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Ökonomisch und ökologisch schmieren in der Zerspanung

Die Verwendung von Kühlschmierstoffen im Fokus
Ökonomisch und ökologisch schmieren in der Zerspanung

In der metallverarbeitenden Industrie zählen die Kühlschmierstoffe zu den am häufigsten eingesetzten Hilfsstoffen. Das WZL der RWTH Aachen lädt am 12. und 13. November zu einer Tagung rund um diese Technologie ein. Dabei sollen auch Entsorgungs-Problematiken für Unternehmen beleuchtet werden.

Der Einsatz von Kühlschmierstoffen (KSS) wird auch durch Probleme im direkten Arbeitsumfeld und bei der Entsorgung geprägt. Diese führen zu einer Vielzahl ökologischer Belastungen, die sich aufgrund zunehmender Gesetze und Verordnungen im Arbeits- und Umweltschutz auch zu einer immer stärkeren ökonomischen Belastung für die Unternehmen entwickeln. Leckage- und Ausschleppverluste, Emissionen, Waschwasser und nicht zuletzt die Entsorgung der verbrauchten Kühlschmierstoffe (KSS) gefährden Boden, Wasser und Luft. KSS-Bestandteile, Bakterizide und Fungizide, entstehende Reaktionsprodukte sowie eingeschleppte Fremdstoffe können Auslöser für Erkrankungen sein. Der Gesetzgeber reagiert hierauf mit zunehmend schärferen Vorschriften. Beim Umgang mit KSS sind zwischenzeitlich eine Reihe von technischen Regeln zu beachten.

