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Praxisreife Innovationen geben Mittelstand Impulse

Marktorientierte Forscher im Dialog mit der Wirtschaft
Praxisreife Innovationen geben Mittelstand Impulse

Die Aussteller aus Wissenschaft und Forschung nutzen den Innovationsmarkt in Halle 18 und angrenzende Fachhallen zur Präsentation zukunftsorientierter Lösungen. Marktreife Exponate sollen helfen, das Know-how zügig in die Praxis zu transferieren.

Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser – dietmar.kieser@konradin.de

Professor Hans-Jörg Bullinger bringt den Vorteil angewandter Forschung auf einen Nenner: „Man kann relativ kurzfristig die Ergebnisse sehen“, weiß der designierte Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. Mit ihrer Orientierung stehen die Münchener Auftragsforscher nicht allein in der deutschen Innovationslandschaft. Auch in Universitäts- und Fachhochschulinstituten hat der zügige Wissens- und Technologietransfer inzwischen System.
Der Wirtschaft den Zugang zum Innovationswissen zu erleichtern und die eigene Leistungsfähigkeit zu dokumentieren – mit dieser Vorgabe reisen auch dieses Jahr wieder zahlreiche Wissenschaftler als Standbeschicker nach Hannover. Allein die Forschungshalle 18, inzwischen zu einer Institution der hannoverschen Leistungsschau geworden, beherbergt mehr als 600 Aussteller aus 15 Nationen. Zahlreiche Innovatoren wie etwa die Fraunhofer-Forscher sind zudem in den angrenzenden Fachhallen präsent, um inmitten des Produktmarktes die Vorläufer neuer industrieller Lösungen zu demonstrieren.
Die Fachmesse Research & Technology proklamiert der Veranstalter, die Deutsche Messe AG, als weltweit größten Markt für neue Technologien und innovative Dienstleistungen. Auf rund 10 000 m² präsentieren die 600 Aussteller den aktuellen Stand ihrer Forschungsergebnisse aus den Bereichen neue Materialien, optische Technologien, Nano- und Biotechnologie, Energie- und Umweltforschung, Industrieautomatisierung, Mikrosystemtechnik sowie Neurowissenschaften und Luft- und Raumfahrt. Auf Gemeinschafts-ständen organisierte Sonderpräsentationen geben einen Überblick über zukünftige Schlüsseltechnologien (siehe Seite 138 dieser Ausgabe).
Eine Arbeitsgruppe der Universität Erlangen-Nürnberg (Halle 18, Stand H11) hat erreicht, wovon viele träumen: mit einem Partner die eigene Innovation zu vermarkten. Im Vorjahr entschlossen sich Wissenschaftler des Lehrstuhls für Optik zur Ausgründung und riefen die 3D-Shape GmbH ins Leben. In Hannover treten die Erlanger mit ihrem Programmpaket Slim 3D an. Die Software bereitet Daten optischer 3D-Messsysteme auf für den Einsatz bei Reverse Engineering, Virtual Reality oder Rapid Prototyping. Mit Slim 3D lassen sich Tiefenbilder verschiedener Objektansichten zueinander ausrichten und vollautomatisch in eine geschlossene Oberflächenbeschreibung umwandeln. Bei der Aufnahme kann der Sensor beliebig um das Objekt herum platziert werden. Dies vermeidet Datenausfälle, die bislang durch Verdecken und Abschatten verursacht wurden. Das Ergebnis soll sich als Dreiecksnetz verschiedener Datenformate exportieren lassen, etwa DXF (Autocad) OBJ (Wavefront) oder STL (Stereolithographie).
