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Nicht richtig gut, aber auch nicht schlecht

Hartz-Bericht: Ein Konzept mit Haken und Ösen
Nicht richtig gut, aber auch nicht schlecht

Nicht richtig gut, aber auch nicht schlecht
Als gigantischen Rückfall in die Konjunkturprogramme der 70er-Jahre bezeichnet VDMA-Präsident Diether Klingelnberg die von der Hartz-Kommission vorgeschlagene 150-Milliarden-Anleihe, mit der vor allem dem Osten Deutschlands unter die Arme gegriffen werden soll (Bild: VDMA)
Die Einschätzungen zum Abschlussbericht der Regierungskommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ reichen vom „großen Wurf“ bis zum „untauglichen Versuch“. Doch dem differenzierten Bericht werden solche Pauschalurteile kaum gerecht. Wie so häufig, steckt auch beim Hartz-Papier der Teufel im Detail.

Iris Frick – iris.frick@konradin.de

Die Kommission unter der Leitung von VW-Personalvorstand Peter Hartz hat sich schwer ins Zeug gelegt und in wenigen Monaten ein detailliertes, 350 Seiten starkes Konzept zum Umbau der Bundesanstalt für Arbeit vorgelegt. Das Konzept besteht aus insgesamt 13 Modulen. Die wichtigsten Vorschläge und was von ihnen zu halten ist:
Job-Center: Die Arbeitsämter sollen zu lokalen Zentren umorganisiert werden, die sämtliche Fragen rund um die Erwerbslosigkeit klären. Die Job-Center fungieren als Anlaufstelle für alle erwerbsfähigen Arbeitssuchenden. Die neue Unterscheidung der Erwerbslosen in Informations-, Beratungs- und Betreuungskunden sowie die Steuerung durch eine Clearingstelle erlaubt einen besseren individuellen Zuschnitt von Leistungen.
Problem: Der Umfang der Aufgaben für die Job-Center wird vergrößert – etwa um die Such- und Schuldnerberatung – was zu Lasten der Vermittlungstätigkeit geht.
Personal-Service-Agenturen: Die PSA solen ähnlich wie Zeitarbeitsunternehmen agieren und Arbeitslose übergangsweise beschäftigen. Die Zeit-arbeit wird so als wichtiges arbeitsmarktpolitisches Sprung-brett anerkannt. Eine Deregulierung in diesem Bereich ist hilfreich. Über die PSA lassen sich für Unternehmen im Idealfall Arbeitsbereitschaft und Verfügbarkeit von Arbeitssuchenden überprüfen oder eine betriebsnahe Qualifizierung anbieten.
Problem: Nach einer maximal sechsmonatigen Probezeit sollen PSA-Beschäftigte nach einem eigenen Tarifvertrag bezahlt werden – eine unter Umständen teure Angelegenheit. Kritisch zu sehen ist auch, dass der Kreis der PSA-Beschäftigten nicht auf Geringqualifizierte beschränkt bleibt.
Ich-AG und Mini-Jobs: Arbeitslose Leistungsempfänger sollen stärker als bisher hinzuverdienen können, die Schwarzarbeit soll so verringert werden. Die Sozialversicherungspflicht soll für Beschäftigte in Privathaushalten erst bei Verdiensten über 500 Euro einsetzen. Dabei setzt die Ich-AG auf das Prinzip Lohnergänzung statt Lohnersatz und kann so den Einstieg in eine Erwerbstätigkeit fördern.
Überregulierung des Arbeitsmarktes ist noch nicht gelöst
Problem: Die Ich-AG dürfte zu vielen Mitnahmeeffekten führen, da die Zuschüsse recht großzügig bemessen sind – die Kosten der Sozialversicherungspflicht werden überkompensiert – und die Förder-dauer ist mit drei Jahren sehr lang. Wer als Ich-Unternehmer scheitert, hat erneut Anspruch auf Arbeitslosengeld – Arbeitslosenkarrieren könnten so geradezu begünstigt werden. Das Heraufsetzen der Geringfügigkeitsgrenze dürfte zwar die Nachfrage nach den Mini-Jobs beleben, ist jedoch nur ein Herumdoktern an den Symptomen. Wirkliche Abhilfe schaffen kann nur ein echter Niedriglohnsektor, der das Lohnabstandsgebot neu austariert und eine Lohnspreizung nach unten zulässt. if
Aller Anfang ist schwer
Mit dem Hartz-Papier gibt es Vorschläge zu einer neuen Ordnung im Arbeitsmarkt, die nur als Ganzes, als System umgesetzt, Erfolg versprechen. Werden einzelne Maßnahmen herausgepickt, funktioniert die geplante Veränderung gleich gar nicht.
Ob die Aktivitäten der Regierung so kurz vor dem 22. September nur wahltaktisches Manöver sind – na und! Wenn es der Sache dient. Jedes Konzept, das die Voraussetzungen für mehr Arbeitsplätze schaffen kann, sei willkommen. Natürlich ist es fraglich, ob das Arbeitsamt, das nun als Job-Center fungieren soll, nicht nur einen neuen Namen trägt, sondern auch als Dienstleister funktioniert. Das ist auch ein massives Imageproblem. Denn die meisten Unternehmen holen sich bisher vom Arbeitsamt ungelernte oder angelernte Mitarbeiter. Gelernte Mitarbeiter finden Betriebe über Zeitungsannoncen, so eine Umfrage des DIHK.
Doch ein Anfang muss gemacht werden. Es ist längst an der Zeit, die Rahmenbedingungen im Arbeitsmarkt zu verändern. Das ist die ureigenste Aufgabe der Politik. Arbeitsplätze schaffen, das können allerdings nur die Unternehmen. Und damit diese dazu bereit sind, genügen die Vorschläge der Hartz-Kommission nicht.
Industrieanzeiger
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