Startseite » Allgemein »

Mobile Fehlersuche in der Montagelinie

Gelenkmessarm sichert die Qualität im Fahrzeugbau
Mobile Fehlersuche in der Montagelinie

Am Standort Regensburg produziert der Automobilhersteller BMW die 3er-Serie. Um die Prozessgenauigkeit in der Fertigung zu sichern, haben die Bayern einen mobilen, sechsachsigen Gelenkmessarm im Einsatz.

Theo Drechsel ist Fachautor in Unterschleißheim

Zu den wesentlichen Aufgaben der Abteilung „Qualitätssicherung, Messtechnik, Teile“ gehört die Prozessüberwachung mit Hilfe von Fähigkeitsuntersuchungen sowie Analysen von Einzelteilen und Zusammenbauten bis hin zum Gesamtfahrzeug. Die 13 Angestellten dieser Abteilung arbeiten am so genannten Funktionsmaßkonzept (FMK) mit. Mit dieser von BMW eingeführten Systematik sollen Toleranzen abgesichert werden.
Der Messtechniker bei BMW erarbeitet bereits in der frühen Konstruktionsphase die messtechnische Ausrichtung mit den betreffenden Fachstellen. Die Grundlage für den Messplan sind Toleranzkettenberechnungen sowie FMK-Punkte für funktionskritische Merkmale. Der Messplan ist auch für den Zulieferer verbindlich und ermöglicht eine schnelle, durchgängige Überprüfbarkeit des Produkts.
Aber auch die messtechnische Betreuung des Prüfcubings gehört zu den Tätigkeiten der Messtechniker im Produktentstehungsprozess. Der Prüfcubing ist eine in Aluminium gefräste Karosserie, die den dimensionellen Soll-Zustand verkörpert. An ihm lassen sich Ausstattungsteile, Klappen und Türen unter Idealbedingungen in der Vorserienphase bewerten.
Wenn nicht verlagerbare Teile aus Vormontageprozessen zu vermessen sind, ist das Grund genug, die messtechnische Ausrüstung zu überdenken. Eine Alternative zu stationären Messanlagen stellen mobile Gelenkarm-Messgeräte dar. Seit Ende 1999 ergänzt ein flexibler Gelenkmessarm der Stuttgarter Firma Faro Europe die Ausrüstung bei BMW. Der Arm mit 3,7 m Messvolumen erhöht die Flexibilität der Abteilung. Prozessbegleitend unterstützt das Produkt den Fehlerbeseitigungsprozess. Die zu analysierenden Teile und Komponenten mussten bisher in den Messraum gebracht werden.
Heute findet die Analyseuntersuchung direkt vor Ort statt. In etwa einer Stunde ist der Gelenkmessarm an jedem Ort des Werkes aufgebaut und zum Messen bereit. Der daraus resultierende Zeitvorteil ist groß, denn das Verlagern von Bauteilen, Fertigungsgruppen und Montagevorrichtungen ist aufwendig. Ganz zu schweigen vom Handlingaufwand beim Transport.
Sicherlich erreicht der Messarm nicht die Präzision von CNC-Koordinatenmaschinen in klimatisierten Messräumen, aber für die meisten Aufgaben genügt die Genauigkeit von rund 0,2 mm. Durch die Temperaturkompensation wird die Klimatisierung weitestgehend überflüssig. Die Investitionsentscheidung im Controlling wurde durch die günstigen Anschaffungskosten erleichtert. Denn im Gegensatz zu Messmaschinen im Wert von mindestens einer halben Million Mark muss der etwa 100 000 Mark teuere Messarm nicht ständig ausgelastet sein, um sich zu rentieren.
Einige typische Einsatzfälle haben sich herauskristallisiert. Mit dem Messarm lässt sich an schwer zugänglichen Stellen des Fahrzeuginnenraums die Lage des Anbauteils überprüfen. Dabei können fehlerhafte Teilepositionen und dimensionelle Abweichungen am Bauteil festgestellt werden. Der Hauptvorteil des Faroarms liegt in der Mobilität, da er auch Messaufgaben außerhalb des Messraums ermöglicht.
Das Frontend wird nicht mehr in den Messraum gebracht, sondern der Gelenkmessarm kommt an die Montagelinie. Die Sollposition der Frontleuchtenkombination wird nun am Fertigungsort geprüft. Wenn fertig montierte Fahrzeuge direkt neben der Linie vermessen werden, sind die Vorteile noch größer, denn diese lassen sich nur sehr aufwendig mit den CNC-Messmaschinen überprüfen.
