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Regelmäßiges Facelifting im Lager erhält Liefertreue und Verfügbarkeit

Modernisierung: Automatische Logistiksysteme aufrüsten, bevor Ersatzteile ausgehen
Regelmäßiges Facelifting im Lager erhält Liefertreue und Verfügbarkeit

Die Mechanik hält für die Ewigkeit, aber die Elektrotechnik veraltet: Bevor die Ersatzteile etwa für Steuerungen ausgehen, sollten Betreiber ihre automatischen Lager modernisieren. In der Regel sind die Systeme – bei deutlich geringeren Kosten – anschließend neuwertig.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß – thomas.preuss@konradin.de

Die Logistik unterliegt spezifischen Halbwertszeiten“, sagt Wolfgang Seifert, Geschäftsführer der Agiplan F&L GmbH in Mülheim an der Ruhr. Das liege an ihrem immensen Informationsbedarf und der Nähe zur Datenverarbeitung. Deshalb dürfte „in vielen älteren Logistiksystemen noch ein erhebliches Rationalisierungspotenzial liegen“. Wobei „älter“ durchaus zehn Jahre jung sein kann. Prof. Dr.-Ing. Wolf-Michael Scheid, Leiter des Instituts für rechnerunterstützte Produktion der Fakultät für Maschinenbau an der TU Ilmenau, ergänzt: „Gerade im Steuerungsbereich fehlt oft schon nach einigen Jahren die Dokumentation, oder es gibt keine Leute mehr, die damit umgehen können.“ Auch komme es vor, dass Anbieter der Elektrik nach einiger Zeit die Hardware einstellen. „So lange die Anlage läuft“, weiß Scheid, „macht sich keiner Gedanken darüber, denn die Geräte halten zehn bis zwanzig Jahre und damit länger als die Abschreibungsdauer.“
Doch es lohnt sich, beizeiten zu überprüfen, ob etwa das automatische Kleinteilelager noch auf dem Stand der Technik ist. Für Systemanbieter, wie die Stuttgarter Viastore Systems GmbH, ist es heute selbstverständlich, den Betreiber einer Anlage auf Risiken hinzuweisen, etwa, dass ein Zulieferer in absehbarer Zeit ein Produkt einstellt. So brauche sich der Kunde keine Gedanken zu machen, ob es noch Ersatzteile gibt, wenn seine Steuerung beispielsweise 10 oder 15 Jahre alt ist, erklärt Thomas Loibl, Teamleiter Modernisierung und Umbau bei Viastore.
Die Gründe für den Umbau oder die Modernisierung eines Lagers sind zahlreich. Beim Lebensmittelhersteller Knorr im schweizerischen Thayngen sollte das automatische Hochregallager aufgepeppt werden. Einige Regalbediengeräte waren durch unzureichende Ein- und Auslagerungsleistungen aufgefallen, die alte Steuerungshardware gelegentlich ausgefallen, manche Ersatzteile schwer zu beschaffen. Letztlich wurden die Betriebsunterbrechungen häufiger, die Lieferbereitschaft war gefährdet. Das Retrofitting übernahm die in der Schweiz ansässige Swisslog Digitron-Owl AG in Buchs/Aarau. Gearbeitet wurde an Wochenenden, um das Tagesgeschäft von Knorr nicht zu behindern und das Betriebsrisiko gering zu halten.
Das sei ein wichtiger Punkt bei einem Umbau, gibt Thomas Loibl von Viastore zu bedenken: „Der Anwender muss überlegen, inwieweit er den Betrieb aufrecht erhalten will oder muss oder wie lange er auf ein System ganz oder in Teilen verzichten kann.“ Wenn möglich, werden Produkte in eine zweite Gasse umgelagert, während die erste modernisiert wird, um lieferfähig zu bleiben.
Spätestens, wenn die Verfügbarkeit deutlich sinkt, die Wartungsintervalle immer kürzer werden oder die Instandhaltungskosten stark steigen, besteht Handlungsbedarf. Auch ergonomische und soziale Anforderungen können eine Rolle spielen: Wird beispielsweise eine handbediente oder halbautomatische Anlage im Kommissionierbereich weiter automatisiert, entlastet das die Mitarbeiter.
Prinzipiell gibt es wohl ständig etwas zu verbessern. „Eine Anlage lebt ja förmlich“, meint Loibl. „Mal braucht der Betreiber ein weiteres Regalbediengerät, mal zusätzliche Gassen oder Kommissionierplätze, dann soll ein Behälterlager sein bestehendes Palettenlager ergänzen.“ Irgendwann ist er zum Umbau gezwungen, will er den Marktanforderungen entsprechen und die Liefertreue halten.
