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Nur kombiniert zählt das Know-how

Condition Monitoring: kontrollieren und optimieren
Nur kombiniert zählt das Know-how

Condition-Monitoring-Systeme erlauben viele Aussagen über den Zustand einer Anlage oder Maschine. Mit dem kombinierten Know-how von Maschinenbauer und Systemhersteller lassen sich sogar Prozesse optimieren.

Windenergieanlagen haben Condition-Monitoring-Systemen (CMS) auf die Beine geholfen, weil beispielsweise Lagerschäden frühzeitig in luftiger Höhe aus der Ferne erkannt werden mussten. Sensorik vor Ort, Kommunikationstechnik und Auswerte-Software beim Anwender gestatten diese Ferndiagnose heute. Doch den Begriff des Condition Monitoring (CM) nur im Zusammenhang mit der Fehlerdiagnose zu sehen, greift zu kurz. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau steckt erhebliches Potenzial, mit CM Prozesse zu optimieren.

„In der Automatisierungstechnik steckt das Condition Monitoring zwar noch in den Kinderschuhen“, berichtet Reinhard Keller, Forschungsingenieur Zukunftstechnologie bei der Esslinger Festo AG & Co. KG. „Komplette Standardlösungen für Anlagen fehlen noch, und oftmals bietet der Markt nur proprietäre Lösungen.“ Aber wie sich mit angepassten Systemen Condition Monitoring einsetzen lässt, zeigten die Schwaben auf der Hannover Messe mit der Wolf Verpackungsmaschinen GmbH aus Lich-Birklar und dem Ingenieur-Büro Peter Hahn, Buseck. „Gerade relativ einfache Maschinen erleichtern den Einstieg in ein effizientes Condition Monitoring“, so der Festo-Ingenieur.
Die in Hannover vorgestellte Schlauchbeutelverpackungsmaschine nutzt ein auf den Maschinentyp abgestimmtes CM-System der Esslinger. „Dabei kommen ausschließlich Standardkomponenten zum Einsatz“, so Keller weiter. Ziel sei es gewesen, mit möglichst wenigen Sensoren möglichst viel Information aus dem Prozess zu generieren. Das CM basiert auf den vorhandenen Endschalter- und Ventilstellsignalen in Verbindung mit Druck-, Durchfluss- und Wegsensorik. „Erst durch die Kombination des Prozess-Know-hows von Wolf und mit unserem Antriebstechnik-Know-how lässt sich ein optimiertes CM-System entwickeln“, betont der Forschungsingenieur. Folgende Punkte lassen sich so kontrollieren:
  • Druck
  • Luftverbrauch
  • Energieverbrauch der Pneumatik
  • Kühlluftmenge und -verbrauch bei der Schweißnahtkühlung
  • Schließzeiten von Längssiegelung und Schnittmesser
  • Anpresskraft der Folien-Abzugeinheit
  • Riemenverschleiß des Abzugriemens
Auf diese Weise lässt sich aus den generierten Daten weit mehr gewinnen als nur eine Zustandsmeldung. „Durch die intelligente Verbindung von Sensor- und Prozessdaten, pneumatischem und elektrischem Know-how können wir die Funktion der Prozesse überprüfen“, erläutert Reinhard Keller. Qualitätsvorgaben wie das Einhalten der richtigen Beutellänge könne der Anwender so sicherstellen. „Zudem lassen sich die Prozesse hinsichtlich Kühlluftmenge oder Anpresskraft optimieren und unnötiger Energieeinsatz vermeiden.“ Auch die Wiederinbetriebnahme nach Reparatur oder Umrüstung verkürze sich.
Für den Anwender sieht der Festo-Mitarbeiter sogar weitere Vorteile. „Das Einstellen von Parametern des Herstellungsprozesses erfolgt heute oft auf Basis von angesammeltem Wissen.“ Neue Produkte benötigten eine relativ lange Anlaufphase, bis Qualität und Ausbringung den Vorstellungen entsprechen. „Wird etwa ein neuer Folientyp in der Maschine verwendet, bestimmen die Werte der Abzugsgeschwindigkeit oder Kühlzeit der Naht die Qualität der Verpackung sowie die maximale Ausbringung.“ Bislang würden die Parameter ohne das Wissen um die tatsächlichen physikalischen Werte am Produkt verändert, bis alles passe. „Durch das integrierte CM-System lassen sich die optimierten Einstellungen anhand messbarer Prozessgrößen darstellen“, so Keller weiter. Die so gewonnenen und gespeicherten Parameter dienen als Referenzdatensatz und könnten bei einer Umrüstung neu geladen werden.
Wichtig sei es, ein Condition-Monitoring-System zusammen mit dem Anlagenbetreiber zu entwickeln, berichtet auch Frank Schnur, Leiter Entwicklung im Technical Center Fellbach der Norgren GmbH. „Wir setzen das CM etwa bei der Zustandsüberwachung pneumatischer Komponenten in Schweißzangenantrieben ein.“ Erfahrungswerte und Wünsche des Betreibers seien sehr stark in die Auslegung eingeflossen. „Wir haben gemeinsam überlegt, wie wir die Sensoren zusätzlich zur Abfrage von Betriebszuständen nutzen können“, so Schnur weiter. Erforderliche Druckwerte und tatsächliche Kraftwerte ließen sich beispielsweise vergleichen, um den Zustand des Pneumatikzylinders zu überwachen. Über die Software würden dann die Zustandsmeldungen – abgestimmt auf die Bedürfnisse des Anwenders – im Klartext, als Code oder etwa als Ampel-Funktion (grün-gelb-rot) ausgegeben.
„Ungeplante Maschinenstillstandszeiten werden durch den Einsatz einer Ampel-Anzeige erheblich reduziert“, erläutert der Norgren-Mitarbeiter. Der Anlagenführer könne den Betrieb der Anlage prozesssicher bis zu einer Pause – etwa am Wochenende – aufrechterhalten, um dann gezielt die Wartung an einer genau lokalisierbaren Stelle durchzuführen. Die genaue Zuordnung des Fehlers vermindere die „Suchzeiten“ erheblich, ebenso die Zahl der zu bevorratenden Ersatzteile. Auch Investitions- und Gesamtbetriebskosten sinken deutlich.
Antriebsautomatisierer wie die SEW-Eurodrive GmbH & Co KG aus Bruchsal, verzeichnen ebenfalls verstärkt Anfragen von Maschinenbauern und Endanwendern nach CM-Systemen. „Dahinter steckt vor allem die Notwendigkeit, die Verfügbarkeit von Maschinen und Anlagen zu steigern“, berichtet Andreas Reddemann, Serviceleiter International bei SEW. Moderne Feld- und Kommunikationsbusse sowie neuerdings auch Ethernet erleichterten die Realisierung von CM-Lösungen. Rahman Jamal, Technical & Marketing Director bei der Münchner National Instruments Germany GmbH, sieht hier einen Schlüssel zum Erfolg. „Lösungen, die auf den von der kommerziellen Welt immer weiter vorangetriebenen Ethernet-Technologien basieren, werden sich auf breiter Ebene eine Akzeptanz bezüglich der Kosten und der Standardisierung verschaffen.“ Verbessert werden müsse nur die Integration von CM-Lösungen, in der ja Disziplinen wie Steuerungs-, Mess- und Antriebstechnik zusammen kämen. „Basierend auf dem Programmable-Automation-Controller-Konzept lassen sich hier zukünftig viel leichter Online-CM-Lösungen realisieren“, so Jamal weiter. Dies senke die Engineering-Kosten und erleichtere die Kopplung mit SPS-Systemen.
„Condition-Monitoring-Systeme müssen aber vor allem in einem übergreifenden Kontext von Technologielieferant, Systemintegrator und Anwender entwickelt werden“, betont SEW-Serviceleiter Reddemann. Der Schritt zu modellbasierten Verfahren könne nur gelingen, wenn die Kenntnisse über Produkte, Applikation und Betriebsbedingungen zusammengeführt würden. Die Beratung im Vorfeld helfe bei der Diagnose der späteren Meldung.
Und es ergibt sich auch hier die Möglichkeit, einen Zusatznutzen zu erzielen: Beim Einsatz frequenzgeregelter Antriebstechnik kann der Anwender durch das Auswerten der Umrichterkennwerte die Lastmomente und deren zeitliche Profile ermitteln. „Neben unzulässigen Betriebszuständen, wie etwa einer Überlast, können diese Informationen vor allem dazu dienen, die Lastprofile zu optimieren“, erläutert Reddemann. „In einigen Fällen“, gibt er zu bedenken, „wird aber auch weiterhin die Begutachtung durch einen Fachmann vor Ort der letzte Schritt zur Festlegung von Maßnahmen sein.“
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
Einfache Maschinen sind ideal für den Einstieg in CMS