Das bisher aufwendigste Projekt mit dem Gelenkarm war eine Analyse im Fehlerbeseitigungsprozess an einem Cabrio. Manfred Huber, Mitarbeiter der Abteilung, fasst das Problem zusammen: „Die Hardtops der Cabrios mussten im Werk so genau gefertigt werden, dass sie sich passgenau auf jedes Cabrio montieren lassen. Dabei mussten alle Anforderungen bezüglich Dichtheit und Windgeräusche erfüllt sein.“ Das Hardtop hat sich zwar auf allen Fahrzeugen gut montieren lassen, war aber zunächst in einigen Fällen undicht. Daraufhin wurden am Prüfcubing die Montage der Hardtopaufnahmen und -verriegelungen getestet. Die Befestigungen am Cabrioverdeck und am Dichtkanal, in welchen die Scheiben eintauchen, wurden ebenfalls getestet. Des Weiteren sind an 20 gefertigten Fahrzeugen die Seitenscheibenlagen und die Vormontagevorrichtungen untersucht worden. Zum Abschluss wurden noch die Hardtops vermessen und die Lage der vormontierten Anbindungspunkte festgestellt.
Das Ergebnis war eindeutig. Das Problem lag an der Streubreite der Seitenscheibenlage. Darauf hin wurde der Vormontageplatz für die Scheiben optimiert, und das Problem war behoben.
Der Umgang mit dem Messarm ist einfach. Er wird in einem speziellen Transportmittel zum Einsatzort gebracht, aufgebaut und eingerichtet. Da das Koordinatensystem im Unterboden des Fahrzeugs definiert und daher schwer zugänglich ist, wird mit lokalen Ausrichtsystemen gearbeitet. Diese werden schon bei der Produktentwicklung festgelegt und in die Zeichnung eingetragen. Mit dem Arm werden wichtige Punkte und Flächen angetastet und mit den Soll-Daten verglichen, die ursprünglich im CAD-System Catia vorliegen. Wenn vor Ort kein Zugang zum Datennetz besteht, wird das benötigte CAD-Modell vor dem Messeinsatz auf ein DVD-Speichermedium übertragen.
Die eingesetzte Standard-Messsoftware übernimmt nicht nur den Soll-Ist-Vergleich sondern auch die numerische und grafische Protokollausgabe. Die Flächenmesssoftware ermittelt sofort beim Antasten die Abweichung gegenüber der Referenzfläche. So lassen sich Fehlerursachen erkennen, die im Anschluss detaillierter untersucht werden können.
Zur Bedienung des Messarms brauchen die BMW-Messtechniker keine aufwendige Schulung, da jeder bereits die Standard-Messsoftware kennt. Deshalb wurde der Faro-Arm auch schon abteilungsübergreifend eingesetzt. Karl-Heinz Swoboda, Mitarbeiter der Abteilung Qualitätssicherung Gesamtfahrzeug, hat bereits Erfahrungen sammeln können: „Der Gelenkarm ist einfach zu bedienen. Allenfalls ist etwas Feingefühl beim Antasten notwendig.“
Für Manfred Huber bietet der Gelenkmessarm weitere Perspektiven. Für ihn wäre der Einsatz des Produkts mit einem Laserscanner interessant. Möglicherweise auch mit einer Kamera, um Spalten und Fugen zu prüfen. Bisher werden diese mit dem Auge oder mit mechanischen Fühlerlehren überprüft.
MTQ 2000: Fachmesse für Qualitätssicherung
Vom 21. bis 24 November findet im Messezentrum Westfalenhallen, Dortmund, die MTQ 2000 statt. Während der 8. Fachmesse für Materialprüfung, Messtechnik und Qualitätssicherung, präsentieren 248 Aussteller technische Lösungen aus den Bereichen Prüf-, Mess-, Steuerungs-, und C-Techniken. Darüber hinaus sind in den Westfalenhallen 4 und 7 zahlreiche Dienstleister wie Prüflabors, Organisationen, Verbände und technische Gesellschaften vertreten.
Während der Messe findet eine Sonderschau mit historischen Mess- und Prüfgeräten statt. Die Ausstellung gibt einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Branche und zeigt Exponate, die teilweise mehr als 100 Jahre alt sind.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de