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Prozessüberwachung minimiert Ausfallrisiko

Wie ein Zulieferer seine Fertigungsprozesse absichert
Prozessüberwachung minimiert Ausfallrisiko

Mit einer konsequent vorangetriebenen Strategie zur Automation hat es ein sächsischer Zulieferer geschafft: Er gehört als Mittelständler zur Spitze im schwierigen Terrain der Automobilzulieferung.

Tom Teiner und Michael Tobias sind freie Journalisten in Düsseldorf

Sind die neuen Bundesländer auch zehn Jahre nach der Wende weniger produktiv? „Davon kann gar keine Rede sein.“ Franz Josef Weigl muss es wissen. Er hat die sächsische Sysma Antriebstechnik GmbH in wenigen Jahren zu einem der modernsten Automobilzulieferer Europas gemacht. „Unsere Ost-Betriebe sind weiter als viele im Westen“, so der 41-jährige Unternehmer aus dem bayerischen Pöttmes.
Als Spezialist für Getriebeteile beliefert Sysma vom sächsischen Glauchau aus heute Top-Konzerne wie ZF, VW oder GM. Jüngstes Beispiel: Die Partnerschaft mit GM Strasbourg. Für das Unternehmen in Frankreich produziert Sysma neuerdings Antriebswellen (output shafts), die in Automatikgetrieben von BMW eingesetzt werden.
Ohne eine für die Branche eher ungewöhnliche Partnerschaft hätte der 1991 privatisierte Betrieb die Wende wohl nicht überlebt. Nach Konkursturbulenzen war im Frühjahr 1996 die westdeutsche Weigl-Gruppe unter Führung von Franz Josef Weigl eingestiegen. Vor allem aber hielt Großkunde ZF Friedrichshafen, immerhin weltgrößter unabhängiger Spezialist für Antriebs- und Fahrwerktechnik, den Sachsen die Treue.
„Das war“, so der heutige Sysma-Manager, „der ausschlaggebende Faktor, dass es uns heute überhaupt noch gibt. Ein Grund war natürlich auch, dass ZF schon mit viel Aufwand die Prototypenfertigung bei uns installiert hatte. In jedem Fall aber hat ZF mit uns die Konkursphase durchgestanden.“
Die Automation ist seither die wichtigste Strategie im Kampf gegen den enormen Preisdruck in der Branche. So wurden bei Sysma die Werkzeugmaschinen Zug um Zug mit Automationszellen bestückt, die unter anderem für die Teilezufuhr sorgen. Dringend notwendig sei es aber, so Owe Bauer, Leiter des Anlagenmanagements in Glauchau, dass die gesamte Anlage störungsfrei läuft. „Das kann sie nur, wenn es zu keinen Kollisionen oder anderen Störfällen kommt. Und da sage ich: Eine Prozessüberwachung ist unter diesen Bedingungen unverzichtbar“, so Bauer.
Parallel zur eigentlichen Automatisierung wurde deshalb bei Sysma diese Kontrolltechnik eingeführt – zunächst einmal bei den besonders teuren Maschinen mit hoher Auslastung. „Wir haben unsere Prioritätsmaschinen alle mit Brankamp-Geräten ausgerüstet“, berichtet Bauer. Heute sind über 50 Zerspanungsmaschinen und Handlingroboter mit den Prozessüberwachungsgeräten bestückt, und ein zentrales Ziel ist erreicht: die Mehrmaschinenbedienung. „Bis zu vier Maschinen lassen wir von einem Bediener kontrollieren“, zeigt sich Bauer zufrieden.
Insgesamt ist die Sysma-Fertigung in vier Produktgruppen aufgeteilt: Scheiben, Flansche, Hohlwellen und Verzahnung. In der Zerspanung fühlt sich der Zulieferer für alle Fälle gerüstet. „Bis auf ganz exotische Arbeiten, die wir aus Kostengründen nicht selbst machen wollen“, erklärt Bauer. Die Mehrmaschinenbedienung ist in der gesamten Fertigung zwischenzeitlich gängige Praxis.
Wenn viele Maschinen von wenig Personal bedient werden, offenbart sich in der Praxis vielfach ein Problem, über das Fertigungsverantwortliche nur ungern sprechen: sinkende Qualität. Zulieferer, die vor allem in der Automobilbranche Null-Fehler-Qualität liefern müssen, sehen sich deshalb oft in der Zwickmühle. „Auch das war natürlich ein Grund, warum wir die Prozessüberwachungsgeräte angeschafft haben“, glaubt Bauer einen Weg aus dem Problem gefunden zu haben. Denn mit der modernen Messtechnik kann jedes Teil während der Produktion kontrolliert werden.