Oft fehlen aber in der Industrie Instandhaltungsstatistiken, um rechtzeitig eine Modernisierung angehen zu können. Doch damit der Kunde nicht erst schreit, wenn er Schmerzen hat, dokumentiert Viastore in einem Service-Management-System alle Anrufe und Fehler, die in einer Anlage auftreten. Loibl bringt es auf den Punkt: „Wenn dem Betreiber etwas weh tut, wissen wir es schon ein halbes Jahr früher.“ So erfasse man bestimmte Kennwerte, die sich an Bauteilen verändern. Fallen sie aus dem Rahmen, prüft ein Servicetechniker den Fall, selbst wenn die Anlage noch reibungslos läuft. „Ziel ist die nahezu hundertprozentige Verfügbarkeit“, fasst Thomas Loibl zusammen. „Mit dieser Prävention lassen sich Stillstände planen und die Wartungsarbeiten zum Beispiel am Wochenende erledigen.“
Bei größeren Umbauten reicht diese Zeit freilich nicht aus. Der Reinigungsgerätehersteller Alfred Kärcher GmbH & Co. in Winnenden modernisierte sein Fertigungslager, das seit 1985 in Betrieb ist, während eines Betriebsurlaubs. Das war billiger, als wenn die Monteure von Viastore abends und an den Wochenenden hätten antreten müssen. „Der Montagekostenanteil hat sich dadurch etwa halbiert“, überschlägt Loibl, und die Gesamtkosten für den Umbau seien um 10 bis 20 % niedriger gehalten worden.
In zwölf Tagen wurden ein dreigassiges Palettenlager, in dem ein Regalbediengerät mit Umsetzerbrücke arbeitet, sowie ein zweigassiges Kleinteilelager mit Tablartechnik, in dem zwei Regalbediengeräte ihren Dienst verrichten, in Schuss gebracht. Anlass war die langsam zu Ende gehende Verfügbarkeit von Ersatzteilen, wie Hans-Jörg Ziegler ausführt, der Leiter Wareneingang/Lager im Werk Winnenden. „Aber wir wollten auch die Leistung steigern, um den Standort zu sichern.“ Durch die Modernisierung vor allem der Steuerung sei das gelungen.
Vor Ort wurde der Umbau von Thomas Zoch betreut, Mitarbeiter in Loibls Team bei Viastore. „Das Steuerungsprinzip ist heute ein ganz anderes als Mitte der achtziger Jahre“, sagt Zoch. Damals wurden die Koordinaten in den Lagergassen zunächst nur grob angefahren, und die anschließend erforderliche Positionierfahrt in die exakte Endlage benötigte relativ viel Zeit. Das lag auch an den Antrieben, die damals noch nicht geregelt waren. „Heute fahren wir mit einer Lageregelung“, führt Zoch aus. Die Koordinate ist fest in der Steuerung hinterlegt, der Industrie-PC leitet einen Fahrbefehl an den Frequenzumrichter. Über Laser-Wegemessung in X-Richtung und Winkelcodierer in Y-Richtung werden die Positionen an den Frequenzumrichter gegeben, so dass ein ständiger Soll-Ist-Vergleich stattfindet. „Das Regalbediengerät landet ohne langsame Positionierfahrt punktgenau dort, wo es hin soll“, erklärt der Experte.
„Die Leistung der Anlage ist durch die neue Steuerung um etwa 15 bis 20 Prozent gestiegen“, rechnet Thomas Zoch hoch. Prof. Scheid aus Ilmenau ergänzt, die polumschaltbaren Motoren seien gegen Ende der achtziger Jahre ausgestorben, so dass aus jeder derartigen Anlage, die damals eingerichtet wurde und heute noch in Betrieb ist, „15 Prozent und mehr“ an Leistungssteigerung herauszuholen seien. Ganz zu schweigen davon, dass die aufgerüsteten Anlagen leiser sind.