Für Unternehmen bedeuten die gesetzlichen Vorgaben und technischen Regeln nicht nur eine Erweiterung ihrer Verantwortung und neue Pflichten gegenüber ihren Mitarbeitern, sondern vor allem höhere finanzielle Belastungen. In Verbindung mit den hohen Aufwendungen für die Entsorgung von Altöl und Altemulsionen rückt der mit dem Einsatz von Kühlschmierstoffen verbundene finanzielle Aspekt immer stärker in den Vordergrund. Der konsequenteste Schritt zur Vermeidung aller mit dem Einsatz von Kühlschmierstoffen verbundenen Probleme wäre die Trockenbearbeitung. Ihre Realisierung kann allerdings, bedingt durch das Leistungsverhalten der Werkzeuge und die Anforderungen an die Bauteilqualität, erheblichen Einschränkungen unterliegen und ist daher nicht immer umsetzbar. Eine Alternative zur Nassbearbeitung kann in diesen Fällen die Minimalmengenschmierung (MMS) bieten. Aber auch diese unterliegt bei der Bearbeitung von zum Beispiel schwerzerspanbaren Werkstoffen Einschränkungen, so dass konventionelle Kühlschmierstoffe Anwendung finden müssen. Wenn konventionelle Kühlschmierstoffe erforderlich sind, dann sollten sie jedoch so effizient wie möglich eingesetzt werden, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen und Kosten zu senken.
Eine Möglichkeit zum effizienten Einsatz von Kühlschmierstoffen ist die Hochdruck-Kühlschmierstoffzufuhr. Bei dieser wird der Kühlschmierstoff zielgerichtet und fokussiert in den Spalt zwischen Spanunterseite und Spanfläche des Werkzeuges geleitet. Speziell beim Drehen reduziert die im Vergleich zur konventionellen Überflutungskühlung viel effektivere Kühlung zum einen den Werkzeugverschleiß, so dass die Schnittgeschwindigkeit meist signifikant gesteigert werden kann. Zum anderen übt der hochenergetische Kühlschmierstoffstrahl eine mechanische Kraft auf den abfließenden Span aus, wodurch meist definierter Spanbruch und sicherer Spanabtransport gewährleistet werden können. Das Ziel aktueller Untersuchungen ist es, durch die richtige Abstimmung von Druck, Volumenstrom, Schnittparametern und Werkzeuggestaltung mit möglichst wenig Druck und Volumenstrom und somit minimaler Pumpenleistung ein Maximum an Produktivität- und Prozesssicherheitssteigerung zu erzielen, um auch den Aspekt der Energieeffizienz zu berücksichtigen.
Eine Alternative zur Prozesskühlung mit konventionellen Kühlschmierstoffen die hohes Potenzial zur weiteren Reduktion der Werkzeugtemperaturen bietet, ist die kryogene Prozesskühlung. Bei der kryogenen Prozesskühlung werden Stoffe mit extrem niedrigen Temperaturen zur Kühlung verwendet. Die bekanntesten Kryogene sind flüssiger Wasserstoff (Siedepunkt 20,268 K = –252,882 °C), flüssiger Stickstoff LN2 (Siedepunkt 77,35 K = 195,80 °C), flüssiger Sauerstoff (Siedepunkt 90,18 K = –182,97 °C) und Trockeneis/CO2-Schnee (Sublimationspunkt 194,5 K = –78,5 °C). Für die Zerspanprozesskühlung werden aufgrund der guten Verfügbarkeit und der verhältnismäßig sicheren Handhabung insbesondere flüssiger Stickstoff und Trockeneis eingesetzt. Die Vorteile der kryogenen Prozesskühlung sind reduzierte Zerspantemperaturen und daraus folgend ein deutlich geringerer Werkzeugverschleiß beziehungsweise höhere anwendbare Schnittparameter.
Bereits in den 1960er Jahren wurden Zerspanversuche unter Einsatz der kryogenen Prozesskühlung durchgeführt und bis heute wurde kontinuierlich weiter an dieser Thematik geforscht. Der größte Anteil der Forschungsarbeiten beschäftigt sich mit der kryogenen Prozesskühlung bei der Zerspanung von Stahlwerkstoffen. Beim Außenlängsdrehen von austenitischem Stahl wird unter Einsatz der LN2-Kühlung von mehr als viermal so hohen Werkzeugstandzeiten im Vergleich zur konventionellen Überflutungskühlung berichtet. Aufgrund der Eigenschaften der hochwarmfesten Legierungen bietet die kryogene Prozesskühlung aber auch bei deren Zerspanung ein großes Potenzial thermisch bedingte Verschleißmechanismen zu reduzieren. Untersuchungen beim Außenlängsdrehen von TiAl6V4 haben gezeigt, dass durch den Einsatz der LN2-Kühlung anstelle der konventionellen Überflutungskühlung der Werkzeugverschleiß auf ein Fünftel reduziert werden konnte. Vor allem bei höheren Schnittgeschwindigkeiten kam die höhere Kühlwirkung beim Einsatz der kryogenen Prozesskühlung zum Tragen. Durch die Reduktion des Werkzeugverschleißes bei der Anwendung der LN2Kühlung anstelle der konventionellen Überflutungskühlung konnten die mit arbeitsscharfen Schneiden erreichbaren hohen Oberflächengüten deutlich höhere Werkzeugeinsatzzeiten aufrecht erhalten werden. Im obigen Bild sind Versuche mit beschichteten Vollhartmetallschaftfräsern mit einem Durchmesser von 12 mm die bei identischen Schnittparametern unter konventioneller Überflutungskühlung (6%-ige Emulsion) und unter Einsatz der LN2-Kühlung ohne Schmiermittelanteil eingesetzt wurden, gezeigt. Der flüssige Stickstoff wurde durch eine Düse extern zugeführt. Als Versuchswerkstücke wurden Platten aus TiAl6V4 genutzt, welche in geraden Fräsbahnen im Gleichlauf bearbeitet wurden. Im linken Bild sind die Werkzeuge nach einer Einsatzzeit von etwa 16 Minuten mit den angegebenen Schnittparametern (siehe Bild) gezeigt. Auf den Bildern der Spanflächen wird der Unterschied zwischen der Überflutungskühlung und der LN2-Kühlung am deutlichsten sichtbar. Während die Schneidkante nach einer Einsatzzeit von 16 Minuten unter Überflutungskühlung freigelegt ist und Riefen aufweist, zeigt die Schneidkante unter Einsatz der LN2-Kühlung lediglich leichte Materialanhaftungen und Kratzer auf der Beschichtung. Mehr Informationen zu diesen Themen wird es auf der 3. Aachener Kühlschmierstoff-Tagung am 12. und 13. November am WZL der RWTH Aachen geben.
Prof. Fritz Klocke und Dipl. Ing. Dieter Lung Lehrstuhl für Technologie der Fertigungsverfahren des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen

Infos zur Tagung

Wo: WZL der RWTH Aachen
Wann: 12. und 13. November 2013
Anmeldung: www.wzlforum.rwth-aachen.de Ansprechpartnerin: Nina Sauermann, (0241) 80-23614, n.sauermann@wzl.rwth-aachen.de
Grundlegende Themenstellungen:
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