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Per Du mit Fremdsystemen

service-orientierte strategie: Auch der mittelstand profitiert davon
Per Du mit Fremdsystemen

Neuartig kombinierte IT-Tools verhelfen Unternehmen, schnell auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Der Weg dorthin beginnt bei den Abläufen im Betrieb, die in einem Gesamtprozess zu optimieren sind.

Um kryptische Kürzel ist die Software-Industrie nicht verlegen. Jetzt aber jongliert die Branche mit zwei durchaus einleuchtenden Schlagworten, die in kurzer Zeit die Kommunikation in und über Unternehmen hinaus völlig umkrempeln sollen: Prozesse und Services.

Die Aussichten sind verlockend: Betriebe verschaffen sich damit die Agilität, die in der schnelllebigen Geschäftswelt nötiger denn je sein wird. Voraussetzung ist, dass sie ihre Geschäftsprozesse kennen, sie in Services – eine Abfolge automatisierter Teilprozesse – bündeln und Mitarbeiter wie Zulieferer und Kunden mit standardisierten Internettechniken darauf zugreifen lassen.
Derart adaptive Computerlösungen versetzen sie dann in die Lage, Innovationen wie auch neue Geschäftsmodelle IT-technisch schnell zu unterstützen. Überdies entlastet die konsequente Prozesssicht das Budget, da einmal entwickelte Services sich in unterschiedlichen Zusammenhängen erneut verwenden lassen. Selbst das alte Kernsystem kann überleben, da es über Service-Schnittstellen angesprochen wird.
Wo aber treffen sich Anspruch und Wirklichkeit? Das Gros der Unternehmen, zumal der mittelständischen, ist von diesem Szenario weit entfernt. Gewiss halten sich viele für wendig und flexibel. Doch mit Blick auf die eigene IT-Ausstattung wird deutlich, dass
  • die Systemlandschaft komplex und heterogen und die Wartung dafür teuer geworden ist,
  • Anwendungsstrukturen starr sind,
  • vieles sich funktional überlappt und
  • inhaltlich gleiche Daten mehrfach erfasst und gepflegt werden müssen.
Damit aber fahren die Betriebe im globalisierten Geschäft zunehmend mit angezogener Handbremse. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie künftig „Prozesse bauen, die sich schnell verändern lassen und ebenso schnell ihre Teams unterstützen“, fasst Norbert Schädler die Anforderung zusammen. „Veränderbarkeit“, nennt der IT-Architekt von IBM den Unterschied, „war früher kein Thema, durch Serviceorientierung wird sie es.“
Erstmals erhebt die IT-Welt die Flexibilität zum Design-Prinzip ihrer Produkte. Was bei der Industrialisierung der Fertigungsabläufe in den Fabrikhallen gelungen ist, soll auf die Businessebene übertragen werden: ineinandergreifende, anpassungsfähige Module, die unternehmensweite Geschäftsszenarien automatisieren. Eine IT-Landschaft könnte einst nur noch aus verdrahteten Services bestehen. So viel zur Vision. Realistisches Ziel sind für IBM-Cheftechnologe Professor Gunter Dueck „Computeranwendungen, die in gleicher Machart entstehen und immer und überall zusammenpassen“.
Dieses Legostein-Prinzip erfordert jedoch ein völlig neues Verständnis von Geschäftsprozessen und Integration. Für ihre Überlegungen trommelt die IT-Industrie ebenso kräftig wie für das Grundkonzept: die Service-orientierte Architektur. SOA, so das unvermeidliche Kürzel, wird als die technologische Basis für eine zukunftssichere IT-Infrastruktur gehandelt.
Die großen Hersteller wie SAP mit der Integrationsplattform Netweaver, IBM mit WebSphere oder Microsoft mit BizzTalk Server sind zumindest in den Diskussionen tonangebend. Inzwischen klammert kaum ein Softwareanbieter dieses Thema mehr aus und entwickelt SOA-konforme Lösungen, die sich oft auch auf bestimmten Funktionalitäten beschränken (siehe Kasten S. 27).