Zusätzlich zur Steuerung der Regalbediengeräte hat das Team um Thomas Zoch den Materialflussrechner ausgetauscht und eine zusätzliche Visualisierung eingerichtet, die die Anlage grafisch übersichtlicher macht. Die EDV-Abteilung von Kärcher war während der Umrüstarbeiten ebenso zugegen wie die Instandhaltung, so dass die Übernahme des neuen Systems ohne Probleme ablief. Hans-Jörg Ziegler sagt sogar, dass seine Mitarbeiter sich „bereits am ersten Tag nach der Umstellung“ weitestgehend auf die Veränderungen eingestellt hätten. Für den Modernisierungs-Experten Thomas Loibl versteht sich von selbst, dass die Mitarbeiter des Betreibers schon früh eingebunden werden, um Berührungsängste abzubauen.
Da Viastore auch die Mechanik und Elektronik überarbeitet hat – beispielsweise wurden Sensorik, Verkabelung, Kabelkette und Schaltschränke der Regalbediengeräte ausgetauscht und alle Antriebe, Laufräder, Seile, Seiltrommeln sowie die Hubwerkskonsolen erneuert –, verfügt Kärcher nun „über den Nutzungsgrad einer Neuanlage“, wie Zoch, Loibl und Ziegler unisono versichern. Durch die neue Elektrik seien das dynamische Fahrverhalten und die Abstelltoleranzen des Regalbediengerätes identisch mit denen neuer Maschinen. Und: „Der Preis liegt um 50 Prozent unter dem von Neugeräten“, stellt Loibl klar. Damit ist Kärcher für weiteres Wachstum gerüstet.
Leider ist nicht jede Marktanforderung der Zukunft vorhersehbar. „Die Software“, sagt Matthias Krause, Leiter Strategische Planung und Produktmanagement der Nürnberger Siemens-Dematic AG im Bereich Postautomation, „hat einen viel kürzeren Lebenszyklus als die Mechatronik.“ Doch welche Anlage bleibt schon über 10 oder 20 Jahre unverändert? Deshalb „müssen wir die Maschinen heute schon so designen, dass wir die Kundenwünsche von morgen einbinden können“, setzt sich Krause zum Ziel.
Heutige Briefsortieranlagen etwa fertigen dickere und größere Sendungen ab als früher, wodurch weniger Handarbeit nötig ist. Oder das Thema Adresserkennung: Wo früher viele Adressen von Hand eingegeben wurden, sind die Anlagen heute durch nachgerüstete Lesesysteme viel schneller und können automatisch sortieren. Zum einen sinken die Kosten, zum anderen kann der Betreiber Zusatzdienstleistungen anbieten, etwa eine Sendungsverfolgung.
Was für die Briefsortierung gilt, ist in der Fertigungsindustrie ähnlich. „Man muss früh die Produktplattform definieren, die für den Betreiber in Frage kommt“, erläutert Matthias Krause, „und möglichst schon heute Szenarien für die Zeit in zehn oder fünfzehn Jahren entwerfen.“ Dabei hätten sich die Zeiten geändert: Wollten die Kunden vor Jahren noch Maschinen mit bestimmten Spezifikationen, erwarteten sie heute, „dass wir die Prozesse analysieren und eine Anlage anbieten, die den Anforderungen auch noch in vielen Jahren entspricht.“ Die Trendanalyse, die Siemens-Dematic vor fünf bis sechs Jahren entwickelt hat, sei da „ein ganz gutes Tool“. Natürlich ist es auch schon vorgekommen, dass die Prognosen schneller waren als der Markt …
Lebensdauer einzelner Komponenten
Rechner-Hardware 10 Jahre
SPS und Stromrichter 12 bis 18 Jahre
Regalbediengeräte über 20 Jahre
– Kabel und Hubseile 5 bis 15 Jahre
Rollenförderer 20 Jahre
– Fotozellen 10 Jahre
– Kettenführungen 5 bis 15 Jahre
Fahrerlose Transportsysteme 15 Jahre
– Batterien 3 bis 6 Jahre
– Steuerung 12 bis 18 Jahre
* Bei Verschleißteilen, wie Seilen, Ketten, Hub- oder Führungsrollen, sowie bei Antrieben ist praktisch keine seriöse Aussage zur Lebensdauer möglich. Sie hängt sehr stark von der Anzahl der Lastwechsel, also der Nutzungshäufigkeit, ab.
Wann ist der Zeitpunkt der Modernisierung gekommen?
Anlagenverfügbarkeit sinkt merklich
Instandhaltungskosten steigen
Wartungsintervalle werden immer kürzer
Störungen treten häufiger auf
Anlage stößt an ihre Leistungsgrenzen, die Kapazität reicht nicht mehr aus
Anlage ist nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Ergonomie
Sicherheit lässt zu wünschen übrig
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