Neue Presswerkzeuge, erprobt in Einarbeitungspressen, senken die Rüstzeiten der Automobilindustrie um 90 %. Mit dabei: Innovative Hydraulik-Technologie und PC-Control.
Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller – ia-redaktion@t-online.de
Minimale Spaltmaße der Karosserie werden nicht nur zu Qualitätsmarken der Automobilhersteller, sie stellen auch extrem hohe Anforderungen an Pressen und Prägewerkzeuge. Auch das „Einfahren“ neuer Werkzeuge in den Produktionsstraßen verbietet sich auf Grund der teuren Stillstandszeiten. Gelöst wird dieses Problem, indem die Werkzeuge auf sogenannten Tryout-Pressen unter möglichst produktionsnahen Bedingungen eingefahren werden. Hierfür erforderlich ist eine weitgehende Übereinstimmung der Kennwerte zwischen Produktionspresse und der Tryout-Presse, wie Geschwindigkeitscharakteristik des Stö-ßels, Kippverhalten, Verhalten der Ziehkissensysteme sowie Durchbiegung von Tisch und Stößel. Dazu bietet die Müller Weingarten AG den Automobilherstellern hydraulische Tryout-Multicurve-Pressen. Von dem Hersteller aus dem schwäbischen Weingarten entwickelt, sorgt sie heute in vielen Automobilproduktionen dafür, dass sich Werkzeuge erproben und simulieren lassen.
Groß wie ein Einfamilienhaus und mit bis zu 25000 kN Presskraft ausgestattet ist eine solche Maschine. Aber auch ihr leistungsfähiges Antriebs- und Steuerungssystem ist ein technischer Leckerbissen. Ihre Regelventile bringen die Stößel auf Geschwindigkeiten von bis zu 500 mm/s und liefern damit den Beweis ungeheurer Prozess-Dynamik. „Schlüssel für dieses Regelverhalten ist sicherlich die Industrie-PC-Steuerung“, unterstreicht Andreas Hahn vom Pressenhersteller Müller Weingarten (MW) den Ansatz. „Wir setzen bereits seit mehr als zehn Jahren PC-basierte Steuerungen von Beckhoff ein“, so Projektleiter Hahn, „und seit drei Jahren werden im Bereich der hyd-raulischen Pressen sogar über 90 % der Pressmaschinen mit PC-Steuerungen ausgerüstet.“
„Im Bereich der elektrischen Antriebe verwenden wir Sercos-Interface der Stuttgarter IGS e.V. als Schnittstelle.“ Innerhalb der Presse regelt der Light-Bus die Kommunikation, während nach oben per Profibus DP angekoppelt wird.
Für Pressenhersteller ist PC-Control oberste Maxime
Als Automatisierungssoftware verwenden die Pressenbauer TwinCAT unter Windows. Diese Lösung hat bereits seit Jahren in Maschinen und Anlagen ihre Leistungsfähigkeit als Soft-SPS, Soft-CNC oder Nockensteuerung bewiesen. Auch an den Multicurve-Pressen kann der Anwender via Control-Panel steuern und visualisieren. Regelungs-Know-how der MW-Experten in Form von Software-Modulen lässt sich ebenso integrieren wie der Entwurf zweier unterschiedlicher Bedienoberflächen. Der Vorteil liegt auf der Hand. So sorgt die einfache Bedienebene für fehlerfreie Eingaben des Werkzeugmachers.
Wer sich hingegen mit den Prozessen selbst beschäftigt, gelangt eine Ebene tiefer an die Parameter zur Einstellung der Geber, Ventile oder Pumpen und kann damit Eingabe und Nachbildung eines Stößelweg-Zeitverlaufs mechanischer Pressenantriebe mit unterschiedlichen Gelenkantrieben oder Exzenterantrieben simulieren. Andreas Hahn: „Als Betriebssystem verwenden wir Windows NT 4.0, während die SPS-Module für die digitalen Regler der hydraulische Achsen an den Pressen und die Bedienoberfläche mit dem Visual Studio von Microsoft erstellt werden“. Damit können bis zu zehn Druckregler mit Abtastzeiten von 0,2 ms realisiert werden, aber auch vor bis zu 18 elektrischen Sercos-Achsen pro PC oder 44 elektrischen Rüst- und Servoachsen macht Andreas Hahn nicht halt.
Das kann die Multicurve-Presse
Um die werkzeugbedingten Stillstandzeiten auf den Produktionspressen zu minimieren, müssen die Werkzeuge auf Tryout-Pressen eingefahren werden. Hydraulische Multicurve-Pressen simulieren dazu die Hubverläufe unterschiedlicher mechanischer Pressen. Die Technologie mit ihren geregelten Antrieben ermöglicht es,
– Stößelweg-Zeit-Verläufe der unterschiedlichen mechanischen und hydraulischen Produktionspressen während des Arbeitshubes nachzubilden und
– das Umformverhalten von Großteil-Transferpressen unterschiedlicher Bauarten und Fabrikate zu simulieren.
Die ermittelten Einstellwerte können dann auf Grund des ähnlichen Umformverhaltens in der Produktionspresse ohne viel Anpassaufwand übernommen werden.
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