Zumindest als Begriff ist SOA nicht neu. Das US-Analystenhaus Gartner Group prägte ihn 1996. Dem Konzept versperrten jedoch rein technologiegetriebene Diskussionen lange den Weg in die Anwenderbetriebe. Jetzt scheint Eile geboten. Um besser und schneller zu sein als der Wettbewerb, muss ein Unternehmen seine Geschäftsprozesse zügig an die Marktbedürfnisse anpassen. Hierfür kauft ein Unternehmen aber keinen SOA-Baukasten. Den gibt es ohnehin nicht von der Stange. Wer aber Prozesse und IT sinnvoll miteinander verbindet, etwa über ein Software-Portal, „gelangt zu einer Lösung, die logischerweise SOA heißt“, kennt Norbert Schädler den Weg aus zahlreichen Referenzprojekten. Als hilfreich für die Umsetzung in den Betrieben sieht der IBM-Experte, dass „man SOA nicht als technisches Thema verstehen darf“. Vielmehr müsse man sich vom technischen Aspekt lösen und in die Prozesswelt hineinschauen.
Genau das hat sich Dr. Erwin Schuster als Aufgabe gestellt. Der IT-Leiter des Maschinenbauers Wittenstein AG aus dem tauberfränkischen Igersheim ist „mit dem Thema SOA mächtig unterwegs“. Dabei hält Schusters Equipment den Ansätzen einer SOA-Architektur noch nicht stand, welche sich an Services orientiert. Wie alle Mittelständler, hat auch der Hersteller von Antriebssystemen eine gewachsene IT-Landschaft, die sich aus vielen Teillösungen zusammensetzt. Mit diesen und dem Baan-ERP als Kernunternehmenssystem sieht sich der IT-Chef gut aufgestellt. Doch innerhalb der Gesamtlösung könnten neu angeschaffte Systeme, an sich hochmodern und flexibel, nicht die Performance bieten, die möglich und auch erforderlich wäre.
Diese Begrenzung ist für Schuster Grund genug, den Hebel nicht an der Technologie anzusetzen, damit die Wittenstein-IT ihre Potenziale besser ausschöpfen kann. „Der Kern liegt in der Prozessthematik“, begründet Schuster, „wo wir weit vorangeschritten sind.“ Für ihn ist es wichtig, sich ein Bild über die Prozesse zu machen, diese zu dokumentieren und ihre Flexibilitätspunkte und -grenzen zu kennen. Bei diesen Prozessthemen sieht Schuster die Wittenstein AG auf gutem Weg. Überhaupt sei es „eine Kunst, Einzelprozesse oder Prozessteile zu einem Gesamtprozess zu kombinieren“. Zu einer Prozess-Analyse gehört es seiner Meinung nach auch, die Informationsflüsse und Services in den Prozessen zu identifizieren.
Derzeit befasst sich seine Abteilung damit, die Information-Services aufzusetzen. Kommen neue Anwendungen hinzu, werde versucht, sie serviceorientiert anzugehen. Informations-Services sind im Wesentlichen betriebswirtschaftliche Services – „Entkopplungspunkte“, die Informationen aus Prozessen oder aus Prozess-Schritten aufbereiten. Diese Informationsentkopplung geschieht zunächst unabhängig und ohne Beachtung oder Kenntnis der enthaltenen Daten im realen IT-System.
Die Frühphase einer serviceorientierten IT-Strategie setzt noch keine Anwendungsplattform à la Netweaver, WebSphere & Co. voraus. Schusters Tipp: „Nicht gleich technisch umsetzen, konzeptionell reicht vorerst aus. Danach kann man sich die Plattform aussuchen.“ An diesem Punkt steht der IT-Leiter inzwischen. Für das kommende Jahr plant er die Prototypenphase seiner serviceorientierten Infrastruktur, 2008 will er produktiv gehen. Noch aber fehlt ihm eine SOA-konforme Integrations- und Anwendungsplattform, die den Anforderungen mittelständischer Anwender genügt. Deren Integrationsbedarf lässt sich nun mal nicht vergleichen mit den Ansprüchen von Konzernen oder größeren Organisationen. An diesen aber orientieren sich viele Integrationsplattformen (EAI; Enterprise Application Integration) – ein Grundbaustein, der das SOA-Thema antreibt.
Von der Technik her hält Erwin Schuster eine EAI-Komponente als Teil einer SOA-Strategie auch für den Mittelstand für notwendig. Allerdings sieht er nicht nur in der Investition eine Hürde. „Es braucht auch einen Schwellwert. Wer zehn Schnittstellen programmiert, hat keinen Grund, dazwischen eine EAI-Plattform einzusetzen“, benennt Schuster den Knackpunkt. Als sehr ärgerlich empfindet es der Wittenstein-IT-Chef, dass es „keinen Anbieter gibt, der eine SOA-Lösung für den Mittelstand aus einem Guss liefert“.
Dennoch steht für ihn fest: „Wer die Produktankündigen der Hersteller passiv abwartet, setzt auf das falsche Pferd“, warnt Schuster. Dann würden weder Prozesse noch ein Bild über Services und das Informationsmanagement existieren. Und dass die dann getroffene Produktentscheidung besser sei, bezweifelt er stark.
SOA – ein Kürzel elektrisiert die IT-Welt
Konzeptionell umsetzen reicht anfangs aus

