung von Strukturbauteilen aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen dienen. Hierbei werden zum Teil extrem teure Sonderwerkstoffe eingesetzt. „Gerade bei solchen Aufträgen zeigt sich, wer seinen Prozess wirklich aus dem Effeff beherrscht“, merkt der Geschäftsführer an. „Da schon eine einzige Blechtafel den Gegenwert eines kleineren Einfamilienhauses repräsentieren kann, darf man sich beim Bearbeiten nicht den kleinsten Fehler erlauben.“ An solche Aufträge traue sich bei Weitem nicht jeder heran.
Das Leistungsspektrum des Unternehmens umfasst jedoch weit mehr als den reinen Zuschnitt. Beginnend mit umfassender Kundenberatung schon im Vorfeld, übernimmt Aquatec nach Möglichkeit Verantwortung für die gesamte Prozesskette – von der Beschaffung des Rohmaterials bis zu dem Punkt, wo das Teil für die weitere Verarbeitung an den Kunden zurückgeliefert wird.
„Den höchsten Nutzen können wir unserem Kunden dann bieten, wenn er uns schon in der Konzeptionsphase an der Planung beteiligt“, betont Mit-Geschäftsführerin Lucia M. Esposito. „Dies ermöglicht es unseren Fachleuten, schon in die Gestaltung des Werkstücks sowie in die Festlegung der Prozesskette ihr spezielles Verfahrens-Know-how einfließen zu lassen.“ Dabei spiele die Vermeidung von Verzug ebenso eine Rolle wie die bestmögliche Nutzung von Toleranzen beim Bemessen von Bearbeitungszugaben an Bauteilen aus schwer zerspanbaren Sonderwerkstoffen.
Besonderes Know-how ist auch beim Bearbeiten dickerer Materialien gefragt, weil hier der Wasserstrahl vor allem bei zu schnellem Vorschub dazu neigt, sich alternierend an die Flanken des Schnitts anzulegen und dadurch seitlich auszuwandern. Es erfordert viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl beim Einstellen der Prozessparameter, um bei dieser Gratwanderung zwischen Schnittgeschwindigkeit und Bearbeitungstoleranz das Optimum zu treffen, wobei auch die Kosten nachgeschalteter Operationen zu berücksichtigen sind.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die richtige Nutzung besonderer Möglichkeiten des Verfahrens, zum Beispiel durch das Ankörnen der Positionen für spätere Bohrbearbeitungen. Gerade bei dickeren Platten biete das Wasserstrahlschneiden spezielle Vorteile, weil sich damit Bohrungen wesentlich enger einbringen lassen als per Laser. Während bei letzterem die Faustregel gilt, dass Lochdurchmesser nicht kleiner sein sollten als die Materialdicke, ist es mit dem Wasserstrahl kein Problem, selbst in eine 25 mm dicke Platte noch eine Bohrung von 5 mm Durchmesser ausreichend präzise einzubringen, um darin ein 6-mm-Gewinde zu schneiden. „Je größer also die Zahl enger Bohrungen, Durchbrüche oder Gewinde, desto geeigneter das Verfahren“, weiß Meenen. Andererseits beachtet Aquatec jedoch stets die Gesamtkosten und greift für bestimmte Teilaufgaben auf alternative Verfahren zurück, wenn dies bei ganzheitlicher Betrachtung für den Kunden günstiger ist.
Wenig Konkurrenz bieten thermische Verfahren, wenn es – speziell bei größeren und dickeren Bauteilen – um hohe Präzision geht: Die eingebrachte Wärme sorgt häufig für Verzug, der durch nachfolgende Wärmebehandlung und Richten behoben werden muss. Dies macht es schwierig, enge Toleranzen einzuhalten, und erhöht die Bearbeitungskosten zum Teil erheblich. Beim Wasserstrahlschneiden entfallen die meisten dieser Probleme, so dass selbst sehr große Teile mit Genauigkeiten bis in den Zehntel-Millimeter-Bereich bearbeitet werden können. Bohrungen müssen dann oft nur noch nachgerieben werden.
Industrieanzeiger
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