Startseite » Allgemein »

Raus aus dem Teufelskreis

Wenn Überkomplexität existenzbedrohend wird
Raus aus dem Teufelskreis

Die Anforderungen der Kunden werden heterogener. Der Wettbewerbsdruck speziell aus China steigt. Branchen- und Konjunkturentwicklungen werden immer ungewisser: Komplexität zu beherrschen, wird für Maschinenbauer zum strategischen Erfolgsfaktor.

Gerade traditionsreiche Technologieunternehmen etwa aus dem Maschinenbau sterben häufig schlicht und einfach an Überkomplexität. Das Problem: Die Märkte haben sich verändert – die Unternehmen aber nicht. „Aber wir machen doch alles, was der Kunde von uns verlangt“, hört man die Betroffenen sagen. Genau das ist ja das Problem. Falsch verstandene Kundenorientierung führt geradewegs in die Komplexitätsfalle.

Die Gründe sind bekannt: Gesättigte Märkte, verschärfter Wettbewerb, Individualisierung der Kundennachfrage, Globalisierung, technischer Fortschritt und so weiter. Wird man aus dem einen Markt herausgepreist, geht es in die nächstliegende Nische der Einzel- und Sonderlösungen. Oder aber man gibt dem Preisdruck in seinen angestammten Märkten nach und leitet den wachsenden Druck einfach in die eigene Organisation weiter.
Wer kennt sie nicht, die organisch gewachsenen Produktprogramme, die nicht einmal der Vertriebsleiter noch durchschaut? Natürlich ließ sich das nicht vermeiden. Schließlich wurde die Konkurrenz in der Vergangenheit immer stärker und verschenken kann man auch nichts. Also rein in die Nische und in die Sonderlösungen. Stückzahl eins und das bei gleicher Lieferzeit. Kundenorientierung heißt das Zauberwort – die Folge ist explodierende Vielfalt. Der Verkäufer mag sich über den neuen Auftrag freuen. Die Konstruktion ist nicht mehr so begeistert. Der Einkäufer verzweifelt ob der vielen neuen Fertigungsteile, die niemals in der kurzen Zeit und schon gar nicht zu den budgetierten Kosten zu beschaffen sind. Die Produktion muss sich mit den Konstruktionsfehlern, fehlenden oder falschen Teilen herumärgern und versuchen, den ob des Lieferverzugs schon verärgerten Kunden solange zu beruhigen, bis schließlich ein nur halb getesteter Prototyp das Haus verlässt. Am Ende ist das Auftragsergebnis negativ.
Solche Unternehmen sind nicht mehr in der Lage, die vielfältigen Austauschbeziehungen mit ihrer Umwelt auf einem wirtschaftlich erfolgreichen Niveau zu bewältigen. Die hohe Diversität des Kundensystems führt zu einem ständigen Anstieg von Leistungsvielfalt und Sortimentsbreite. In der Folge belasten ungeplante Komplexitätskosten das Ergebnis. Es entsteht ein sich verstärkender Kreislauf, der früher oder später existenzbedrohend wird.
Reine Technologiekompetenz reicht schon lange nicht mehr aus, es sind auch Serienqualitäten gefragt. Herausragende, innovative Produkte zu marktfähigen Preisen, so lautet der Anspruch.
Klassische Technologieunternehmen sind meist durch ausgeprägte Heldenkulturen gekennzeichnet. Was man nicht realisiert, ist, dass erfolgreiche Unternehmen heute nicht einen oder zwei, sondern viele Helden brauchen. Anders ist das wachsende Komplexitätsniveau nicht erfolgreich zu bewältigen.
Natürlich spielt die Unternehmenskultur eine große Rolle, aber meist sind eine Reihe weiterer Punkte ausschlaggebend, wenn die Gesamtsituation bedrohlich wird:
  • Ausschließliche Konzentration auf Tagesgeschäft und Umsatzziele
  • Einseitige Technologieorientierung (Führung von innen nach außen)
  • Festhalten an unrentablen traditionellen Marktsegmenten und/oder
  • Diversifizierung in Nischen der Einzel- und Sonderlösungen