Neue Technologien
Einmal mehr spielt beim Condition Monitoring das Thema Teamwork eine Rolle. Nur wenn sich alle Beteiligten zusammensetzen und ihr jeweiliges Know-how bündeln, lässt sich CM umsetzen. Nur so kann ein Weg gefunden werden, aus der Vielzahl sensorischer Daten vernünftige Aussagen abzuleiten. Doch die Mühe lohnt sich. Wer diesen Aufwand betrieben hat, kann auch seine Prozesse besser gestalten – und somit effizienter arbeiten.

CM-Lösungen in der Praxis

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Antriebstechnik
Bei frequenzgeregelten Antrieben, also Frequenzumrichter- und Getriebemotor-Kombinationen, besteht die Möglichkeit, die Signale im Frequenzumrichter Movidrive der SEW-Eurodrive GmbH & Co KG, Bruchsal, direkt auszuwerten. Ist ein beginnendes Schadensbild anhand der Signale erkennbar, kann der Umrichter automatisch einen Betriebszustand einstellen, in dem der Getriebemotor die größtmögliche Restlaufzeit erreicht. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Reparatur oder der Austausch der Einheit aus anlagentechnischen Gründen nicht direkt erfolgen kann. Darüber hinaus lassen sich die Signale der Sensoren über die Feldbuskommunikation an eine Datenbank übermitteln, in der alle antriebstechnischen Einheiten gelistet sind. In dieser Datenbank fließen alle Zustandsinformationen zusammen und geben dem Instandhalter einen schnellen Überblick.
Dichtungstechnik
Bevor der ungeplante Ausfall einer Dichtung die Anlage stoppt, warnt das CMS der Freudenberg Simrit GmbH & Co. KG, Weinheim. „Unser Simmerring mit integriertem Condition Monitoring dichtet und überwacht seine Dichtfunktion kontinuierlich“, berichtet Dr. Ulrich Frenzel, Leiter des Innovation Center bei Freudenberg. „Wenn letztere nicht mehr ausreichend gewährleistet ist, erzeugt das eigensicher arbeitende CMS ein digitales Fehlersignal.“ Dieses werde kabelgebunden an das Steuergerät des Anlagenbetreibers weitergeleitet und dort sichtbar gemacht. „Der Anwender kann so den Simmerring beim nächsten planmäßigen Wartungsintervall austauschen“, so Frenzel weiter. Dank der sekundären Dichtlippe halte das Dichtsystem seine Funktion bis dahin aufrecht.
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