Groß denken, klein starten

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Auf den Dreh, Daten als Objekte mit Stammbaum speichern zu können, kam Rolf Lang, als er sein Wissensmanagementsystem mit einer Oracle-Datenbank unterstützte. Damit, so der Geschäftsführer der agorum GmbH, lassen sich „objektisierte“ Daten zu dem aufbereiten, was die IT-Szene derzeit bewegt: automatisiert ablaufende Prozesse, die zu Services gebündelt werden und sich immer wieder verwenden lassen. „Diesen Gedanken verfolgten wir früh, aber noch nicht im Sinne einer Service-orientierten Architektur“, sagt Lang. Sein selbst entwickeltes Filesystem speichert auch die Historie. Diese wird zum Rettungsanker, wenn Daten versehentlich gelöscht wurden. Sie lassen sich selbst dann rekonstruieren, wenn der Verlust später bemerkt wird. Für punktuelle Funktionalitäten wie diese nutzt agorum die Servicefähigkeit des SOA-Konzepts: Etwa in E-Mails einen Web-Link auf das gewünschte Objekt setzen, statt ein hochvolumiges Dokument anzuhängen. Auch ein Faxablauf lässt sich als Service aufbereiten und mit der IT verknüpfen. Vorteile für den Anwender: weniger Aufwand, geringere Wartungskosten. „Groß denken, klein starten“, empfiehlt Lang seinen Kunden. So könne sich jeder für eine langfristige SOA-Strategie wappnen. Als Softwerker, der in der Lage ist, Prozesse servicefähig zu machen, sehen sich die Ostfilderer gut gerüstet. Künden soll davon auch ihr Logo „SOA ready“. dk

„Ein Mittelständler macht sich über Architektur keinen Kopf“

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Nachgefragt

Ist serviceorientierte IT für den Mittelstand denn relevant?
Kleine und mittlere Firmen müssen das Thema anders bewerten als große. Denn SOA ist ein Managementkonzept. Es gilt, eine Architektur aufzubauen und die Funktionalitäten entsprechend zuzuschneiden, damit sie über Web Services aufgerufen werden können. Solch tiefgehende technische Überlegungen stellen Mittelständler nicht an, sie wollen einfach nur anwenden, wie sie es bei Software gewohnt sind.
Eher treiben Geschäftsanforderungen sie dorthin?
Wer etwa eine Supply Chain beliefert, kommt nicht darum herum. Er sitzt wie eine Spinne im Netz und muss verschiedene Kanäle bedienen – und nicht nur eine einfache EDI-Schnittstelle für den Informationsaustausch. Zulieferer müssen ihre Prozesse nach außen hin öffnen, Bestände anzeigen oder schnell auf Angebotsabgaben reagieren.
Und dafür eignet sich die SOA-Infrastruktur besser als herkömmliche IT-Konzepte?
Ja, der automatische Ablauf solcher Prozesse erfordert per se Servicetechnologie. Natürlich macht sich ein Mittelständler über diese Architektur keinen Kopf. Er hat einfach Bedarf, seine Prozesse mit denen seiner Abnehmer zu verbinden.
Wie vermitteln Sie dieses Thema Ihren KMU-Mitgliedern, wenn diese andere Anforderungen als die Großen haben …
… aber fast genau so viele. Das ist ja die Krux. Der Mittelstand braucht fast alles, was ein Großer auch hat, nur im kleineren Maße, mit kleinerem Team zu betreuen und mit geringerem Budget. Diese Quadratur des Kreises gilt es zu lösen. Man muss dafür die großen Funktionalitäten des Softwarepakets besser nutzbar machen, um es schneller implementieren zu können. Das ist früher nicht gelungen. Genau das könnte jetzt bei der neuen SOA-Mittelstandslösung der SAP funktionieren. Die bislang bekannt gewordenen Einstiegs- und Betriebsszenarien lassen das vermuten, bei gleichzeitig großem Funktionalitätsumfang. dk

kosteneffizienz
Flexible Informationstechnik eröffnet neue Geschäftsmodelle. Michael Wolf, als Vorstand der Nürnberger Rudolf Wöhrl AG auch für die IT zuständig, optimiert mit Hilfe von Service-orientierten Anwendungen (SOA) die Prozesse der Waren-, Informations- und Zahlungsflüsse – und will damit „schneller, und flexibler werden, die Lieferkette professionalisieren und die Kosten senken“.

Dynamik ab 2008
Betrieb und Wartung der IT sind oft zu teuer. Zudem sind die Systeme nicht flexibel genug, wenn Märkte sich ändern. Wer diese Mängel derzeit abstellen will,
  • konsolidiert seine IT-Landschaft,
  • forciert das Geschäftsprozessmanagement und
  • treibt Integrationsprojekte voran.
Dies hat eine Umfrage der Experton Group AG, Ismaning, bei deutschen Unternehmen ergeben.
Um heterogene Lösungen zu integrieren und die Anwendungslandschaften zu optimieren, gilt unter den Verantwortlichen eine Service-orientierte Architektur (SOA) derzeit als effizientester Ansatz. Jedoch sind erst 10 % der Unternehmen dabei, eine SOA einzuführen. Dennoch zeichnet sich laut Umfrage ab, dass dieses Konzept mittel- bis langfristig seinen festen Platz auf der Architektur-Agenda der Firmen einnehmen wird. Unter anderem in der prozessorientierten Fertigung erwartet die Experton Group in den kommenden zwei Jahren eine besondere SOA-Dynamik.
Dabei würde die überwiegende Zahl der hiesigen Firmen einen evolutionären Weg einschlagen. „Die meisten steigen mit taktischen Vorhaben in die SOA-Thematik ein“, erläutert Experton-Analyst Matthias Zacher. Früher hätten einige Betriebe in Projekten Strukturen geschaffen, die den Weg zu einer SOA vorgezeichnet oder begünstigt hätten, ohne dass dies vorher explizit geplant worden sei.
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