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Politischer Druck lockt das Sparschwein heraus

Energiesparen: Technisch kein Problem, nur am willen hapert es
Politischer Druck lockt das Sparschwein heraus

Politischer Druck lockt das Sparschwein heraus
Gut geplant wäre schon gespart: Wie schnell sich die Investition in einen energiesparenden Antrieb amortisiert, zeigen heute Programme der Hersteller Bild: Siemens
Veraltete oder schlecht ausgelegte elektrische Antriebe verschwenden heute im industriellen Einsatz die meiste Energie. Die Politik drängt die Hersteller, daran etwas zu ändern. Diese aber sehen Handlungsbedarf vor allem bei den Maschinenbetreibern.

„Energie ist wohl doch noch zu billig“, resümierte auf der Nürnberger Messe SPS/IPC/Drives ein Aussteller. Wie sonst ließe es sich erklären, dass die Möglichkeiten zum Energiesparen, die moderne Antriebe bieten, noch so wenig genutzt werden?

Antworten und Einflussfaktoren gibt es viele. Am Ende ihrer Ausführungen landen alle Experten am selben Punkt: Solange Maschinenbetreiber über steigende Energiekosten schimpfen, sich beim Kauf einer Anlage aber kaum um Betriebskosten kümmern,liegen die Potenziale der Antriebstechnik brach.
Dr. Martin Doppelbauer, Entwicklungsleiter für den Bereich Motoren bei der Bruchsaler SEW-Eurodrive GmbH & Co. KG, bedauert, dass sich auf diesem Gebiet nirgends ein Sinneswandel abzeichnet. „Es wird sich wohl erst dann etwas ändern, wenn Gesetze dies erzwingen“, vermutet er.
Ein bisschen Unterstützung seitens der Politik wäre aus Sicht der organisierten Hersteller ausdrücklich erwünscht, wie Günter Baumüller, Vorstandsmitglied des ZVEI-Fachverbandes Automation, auf der Nürnberger Messe deutlich machte. Wenn es politisch gewollt sei, dass mehr energiesparende Antriebe eingesetzt werden, müsse das „durch zusätzliche Maßnahmen wie finanzielle Anreize und verstärkten politischen Druck auf die Nachfrageseite unterfüttert werden“. Wenn sich die Politik auf die Anbieter konzentriere, helfe das nicht weiter. „Das Mindeste“, so Baumüller, „ist ein höherer Druck auf die Endkunden, in Kaufentscheidungen auch die Life-Cycle-Costs einzubeziehen.“ Was die Erfolgsaussichten solcher Maßnahmen angeht, zieht er den Verglich zu Pkw, bei denen sich der Blick auf den Treibstoff-Verbrauch letzten Endes durchgesetzt habe.
Dass in der elektrischen Antriebstechnik, die in der Industrie eingesetzt wird, besonders viel Sparpotenzial steckt – erheblich mehr als in Hausgeräten oder Leuchten und Lampen – haben Studien schon gezeigt. In Deutschland verbrauchen die elektrischen Antriebe jedes Jahr überflüssigerweise rund 27 Mrd. kWh – was der Kapazität von elf Kraftwerksblöcken der 400 MW-Klasse entspricht, wie der ZVEI mitteilt.
Um das zu ändern, bietet die Technik verschiedene Möglichkeiten. So lassen sich die heute verfügbaren Ansätze für energiesparende Antriebssysteme in Gruppen bündeln:
  • Für den Dauerbetrieb sind spezielle Energiesparmotoren in Kupfertechnologie auf dem Markt.
  • Wenn der Motor nicht immer unter Volllast oder bei voller Drehzahl laufen muss, kann ein Umrichter seinen Stromverbrauch regulieren und damit erheblich senken.
  • Das Rückspeisen von Bremsenergie ins Netz ist möglich.
  • Das Optimieren des Gesamtsystems im Hinblick auf die Betriebskosten wird in Broschüren und auf Kongressen beschrieben sowie als Dienstleistung angeboten.
Wie sich ein Teil dieser Potenziale nutzen lässt, erforschen Experten im Auftrag der EU derzeit für einzelne Produktgruppen, darunter Motoren von 1 bis 150 kW sowie bestimmte Wasserpumpen und Lüfter. Ihre Erkenntnisse sollen die Basis für erste feste Regeln werden: Bis zum 11. August 2007 muss die Richtlinie über die Energy Using Products (EUP-Richtlinie) in nationales Recht umgewandelt werden.
Europa würde damit keine Vorreiterrolle übernehmen. „Es gibt Länder, die uns als Vorbilder dienen können“, sagt Motorenexperte Doppelbauer. Die USA hätten in Abstimmung mit dortigen Verbänden „eine gute Regelung mit Augenmaß“ gefunden, die den Betreibern von Maschinen und Anlagen Energiespartechnik vorschreibt, vernünftige Ausnahmen aber zulässt. Wie man es nicht machen sollte, zeige hingegen Australien, das grundsätzlich den Einsatz von Energiesparmotoren vorsieht. „Das würde zwar den Umsatz für unsere Produkte steigern“, meint Doppelbauer. „Die Vorschrift schießt aber über das Ziel hinaus, weil ein Energiesparmotor im Schaltbetrieb praktisch keine Einsparung bringt und im Einzelfall sogar mehr Energie verbrauchen kann.“
Bisher aber gibt es keine klaren Regeln, und die im ZVEI organisierten Antriebshersteller vertrauen darauf, dass „freiwillige Maßnahmen und Information“ Wirkung zeigen. Aber selbst wenn Entwickler und Konstrukteure die Potenziale der Antriebe erkennen, ist damit noch kein Maschinenbetreiber überzeugt, dass sich der Mehrpreis für eine Energiesparausrüstung lohnt. Der Markt sei noch nicht reif für Baureihen auf der Schiene der niedrigen Energiekosten, fürchten manche, und Varianten mit und ohne Umrichter bedeuten für Konstruktion und Fertigung mehr Aufwand. Trotz dieser Ressentiments gibt es aber Beispiele dafür, dass sich der Einsatz energiesparender Technik lohnt. Sobald die Energiekosten weiter steigen, könnten sie für neue Projekte Vorbildcharakter bekommen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Serie Energiesparen
Wie neue Antriebskonzepte die Kosten reduzieren, zeigt die Industrieanzeiger-Serie Energiesparen:
  • Heft 5-6: Sparpotenziale in der Fördertechnik
  • Heft7: Energieeffiziente Systeme in Industrie und Gewerbe
  • Heft 12: Eff1-Motor armortisiert sich nach kurzer Zeit
  • Heft 14: Energiesparen aus Sicht der Maschinenbauer

