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Quo vadis Fachzeitschrift ?

Reduzierte Werbebudgets und das Internet sind neue Herausforderungen für die Informationsquelle Nummer eins im B2B-Bereich
Quo vadis Fachzeitschrift ?

Wird die Fachzeitschrift auch in Zukunft eine dominante Rolle in der Kommunikation mit Entscheidern spielen? Kenner und Experten der Medienszene und der Werbewirtschaft äußern sich zu den Anforderungen, denen sich die Fachverlage in Zukunft stellen müssen.

Von Chefredakteur Dr. Rolf Langbein

Wer beruflich up to date sein will, kommt an der Fachzeitschrift nicht vorbei. Eindrucksvoll hat das die Leistungsanalyse Fachmedien 2001 der Deutschen Fachpresse unter Beweis gestellt. Wie schon bei der ersten Analyse 1995 haben die Entscheider im B2B-Bereich Fachzeitschriften erneut als Informationsquelle Nummer eins genannt. Viele Werbungtreibende und Agenturen sehen daher in Fachtiteln ein wichtiges, ja unverzichtbares Medium zur Ansprache professioneller Entscheider.
Mit über 3500 meist spezialisierten Fachtiteln, davon mehr als 1300 wissenschaftlichen, weist der deutsche Fachmedienmarkt die größte Informationsdichte weltweit aus. „Eigentlich ist das ein Dschungel, der für keinen so richtig durchschaubar ist“, meint Achim Litschko, Geschäftsführender Gesellschafter der RTS Rieger Team Werbeagentur in Musberg nahe Stuttgart. Doch auch er und seine Kunden im B2B-Bereich schätzen Fachzeitschriften als wichtige Werbeträger mit klar definierten Zielgruppen.
Im Wettstreit alternativer Kommunikationskanäle zu professionellen Entscheidern, wie Messen, Wirtschaftspresse, Außendienst und Direktwerbung, haben die Fachzeitschriften noch immer die Nase vorn. Allerdings ist ihnen in den letzten Jahren mit dem Internet ein Wettbewerber erwachsen, den die Zielgruppe schon als Informationsquelle Nummer zwei nennt. Bei der Nutzungsdauer liegt das Internet gar an der Spitze.
Unter Druck geraten ist die Informationsquelle Nummer eins, soweit sie in erster Linie von Umsätzen aus Anzeigen lebt, auch durch den Einbruch der Werbemärkte. Kosten senkende Maßnahmen haben die Belegschaften in den Verlagen, auch in den Redaktionen, und ebenso die Redaktionsseiten in den Heften, schrumpfen lassen. Viele Titel und Verlage stoßen an wirtschaftliche Grenzen. „In Zukunft wird hier eine Bereinigung stattfinden“, glaubt daher Hans Schneider, Geschäftsführer der Agentur Die Media GmbH in Stuttgart und langjähriger Kenner der Szene. Eine Gefahr sieht er darin, dass verlegerisches Erbe in Shareholder-Hände gelegt wird. Die Entscheidung, ob ein Titel eingestellt oder der Chefredakteur ausgetauscht wird, könnte dann plötzlich vom Aktienwert abhängen, wäre also keine unternehmerische Entscheidung mehr.
Dennoch ist Uwe Hoch, Sprecher der Deutschen Fachpresse, überzeugt: „Fachzeitschriften werden ihren hohen Stellenwert im Informationsverbund behalten.“ Voraussetzung dafür sei allerdings ein hohes Niveau der redaktionellen Qualität. Die Fachzeitschrift müsse für die Zielgruppe absolut verlässlich sein nach dem Motto: „Wenn die das schreiben, muss es stimmen!“
„Künftig entscheidet immer mehr der Inhalt über Positionierung und Erfolg eines Blattes“, ist auch Ralf Jaeckel überzeugt. Der Herausgeber und Chefredakteur des Jaeckel-Report/Wir Fachjournalisten kommt zu der Erkenntnis, dass das Modell: „Wir finanzieren eine Fachzeitschrift über Anzeigen und verteilen sie kostenlos an definierte Empfänger“, in Zukunft immer weniger funktionieren wird. „Eine wertvolle Zeitschrift definiert sich nicht über den Wert ihrer Anzeigen, sondern über den Wert ihres Inhaltes“, so sein Credo. Das habe man in der Fachkommunikation über Jahrzehnte vergessen.
Auch für Agenturchef Achim Litschko hat die redaktionelle Qualität einen besonderen Stellenwert: „Wenn der Leser die Zeitschrift als attraktives Medium interpretiert, ist sie für den Inserenten sofort interessant; nur so funktioniert das.“ Deshalb wünscht er sich bei den Fachzeitschriften unabhängigere Redaktionen. „Nur auf den Inserenten zu schielen, halte ich für falsch.“ Hans Schneider bringt das Thema Inhalt auf den Punkt: „In Zukunft wird derjenige gewinnen, der den Nerv der Zeit trifft, der die Inspiration und auch ein bisschen Mut hat.“