Mit cleverer Software behelfen sich auch Werkstoffwissenschafter der TU Dresden (Halle 18, Stand M16). Ihr an der Fakultät für Maschinenwesen entwickeltes Programm soll es Konstrukteuren ermöglichen, einen passenden Werkstoff in wenigen Sekunden auszuwählen. Bislang war dies angesichts der rund 58 000 heute bekannten Materialien oft zeitraubend. Die TU-Lösung erfordert lediglich die Eingabe der Daten zur Belastungsart (etwa unterschiedlich wirkende Kräfte, Druck oder Biegung), Daten zu den Umgebungsbedingungen (beispielsweise Temperatur oder Korrosion) sowie zu Einschränkungen (maximale Größe oder Masse des Bauteils). Bereits Sekunden später, so heißt es, soll der Rechner mehrere geeignete Werkstoffe benennen.
Eine anwendungsorientierte Themenpalette präsentieren auch Institute der Universität des Saarlandes (Halle 18, Stand D13). Dabei rücken die Forscher die Nanotechnologie in den Vordergrund. Ein Team um Prof. Rolf Clasen zeigt, wie aus nanoskaligen Pulvern komplizierte Sinterteile hergestellt werden können.
Die Sintertechnik hat den Vorteil, dass im Falle von Glasformkörpern die Prozesstemperatur gegenüber der Schmelztechnologie drastisch gesenkt werden kann. Dabei lassen sich auch spezielle Keramiken teilweise transparent herstellen. Zudem soll es möglich sein, komplexe Formteile in fast endmaßnaher Abmessung zu fertigen. Dass Nanobauteile mittels heutiger Elektronenstrahl-Lithographie-techniken hergestellt werden können, beweist Prof. Tim Salditt. Ihren Einsatz finden solche neuen röntgenoptische Bauteile beispielsweise in kombinierten Röntgen-/Halbleiterbauelementen oder nanometergenauen, zerstörungsfreien Prüfverfahren.
Mit Hilfe von Nanostrukturen lassen sich Oberflächen funktionalisieren. Viele innovative Anwendungen basieren auf dieser Methode. Wissenschaftler der Universität Essen (Halle 18, Stand M12) zeigen in Hannover Wege auf, um Oberflächen im Nano-Bereich einfach und kostengünstig zu strukturieren. Auf dem NRW-Gemeinschaftsstand präsentieren sie einerseits, wie sich Strukturen durch Prägen übertragen lassen. Dabei ermöglicht die hohe Härte des eingesetzten Aluminiumoxids die Strukturübertragung auf Metalle, Polymere und auf Sol-Gel-Schichten. Derart strukturierte Oberflächen sollen verbesserte Eigenschaften zeigen, beispielsweise optisch transparenter sein. Eine weitere Möglichkeit ist es, Verschleiß zu mini- mieren: Rostfreie Stäbe werden in konzentrierter Schwefelsäure elektrolytisch behandelt, bis sich eine Kombination aus Mikro- und Nanostruktur auf ihnen bildet. Sie soll vorteilhaft sein im Gleitreibungskontakt mit selbstähnlichen Werkstoffen, da Verschleißpartikel in der Struktur gefangen werden können.
Mit der Herstellung von Schichten, die vor Korrosion und Verschleiß schützen, befassen sich auch Forscher der FH Gelsenkirchen (Halle 18, M12). Das Auftragen der Schichten unterstützt ein PC-basiertes Hochgeschwindigkeitsflammspritzverfahren. Mit Ultraschallgeschwindigkeit werden aufgeschmolzene Pulverpartikel auf die Bauteile geschleudert, wodurch dichte, gut haftende Spritzschichten entstehen sollen. Wie es heißt, lassen sich damit Turbinenschaufeln, aber auch Walzen und Rührer wirksam schützen.
