Zurzeit verbessern viele Maschinenbauer ihre mechanischen Konzepte, um die Möglichkeiten der Linearmotoren auszureizen. Stuttgarter Forscher denken schon weiter und testen, was Steuerungstechnik aus der Luft- und Raumfahrt in Werkzeugmaschinen bringen könnte.
Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Die Antriebstechnik hat in den vergangenen Jahren Riesensprünge gemacht und stellt Werkzeugmaschinenbauer vor die Herausforderung, ihre mechanischen Konzepte an die neuen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen anzupassen. „Das ist im Moment die Hauptbaustelle in den Unternehmen“, sagt Bernd Wiener, Geschäftsführer des Zentrums für Fertigungstechnik Stuttgart (ZFS).
Dass sich jedoch auch in verbesserten Regelungstechniken Potenziale verbergen, kann ZFS-Mitarbeiter Ruprecht Altenburger heute schon belegen. Er betreut den Teil des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projektes Effendi (s. Kasten), in dem es um neue Regelalgorithmen für Direktantriebe geht. „An unserem Prüfstand mit zwei Linearmotoren in Gantry-Bauweise habe ich gezeigt, dass man fünf bis zwanzig Prozent der Energie für den Motor sparen kann, wenn man spezielle Algorithmen verwendet“, berichtet der Diplom-Physiker.
Diese Algorithmen ermöglichen eine Mehrgrößenregelung und berücksichtigen, in welchem Ausmaß sich mehrere Achsen gegenseitig beeinflussen. Vergleichbar reagierende Regelsysteme werden heute bereits in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt. „Der Standard in Werkzeugmaschinen ist jedoch eine isolierte Eingrößenregelung“, sagt Altenburger.
Die Abstimmungsvorgänge verbessern aber die Leistung des Antriebs. Wenn beispielsweise zwei Linearmotoren parallel verfahren und an einem von beiden Störkräfte auftreten, würde der zweite mit den bisherigen Regelverfahren einfach gegenhalten. Beim Prinzip der Mehrgrößenregelung hingegen ist es möglich, den Einfluss der anderen Achse zu berücksichtigen und so den Stromverbrauch den tatsächlichen Bewegungen in der Maschinen anzupassen.
Auch Schwingungen, die aus ungleichmäßigen Bewegungen resultieren, lassen sich dämpfen, wenn in einem gemeinsamen Regler die Informationen zu allen Achsen vorliegen. „Diese Beobachtungen lassen sich sicherlich vom Prüfstand auf die Maschine übertragen, wenn auch vielleicht nicht ganz so ausgeprägt“, fasst Altenburger zusammen.
Bis er diese Annahme beweisen kann, muss er wohl noch eine Weile warten. Denn neben Standardkomponenten für Führung, Motoren und Messsystem ist die Steuerung im Prüfstand eine Besonderheit: Sie wurde vom Stuttgarter Projektpartner ISG GmbH geliefert, der sich auf Steuerungen mit offenen Reglerstrukturen spezialisiert hat. In diese musste der Forscher eingreifen, um die Regelung zu optimieren. Bei marktüblichen Steuerungen hingegen kommt nur der Hersteller an die Reglerstrukturen, während der Anwender lediglich Parameter einstellt. „So muss der Anwender zwar weniger wissen “, sagt Altenburger – die Verbesserungsmöglichkeiten entgehen ihm allerdings. Daher wächst allmählich der Druck auf die Hersteller, Steuerungen mit offenen Strukturen anzubieten.
Für Sondermaschinenbauer könnten die Erkenntnisse der Stuttgarter laut Wiener besonders interessant sein. „Wenn der Maschinenbauer alle konstruktiven Aspekte ausgereizt hat, könnte er sich mit dem Endkunden an die Potenziale in der Reglerstruktur wagen.“
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