Die Themen der Zeit zu treffen, das ist die eine Seite der Medaille. Frank Blase als Leser von Fachzeitschriften spricht die andere Seite an. Er sieht in der Darbietung der Inhalte einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsfaktor. Der mittelständische Unternehmer und Geschäftsführer der Igus GmbH in Köln wünscht sich neben einer gut lesbaren Schrift eine Aufbereitung, die das schnelle Erfassen der Information vereinfacht.
Den Agenturchefs liegt die Darbietung ebenso am Herzen. So wünscht sich Hans Schneider mehr Modernität und schmackhaft aufbereitete Inhalte. Achim Litschko ist überzeugt: „Da kann man noch eine Menge tun.“ Kunden, die anspruchsvolle Technologien entwickeln, müssten ein Pendant in den Medien haben, in denen sie präsent sind. Darüber hinaus sollte das Medium aber auch einen gewissen Stellenwert, ein gewisses Image haben.
Jedoch werden Verlage auf Dauer mit dem Printmedium alleine nicht bestehen können. So sieht Uwe Hoch die Notwendigkeit, dass sich die Fachverlage in den nächsten Jahren crossmedial aufstellen. „Es gilt, alle Kommunikationsvarianten zu nutzen, mit denen die Zielgruppe zu erreichen ist“, weist er den Weg. Vom E-Letter über Veranstaltungen wie Seminare und Kongresse reiche das sogar bis hin zum Training, alles vernetzt und aufeinander abgestimmt.
Auf die Verzahnung von Print und Online müssten sich die Redaktionen dahingehend einstellen, dass sie die Stärken des jeweiligen Mediums effizient nutzen, meint Schneider. „Natürlich kostet das Geld“, ist er sich bewusst, „aber warum soll mit den Informationen im Netz nicht auch Geld erlöst werden?“ Mit den kostenlosen Angeboten hätten sich die Verlage diesen Markt zwar selbst kaputt gemacht. Doch mit qualitativ hochwertiger Information könne man sicher Terrain zurückgewinnen. Vor allem dann, wenn die Dienste individualisiert angeboten werden, ist Nutzer Frank Blase überzeugt.
Nach Meinung des Sprechers der Deutschen Fachpresse ist die Fachzeitschrift dann am gesündesten, wenn ein vernünftiges Verhältnis zwischen Vertriebs- und Anzeigenerlösen besteht. Gerade auf dieser Schiene wird sich die Qualität der Inhalte durchsetzen. Um das Potenzial auszuschöpfen, das in einer Adresse steckt, brauchten die Verlage Vertriebskreative, empfiehlt Jaeckel. „Wie gehe ich mit einem Leser um? Wie oft hört er von mir? Wie binde ich ihn ein? Auf solche Fragen und mehr muss er kreative Antworten finden“, fordert er.
Als Werbeträger bleiben die Fachzeitschriften auch weiterhin interessant. „Wir brauchen diese Medien“, sagen die Agenturchefs Litschko und Schneider. Aber sie wünschen sich mehr Transparenz hinsichtlich der Leistung der Fachzeitschriften. Erst vor wenigen Tagen zeigte sich auch die Organisation der Media-Agenturen im Gesamtverband Werbeagenturen (OMG) enttäuscht über die Fachpresse. Trotz „jahrelanger Initiative“ sei die „Etablierung von vergleichenden Leser-Reichweiten-Analysen für die Fachmedien der wichtigsten industriellen Wirtschaftszweige“ nicht realisiert worden.
Um dennoch mehr Sicherheit für ihre Kunden zu erlangen, hatten RTS Rieger Team und Die Media vor einigen Jahren die Metra-Studie aus der Taufe gehoben. „Die Metra sagt uns, wer welche Zeitschriften liest“, erläutert Litschko. Das sei eine relativ harte Währung. Die werde man benötigen, wenn Fachtitel künftig wegen ihrer klar definierten Zielgruppen auch für Markenartikler im Consumer-Bereich interessant würden, unterstreicht Hans Schneider die Bedeutung.
Zieht man ein Fazit, so herrscht durchaus die Meinung vor, dass die Fachzeitschriften auch in Zukunft eine führende Position im Wettstreit der Kommunikationskanäle zu professionellen Entscheidern einnehmen können. Voraussetzung ist allerdings, dass die Verlage die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend handeln.
Für Ralph Schneider, Buchautor und lange Jahre Chefredakteur des IW-Report sowie Gründer des Titels Wir Fachjournalisten, hat die diesjährige Buchmesse in Frankfurt mit dem großen Interesse an der Fachinformation ein Zeichen gesetzt. Die Renaissance des Fachbuches ist für ihn ein Indiz dafür, dass auch die Fachzeitschrift mit kontinuierlicher Fachinformation Zukunft hat. „Allerdings ist ein wesentlicher Punkt dazu eine stärkere journalistische Ausrichtung“, so sein Fazit.
Mehr denn je ist redaktionelle Qualität gefragt
Bild: Siemens
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