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Schneller in die richtige Spur

So entwickeln Mittelständler ihre Innovationsfähigkeit zielgerichtet
Schneller in die richtige Spur

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat Lösungen entwickelt, mit denen kleine und mittlere Unternehmen ihre Innovationskraft nachhaltig steigern können. Tools wie das Innovationsaudit decken ungenutzte Potenziale auf und ebnen damit schneller den Weg zu Innovationen.

Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser d.kieser@konradin.de

Nichts scheint derzeit für Deutschland wichtiger zu sein als Innovationen. Dass man besonderen Wert darauf legt, den Gedanken daran stärker nach vorne zu tragen, hat guten Grund: Deutschland scheint bei der Zukunftsfähigkeit den Anschluss zu verlieren. Ein Blick in die Statistik zeigt: Sowohl bei den F+E-Ausgaben des Staates – rund 2,5 % des Bruttoinlandprodukts – als auch bei den unternehmerischen F+E-Aktivitäten droht der amtierende Exportweltmeister ins Hintertreffen zu geraten. Zwei von drei F+E-Projekte dauern länger als geplant, mahnt die Fraunhofer-Gesellschaft, Europas führendes Institut für Auftragsforschung.
„Unsere europäischen Nachbarn sind praktisch alle besser als wir“, konstatiert Professor Dr. Hans-Jörg Bullinger. Dabei müsste Deutschland aufgrund der installierten Wirtschaftskapazität der Motor für die EU-Ökonomie sein, komme aber nicht vom Fleck. „Dass wir weniger oder langsamer arbeiten“, könne er nicht beobachten, sucht der Fraunhofer-Präsident nach Gründen. Leicht auszumachen sei aber, dass „andere viele Produkte, die wir in Deutschland herstellen, gleich gut, aber zu deutlich geringeren Kosten fertigen“, meint Bullinger. Nur mit anspruchsvollen Produkten lasse sich unser höherer Lebensstandard finanzieren.
Das Bewusstsein dafür ist bei Unternehmen wie der Lorch Schweißtechnik GmbH aus Auenwald längst vorhanden. Schon vor 20 Jahren „lag das Thema Innovation bei uns irgendwann auf der Hand“, erinnert sich der geschäftsführende Gesellschafter Wolfgang Grüb. Schnell reifte die Erkenntnis, dass man nur mit dem Bau intelligenter Produkte, die besser sind als die der Wettbewerber, auf dem Marktsegment der Schweißanlagen überhaupt noch Chancen haben kann. Grüb forcierte die Entwicklungen, das Unternehmen prosperierte – und kassierte Auszeichnungen und Preise.
Sich jetzt bequem zurückzulehnen, ist Wolfgang Grübs Sache nicht. Für den 43-Jährigen, der 1984 zusammen mit seinem Vater per Management-Buyout den elektrotechnischen Betrieb übernommen hat, stellt sich klar die Frage: „Mit welchen Maßnahmen können wir sicherstellen und auch bewerten, ob wir uns weiterentwickeln oder letztendlich nur denken, wir seien innovativ?“ Was ihn beschäftigte war eine Antwort auf die Frage, „wie können wir diesen Prozess systematisieren und weiter verbessern?“ Ein Stück weit trieb Wolfgang Grüb auch die Neugierde, „erkennen zu können, wie wir uns Innovationen schaffen und warum“.
Diese Fragen beschäftigten auch die Fraunhofer-Forscher, die noch einen Schritt weiter gehen. „Wir wollten herausfinden, warum wir bei der Umsetzung der Innovationen nicht schneller als andere sind“, sagt Bullinger, ohne dabei seine eigene Organisation auszuklammern. Mit der Vorgabe, „wo die Hemmnisse liegen, wo die Zeittreiber“ rief der Fraunhofer-Präsident vor zwei Jahren das Präsidialprojekt Innovationsbeschleuniger ins Leben.
