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Rot-Grün verhindert den Stau auf dem Hof

Forscher schließen die Lücke zwischen Verkehrs- und Fabrikplanung
Rot-Grün verhindert den Stau auf dem Hof

Experten vom Fraunhofer-Institut helfen, das Verkehrschaos hinter den Werkstoren zu ordnen. Sie nutzen ihre Erfahrungen zusammen mit kommerzieller Software und beraten Unternehmen, damit diese ihren Materialfluss verbessern können.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann @konradin.de

„Manchmal mussten wir einen Notruf ans Tor schicken: Lasst bloß keinen mehr rein“, erinnert sich Claudia Pfeifer, Leiterin der Werkslogistik in der Wassertrüdinger Produktionsstätte des Kosmetik-Konzerns Schwarzkopf & Henkel. Rund 50 Jahre lang hatte das Unternehmen auf seinem Gelände die Fertigung durch neue Gebäude erweitert. Die Straßen wurden enger, der Lieferverkehr nahm zu. 100 Lkw kommen täglich und haben nur eine sehr begrenzte Zahl von Entladestellen zur Verfügung. „Es war klar, dass wir etwas ändern wollten und mussten“, sagt Pfeifer. „Nur am Wie hingen wir fest.“
Mit geschickter Planung soll das Chaos nun in wenigen Monaten verschwinden. Die entscheidenden Vorschläge kamen von Mitarbeitern des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund. Sie schließen eine Wissenslücke, die sich in der Planung heute auftut: Während zahlreiche Experten mit dem öffentlichen Verkehr und dem durchgestylten Materialfluss in der Fabrik befasst sind, kümmert sich kaum jemand um das Niemandsland dazwischen.
Am Chiemsee, in Prien, liegt das IML-Projektzentrum, von dem aus die Forscher Unternehmen in dieser Frage beraten. „Wir haben schon Projekte bearbeitet, die mit der Situation in Wassertrüdingen vergleichbar sind“, erläutert die IML-Verkehrsplanungsexpertin Katrin Scholz. Als Beispiel nennt sie ein Messegelände, wo sich auf begrenztem Raum Fußgänger, Autos und Lastwagen bewegen. Mit Daten aus solchen Fällen haben die Priener ein Verfahren entwickelt, um die Situation zunächst am Rechner zu simulieren und die besten Vorschläge auszufiltern. „Dass wir uns mit solchen Problemen auskennen, wissen bisher noch wenige“, sagt die Fachfrau. Auch die Entscheider in Wassertrüdingen kamen mit den Prienern nur ins Gespräch, weil sie das Werk an den Schienenverkehr anbinden wollten. Der Verkehr auf dem Werksgelände tauchte dabei als zusätzliches Problem auf.
„Wir wollten die Verhältnisse schnell ändern und hatten auch eigene Ideen“, berichtet Unternehmensvertreterin Pfeifer. Diese fußten jedoch auf allgemeinen Beobachtungen und bildeten kein Gesamtkonzept. Einige der Vorschläge haben die Fraunhofer-Mitarbeiter relativ schnell verworfen, weil sie wenig Erfolg versprechend waren. Neue Ideen entwickelten sie aus konkreten Daten, die das Wassertrüdinger Werk nach zwei Monaten genauer Beobachtung lieferte. „Wir haben erfasst, wieviele Lkw auf das Gelände kamen, wann sie wegfuhren und ob der Lieferant mit Transporter oder Sattelschlepper anrückte“, sagt Claudia Pfeifer. Diese Daten nützen dem Unternehmen auch weiterhin: „Wir überlegen, wie wir uns noch besser organisieren können, ob beispielsweise Lieferanten an einem bestimmten Tag kommen.“
Am abgeschlossenen Projekt lobt die Logistik-Verantwortliche vor allem das Verständnis der IML-Ansprechpartner für die finanziellen Grenzen. „Bei einer Lösung mit neuer Funkanlage oder Abruf der Lastwagen per Handy hätten unsere Verantwortlichen sicherlich gesagt: Überlegt Euch was anderes.“ Die Experten kamen jedoch ohne modernste Technik aus. Einige der Mitarbeiter bekommen neue Parkplätze vor den Werkstoren, damit die Lkw weiterhin auf das Gelände kommen können und einfach über Rot-Grün-Schaltung einer Ampel an die Entladeplätze gerufen werden. „Dass so eine einfache Lösung funktioniert, hat uns überrascht“, gibt die Fachfrau aus Wassertrüdingen zu. Darüber hinaus enthält das Konzept Baumaßnahmen, damit an den Engpässen die Lkw in Zukunft auf Einbahnstraßen verkehren können.
Um Struktur ins Gewühl zu bringen, haben die Wissenschaftler auch hier Software eingesetzt. „Wir schreiben keine eigenen Programme“, räumt IML-Mitarbeiterin Scholz ein. Kommerziell verfügbare Software für die Verkehrsplanung sei aber auch für Werksgelände geeignet, wenn sie mit Erfahrungswerten kombiniert wird. Einige Monate dauert die Planung, je nachdem, wie komplex die Warenströme ausfallen – sechs Wochen waren es, bis die Geschäftsführung in Wassertrüdingen das Konzept vorgelegt bekam und genehmigte. Und Katrin Scholz fasst zusammen: „Das schönste am Projekt ist, wenn das Unternehmen unsere Vorschläge als bezahlbar einstuft und umsetzt.“
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