Hohe Ansprüche an lackierte Oberflächen stellt die blechbearbeitende Industrie, allen voran die Automobilbranche. Formteile aus Feinblech werden in hoher Stückzahl bei kurzen Taktzeiten auf großen Umformmaschinen hergestellt. Doch durch falsch eingestellte Prozessparameter, aber auch Schmutz oder Verschleiß auf den Presswerkzeugen, kommt es immer wieder zu fehlerhaften Bauteilen. Oft werden manuelle Verfahren zur Qualitätssicherung eingesetzt, und durch lange Prüfzeiten sind nur Stichproben möglich. Abhilfe schafft jetzt ein Messsystem der Universität Hannover (Halle 18, Stand O03). Die Innovation des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) ermöglicht es, die Qualität dieser Bauteile automatisch zu prüfen. Ihr neues Verfahren zum Digitalisieren von Freiformflächen arbeitet nach dem Prinzip der optischen Triangulation mit strukturierter Beleuchtung. Eine CCD-Zeilenkamera dient als bildgebender Sensor. Die gewonnenen Daten werden anschließend analysiert und lassen Beulen automatisch erkennen. Um die Messergebnisse anschaulich darzustellen, werden sie dreidimensional analysiert. Das Verfahren soll große Flächen mit hoher Genauigkeit schnell erfassen. Dies ermögliche es, alle Bauteile einer Serie zu kontrollieren, wodurch Qualitätsveränderungen schon in der Tendenz erkannt werden könnten.
In puncto Qualität haben auch Aussteller der TU Ilmenau (Halle 18, Stand O15) einiges zu bieten. Forscher des Instituts für Präzisionstechnik und Automation prüfen mit ihrer Anlage Uniline die Oberflächen extrudierter Rundrohre in der Fertigung. Drei CCD-Kameras erfassen das Rohr ganzseitig und kontrollieren die Oberflächen auf Dellen, Blasen, Risse oder Farbfehler. Eignen soll sich die Anlage für Durchmesser von 9 bis 32 mm und von 40 bis 110 mm.
Produkte automatisch zu identifizieren, dieser Aufgabe stellen sich Mitarbeiter des Lehrstuhls für Technische Informatik der RWTH Aachen (Halle 18, Stand M21). Ihr Axiom-System erkennt dreidimensionale Objekte, die sich in einer beliebigen Lage befinden können. Beispielsweise soll es möglich sein, vor dem Bestücken eines Sortimentskastens zu prüfen, ob die Zusammensetzung der Vorgabe entspricht, ohne dass dafür eine aufwendige Vereinzelungsanlage erforderlich ist. Axiom arbeitet mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz. Nach Ansicht seiner Entwickler geht das System ähnlich vor wie der Mensch: Eine Kamera erfasst Bilder und lokalisiert daraufhin zunächst die vorhandenen Objekte. Sodann wertet es Eigenschaften wie Farbe, Form und Materialbeschaffenheit aus und versucht, aus den Bildern auf 3D-Eigenschaften zu schließen. Die ermittelten Merkmale vergleicht es mit den vorher gelernten Referenzdaten. Aus dem Vergleichsergebnis bestimmt Axiom dann die im Bild gezeigten Objekte.
Um menschliche Fähigkeiten auf Maschinen zu übertragen, legen sich auch Roboterforscher ins Zeug. Wissenschaftler des Fraunhofer IPA (Halle 17, Stand E34) aus Stuttgart trimmen eiserne Produktionshelfer darauf, mit ihrem natürlichen Vorbild Hand in Hand zu arbeiten. Gerade beim Herstellen varientenreicher Kleinserien soll das gemeinsame Agieren Produktivität und Flexibilität steigern. Wie die direkte Mensch-Roboter-Kooperation aussehen kann, zeigen die Stuttgarter zusammen mit dem Berliner IPK in der Versuchsanlage Team@work erstmals in Hannover.
In der Praxis arbeiten Menschen und Roboter aus Sicherheitsgründen strikt voneinander getrennt. Damit beide nebeneinander hantieren kön- nen, haben die Forscher ein intelligentes Überwachungssystem entwickelt: Kameras behalten Roboter und Werker im Auge und melden Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung der exponiertesten Punkte an ein Regelungssystem. Dieses ermittelt mit einer neuen Software den jeweils kürzesten Abstand zwischen ihnen. Dieser wird mit einem sicherheitstechnisch zulässigen Abstand verglichen, der von der aktuellen Situation abhängt, aber auch von Größen wie Brems- und Not-Aus-Verhalten des Roboters. Ziel ist die Entwicklung eines Montagesystems, das einfach zu erweitern und produktneutral aufgebaut ist. Es soll zudem ein breites Spektrum von Arbeitsinhalten pro Station ermöglichen und den stetigen Wechsel von manuellen und automatischen Tätigkeiten erlauben.