  • Mangelndes Vielfaltsbewusstsein, gefördert durch Ausrichtung des Vertriebs nur auf Umsatzziele
  • Fehlende Werkzeuge zur wirtschaftlichen Beherrschung von Vielfalt
  • Nicht verursachungsgerechte Zuordnung von Vielfaltskosten
  • Hierarchie- und Bereichsdenken; starre Organisationsstrukturen
  • Direktive Führung und wenig Förderung eigenverantwortlichen Handelns
  • Keine gezielte Personalentwicklung; vergleichsweise geringer Akademikeranteil
  • Inneffiziente Wertschöpfung durch unbeherrschte Prozesse
Erfolgreiche Unternehmen betreiben ein aktives Management von Komplexität. Das aber nicht etwa als zusätzliche Disziplin, ergänzend beispielsweise zu Marketing, Vertrieb oder Technik, sondern ganzheitlich. „Im Vordergrund steht dabei die Vermeidung von Komplexität im Sinne eines antizipativen Managements, darüber hinaus die reaktive Beeinflussung des Komplexitätsgrades durch systematische Reduktion von Komplexität und, wenn ein bestimmter Grad an Komplexität unvermeidbar ist, die möglichst wirtschaftliche Beherrschung von Komplexität.“ Diese Meinung vertritt Prof. Dr. Günther Schuh, Direktor des WZL an der RWTH Aachen.
Erfolgreiche Unternehmen sorgen dafür, dass Komplexität nicht wie ein Wasserfall einfach in das Unternehmen hineinströmen kann. Das überfordert über kurz oder lang sämtliche Unternehmensressourcen und führt geradewegs in die Komplexitätsfalle. Erfolgreiche Unternehmen bedienen sich geeigneter Instrumente, um Komplexität gezielt zu dämpfen und zu verstärken. Damit betreiben sei einen bewussten und geregelten Anpassungsprozess, der dafür sorgt, dass das Unternehmen unter Kontrolle oder sozusagen im Fließgleichgewicht mit seiner Umwelt bleibt.
Gibt es eine optimale Vielfalt? Ja! „Die optimale Produktvielfalt deckt die angestrebten Marktsegmente beziehungsweise Kundenanforderungen insoweit ab, wie dadurch die angestrebte Produktrendite erzielt werden kann“, sagt Prof. Schuh. Klingt einfach, ist aber grundverschieden zum etablierten technikorientierten Umsatzdenken. Rendite ist die Belohnung für hohen Kundennutzen und hohe Produktivität, nicht für „Me too“, Overengineering und Verschwendung. Natürlich erschließt sich dieser Bereich nicht von alleine. Wesentliche Handlungsfelder etwa sind (siehe Kasten):
  • Diversität des Kundensystems
  • Vielfalt des Leistungssystems
  • Organisationsstruktur
  • Wertschöpfungsprozesse
Man muss es tun, das ist die Herausforderung, nicht etwa die damit verbundenen Methoden und Verfahren. Was es braucht, sind klare Ziele und Strategien. Weniger operative Hektik und mehr strategische Beweglichkeit, so könnte man das Motto formulieren.
Dipl.-Ing. Roland Wacker Geschäftsführer Roland Wacker Consulting, Böttighofen, Schweiz

Auf dem Weg zur „optimalen“ Produktvielfalt

Wesentliche Handlungsfelder

Diversität des Kundensystems
  • Konzentration auf ausgewählte Marktsegmente
  • Klare Wettbewerbsstrategien
  • Ausbildung effektiver Differenzierungsmerkmale
  • Vielfalt des Leistungssystems
  • Nutzenorientierte Gestaltung des Leistungsangebots
  • Realisierung des optimalen Variantenfensters durch intelligente Produktstrukturen
  • Vielfaltsbewusstsein auf alle Mitarbeiter übertragen
  • Organisationsstruktur
  • Unternehmensstruktur an Geschäftsfeldern ausrichten
  • Komplexitätsmanagement aufbauorganisatorisch verankern
  • Wertschöpfungsprozesse
  • Geschäftsprozesse definieren und organisieren
  • Effektivität und Effizienz der Prozesse steuern, kontrollieren und optimieren
  • Unsere Whitepaper-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de