Und der Mensch, so zeigen sich die Sysma-Verantwortlichen überzeugt, spielt trotz hohem Automatisierungsgrad eine wichtige Rolle. „Für einen reibungslosen Ablauf ist letztlich immer noch der Bediener verantwortlich“, stellt Bauer klar. Deshalb gehören regelmäßige Schulungen bei Sysma inzwischen zur selbstverständlichen Pflichtübung.
Und das offenbar mit Erfolg, wie das Beispiel der 28-jährigen Kathrin Aßmann zeigt. Die gelernte Dreherin kam erst vor vier Monaten nach Glauchau zu Sysma. Nach der ersten Lernphase sagt die junge Frau heute: „Die Geräte sind schon ein Riesenhilfe. Auch für mich – denn wenn ich einen Fehler machen sollte, greifen die Geräte sofort ein und schalten die Maschinen ab.“
Wichtigstes Argument für eine durchgängige Prozessüberwachung ist für Sysma der Werkzeug- und Kollisionsschutz. Die hochmodernen Werkzeugmaschinen im Werk sind mit Anschaffungskosten zwischen 600 000 und 1,5 Mio. DM belastet. „Unser oberstes Ziel ist es deshalb, die Maschinen am Laufen zu halten“, bekräftigt Bauer.
Allein die Kosten für den Produktionsausfall beziffert er mit durchschnittlich 2000 DM. Hinzu kommen die Reparaturkosten einschließlich der Ersatzteile. Bei dieser Berechnung hätten sich die Investition für die Prozessüberwachung schnell bezahlt gemacht: „Die Kosten einer Kollision liegen im Durchschnitt bei rund 3000 Mark, sie können im Einzelfall auch 10 000 Mark erreichen. Je nachdem liegt die Amortisation schon bei einem Crash, bei anderen Kollisionen amortisiert sich das System erst nach vier oder sechs Monaten. In der Praxis rechnen wir, dass sich ein Gerät spätestens innerhalb eines Jahres amortisiert haben muss.“
Ein Plus der Sysma-Strategie ist, dass alle Optionen der neuen Technik genutzt werden und das Zusammenspiel von Prozessüberwachung Automation gut beherrscht wird. Bauer nennt ein kleines aber konkretes Beispiel: „Während die Werker Pause machen und essen, laufen bei uns die Anlagen weiter. Die Technik hat mit dazu beigetragen, dass wir diesen entscheidenden Schritt gehen konnten.“
Prozessüberwachung integriert
Der Anwender
Sysma Antriebstechnik GmbH, Glauchau
Automobilzulieferer mit rund 300 Mitarbeitern und knapp 100 Mio. DM Umsatz.
1991 aus dem VEB Fahrzeuggetriebewerk Wilhelm Friede hervorgegangen. 1995 Konkurs angemeldet. Neubeginn im Frühjahr 1996 durch den Einstieg der Weigl-Gruppe.
Wichtige Kunden: VW, ZF, General Motors
Der Hersteller
Dr.-Ing. K. Brankamp System Prozess-automation GmbH, Erkrath
Nach eigenen Angeben weltweit größter Lieferant für Prozessüberwachungssysteme im Bereich der Metallverarbeitung. Das Unternehmen ist weltweit vertreten, in vielen Ländern mit eigenem Service-Personal.
Innovation: Fertigungszustände aufs Handy
Eine neue Ge-räteserie zur Prozessüberwachung von Brankamp sendet die Prozessmeldungen wohin der Anwender möchte. Besonders interessant dürfte die Möglichkeit sein, per SMS Meldungen über Prozess- und Maschinenzustände auf das Display des Mobilfunktelefons zu erhalten. Ob im Büro oder auf Reisen: Der Entscheider weiß immer, was an neuralgischen Stellen der Fertigung los ist.
Erfolgsfaktor Fertigung
Für Zulieferer wird es immer wichtiger, ihre Fertigungsabläufe perfekt zu beherrschen, um auf die Variantenvielfalt im Automobilbau reagieren zu können. Laut einer Erhebung von Prof. Wildemann, München, prognostizieren 53,6% der von ihm befragten Experten einen weiteren Anstieg der Kleinserienfertigung, 41,4% eine Erhöhung der Einzelfertigung. „Die Beherrschung kleiner Losgrößen in Zusammenhang mit einer Verbesserung der Rüstkonzepte sowie einem effizienten Variantenmanagement gewinnt an Wichtigkeit“, so Wildemann in seiner viel beachteten Prognose „Entwicklungsstrategien für Zulieferunternehmen“.
Industrieanzeiger
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