Damit Unternehmen auch logistisch optimal arbeiten können, fächern Forscher des Dortmunder Fraunhofer IML (Halle 19, Stand B06) ihr Innovationsspektrum auf. Technisches Highlight soll ein Drehsorter sein, der die steigenden Anforderungen an die Schnelligkeit der Abläufe in der Warenverteilung unterstützt. Wie es heißt, spart er wertvollen Raum bei gleichzeitig hoher Sortierleistung. Anhand des vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Forschungsprogramms MyWMS wird gezeigt, wie ein Lagerverwaltungssystem mit einem Ware- housemanagement-System (WMS) schrittweise integriert werden kann, um zu einem neuen Standard zu kommen. Überdies haben die Forscher mit Warehouse-Logistics eine Initiative gestartet, die Unternehmen einen Überblick über aktuell am Markt angebotene Warehousemanagement-Systeme verschafft. Nutzer könnten über Best-practice-Vergleich zu der für sie richtigen Lösung gelangen, heißt es.
Trend zu elektronischen Dienstleistungen: Forscher erweitern mit Service ihr Terrain
Auch beim marktgerechten Entwickeln von Dienstleistungen sind Forscher aus Hochschulen und Instituten mit von der Partie. Gerade in der Automatisierungstechnik markiert der Einsatz von Internet-Technologien den Trend zu E-Services: Teleservice, Fernprogrammierung und das Visualisieren von Prozessdaten mit Web-Browsern sind Beispiele.
Derartige Applikationen zu entwickeln, erfordert umfangreiche IT-Kenntnisse. Abhilfe schaffen will das Competence Center „IT in Automation“, das an der FH Köln, Campus Gummersbach, (Halle 18, Stand M12) in Kooperation mit der Siemens AG aufgebaut worden ist. In Hannover zeigen die Wissenschaftler
– mit Control-Net webbasierte Lernsysteme und Online-Praktika für die Ingenieurausbildung,
– mit Web Mation ein System, das Prozess- und Maschinendaten per Browser visualisiert sowie
– Teleservice und -control via SMS-Nachrichten, wobei auf Prozessdaten mittels Mobiltelefon zugegriffen wird.
Service rund um die Rapid-Tooling-Verfahrenskette bietet das Institut für Maschinenwesen der TU Clausthal (Halle 18, Stand O03). Rapid Tooling bezeichnet das Herstellen von Werkzeugen – überwiegend das Lasersintern von Formen, mit den Methoden des Rapid Prototyping. Die Clausthaler haben in vielen Fällen das Herstellen von Formen durch direktes Lasersintern untersucht. Der Industrie bieten sie ihr Know-how in puncto Forschung und Entwicklung an. Zudem schulen und beraten sie interessierte Firmen und konstruieren und fertigen lasergesinterte Bauteile auf der institutseigenen Rapid-Tooling-Anlage.
Das Labor für Elektrische Energietechnik an der FH Aachen/ Jülich (Halle 18, Stand M12) erbringt Dienstleistungen für die Antriebstechnik. Auf der Messe zeigen die Forscher die Resultate einiger Projekte, beispielsweise einen resonant betriebenen Linear-Direktantrieb für eine Pumpe und einen Linearantrieb für Werkzeugmaschinen. Für die Pumpe wurde ein Schwingantrieb entwickelt. Dabei bildet ein bewegter Antriebsmagnet mit zwei stehenden Dauermagneten eine magnetische Feder. Auf diese Weise werden keine mechanischen Federelemente benötigt. Indem die Forscher Elektroblech und Verbundwerkstoffe in den Jochbauteilen des Motors kombinierten, konnten sie den Angaben zufolge die Fertigungskosten und die Verluste minimieren. dk
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