Ob Volkswagen in Kaluga, Claas in Krasnodar oder Bentec in Tjumen – deutsche Unternehmen zieht es in wachsender Zahl in die russische Provinz.
Für die individuelle Standortentscheidung sind natürlich projekt- und unternehmensspezifische Kriterien ausschlaggebend: Der deutsche Landmaschinenhersteller Claas errichtete sein erstes russisches Montagewerk in Krasnodar, einem Zentrum der russischen Agrar- und Lebensmittelindustrie, Bentec baut eine Fabrik für Bohrtechnik im öl- und gasreichen Gebiet Tjumen, und für VW gab nicht zuletzt die gute logistische Anbindung per Bahn den Ausschlag für den Standort Kaluga. Dennoch sind solche individuellen Entscheidungen auch Ausdruck einer allgemeinen Entwicklung.
Auf der einen Seite weisen Moskau und seine Umgebung zunehmend Engpässe im Hinblick auf Arbeitskräfte, Infrastruktur und die Verfügbarkeit von Wohn- und Gewerbeimmobilien auf. In der russischen Hauptstadt liegen die durchschnittlich gezahlten Löhne und Gehälter um bis zu zwei Drittel über dem Landesdurchschnitt, und der Markt für Fach- und Führungskräfte wird eng. Engpässe gibt es zudem bei der logistischen Infrastruktur und bei der Strom- und Gasversorgung, wo der Ausbau der Kapazitäten nicht mit der Nachfrage Schritt hält. Auf der anderen Seite hat sich das Investitionsklima in den russischen Regionen in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Viele Gebietsadministrationen haben die Bedeutung einer aktiven Investitionspolitik erkannt. So setzt die Verwaltung der Regionen Samara, dem Zentrum der russischen Automobilindustrie, auf die Ansiedlung innovativer Unternehmen, die Region Perm im Westen des Urals gewann einen landesweiten Wettbewerb zur Bildung eines Venture-Capital-Fonds für die Förderung technologieorientierter Unternehmen, und die besten gesetzlichen Grundlagen für Investitionen finden Unternehmen laut dem aktuellen Regionenranking der russischen Ratingagentur Expert im Gebiet Nischnij Nowgorod. Hohe Wachstumsraten in vielen Regionen tun ein Übriges, um das Interesse ausländischer Investoren zu wecken.
Dennoch: Barrierefrei ist der Zugang in die russische Provinz noch lange nicht. Zu den Investitionshindernissen gehören der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, eine unzureichende Infrastrukturanbindung und die lokale Bürokratie. Hier gibt es aber zumindest Ansätze zur Verbesserung, sei es durch Ausbildungsinitiativen der Investoren oder durch die anstehenden milliardenschweren Investitionen in ein landesweites Logistiknetzwerk. Und es gibt Gebietsverwaltungen, die eine Antenne für die Bedürfnisse ausländischer Investoren haben – nicht nur in Kaluga, wo VW ein positives politisches Umfeld vorfand.
Ungeachtet der regionalen Diversifizierung bleibt Moskau allerdings der Nabel Russlands. Laut einer Studie der Moskauer Hochschule für Ökonomie ist die Nähe zu Moskau überdies ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer Region, denn je näher an der Hauptstadt eine Region liegt, desto attraktiver ist sie für Investoren.
Trotz Diversifizierung bleibt Moskau der Nabel Russlands
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