  • „Freiwillig dauert es länger“

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    nachgefragt

    Herr Baumüller, Sie fordern mehr politischen Druck in Richtung Energiesparen. Wie könnte der aussehen?
    Wenn es darum geht, Sparpotenziale im Altbestand schnell zu heben, können das die Antriebsanbieter allein nicht stemmen. Wir können aber niemanden zwingen, sondern setzen weiterhin auf freiwillige Maßnahmen. Bei rund zehn Millionen Antrieben, die für Austausch oder Retrofit-Maßnahmen in Frage kommen – das ist ein Drittel des Bestandes – wirken sich freiwillige Maßnahmen aber zugegebenermaßen erst langfristig aus. Wie eine Alternative aussehen kann, die schneller zum Erfolg führt, würden wir gerne gemeinsam mit den Beteiligten diskutieren.
    Wer berechnet dann die Lebenszykluskosten?
    Es sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein, die Lebenszykluskosten energieverbrauchender Anschaffungen zu berücksichtigen. Dafür gibt es einfache, übersichtliche und vor allem kostenlose Programme. Und die so reduzierten Energiekosten übertreffen die höheren Planungskosten um ein Vielfaches. op

    Kosteneffizienz
    Maschinenbetreiber können sich einen Teil der Energiekosten vom Hals schaffen, wenn sie sich mit dem Maschinenbauer auf eine Diskussion über energiesparende Lösungen einlassen. Energiesparende Produkte verursachen zwar höhere Investitionskosten. Wer aber auf mehr als zwei Jahre hinaus plant, profitiert von niedrigen Betriebskosten.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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