Aus vielen Blickwinkeln heraus haben Wissenschaftler aus acht FhG-Instituten erforscht, wie sich die Innovationsfähigkeit nachhaltig steigern lässt und wie Innovationen dauerhaft beschleunigt werden können. Welches sind die zentralen Stellgrößen, welches die Gestaltungsfelder? Und wie lässt sich ein nachhaltiges Konzept zur Bewertung, Steuerung und Steigerung der Innovationsfähigkeit aufbauen?
Die Ergebnisse liegen jetzt auf dem Tisch. Daraus hervorgegangen sind effiziente Vorgehensweisen, Methoden und Werkzeuge für das betriebliche Innovationsmanagement. Vor allem den Mittelstand will man erreichen: Mittelständler, bei denen intelligente Produkte nach der Methode Zufall entstehen, weil sie die eigene Innovationsfähigkeit nur unzureichend beurteilen können. Seit Maschinenbauer Lorch bei Fraunhofer als Pilot für das Innovationsaudit-Projekt antrat und dieses jetzt konsequent anwendet, gehen die Schwaben beim Anstoß neuer High-Tech-Produkte mit einer „vorher nicht gekannten systematischen Zielgerichtetheit ans Werk“, erläutert Prokurist Stefan Graser.
In Interviews, die als Basis für die Auditierung dienen, deckten die Fraunhofer-Ingenieure auf, wo bei Lorch Schweißtechnik Verbesserungspotenziale schlummern. Technologiebeobachtung, Zusammenarbeit mit Schlüsselkunden, Schwächen-Stärken-Analyse (siehe Kasten): „All dies war in Ansätzen vorhanden, wir sind diese Themen nur nicht systematisch und zielführend angegangen“, nennt Finanz- und Controlling-Chef Graser das Defizit.
Intensives Auseinandersetzen mit dem Auditergebnis hat die Lorch-Manager auch dazu bewogen, das Unternehmen in Teilbereichen organisatorisch neu auszurichten. Der Umbau der Abteilung Produktmanagement und Marketing samt personeller Verstärkung ist darauf zurückzuführen. Und weil Außendienst auch Kommunikation bedeutet, hat Lorch-Geschäftsführer Grüb eine neue Stelle geschaffen, die Marktinformationen permanent auffängt und diesen Prozess systematisiert. Gründen will er zudem einen Produktbeirat als Plattform, „um bereits bei der Ideenfindung ein besseres Feedback zu erhalten“. Dabei geht es dem Unternehmer nicht so sehr darum, sofort neue Produkte auszubrüten. Vielmehr will er damit „mehr Zeit gewinnen, um sich mit Dingen zu beschäftigen, die noch nicht in ein Produkt münden“. Grüb verfolgt eine klare Kreativitätsmission: „Um vorne zu bleiben, müssen wir weitaus mehr Ideen generieren, als wir umsetzen können.“
Entscheidender Erfolgsfaktor ist für den Lorch-Chef „eher der Weg als das Ziel“. Bereits das Auseinandersetzen mit dem Thema, empfiehlt Grüb, entfalte eine riesige Wirkung. „Wer sich mit Hilfe des Audits systematischer und professioneller mit einer Grundeigenschaft des Mittelstands befasst, nämlich innovationsfähig zu sein, verbessert damit Produkte, Marketing und Betriebsergebnis.“
So nebenbei könnte ein Innovationsaudit, das sich laut Fraunhofer künftig in sechs bis acht Wochen durchführen lässt, die Finanzierungsspielräume verbessern helfen. In engem Zusammenhang steht das Bankrating nach Basel II, mit dem die Kreditgeber die Bonität und damit die zukünftige Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens prüfen. Wer Entwicklungsvorhaben finanzieren will, muss sich auf den strenger gewordenen Bonitäts-Check der Banken vorbereiten. Für Lorch-Finanzchef Stefan Graser könnte mit einem Innovationsrating die Frage beantwortet werden, „inwieweit Innovationen die zukünftige Zahlungsfähigkeit beeinflussen“.
Allerdings ist hier die Messbarkeit der Innovation über den zweistufigen Ansatz Innovationsaudit zur Standortbestimmung (siehe Kasten) und Innovation Card zum kontinuierlichen Überprüfen und Steuern des Kurses nur eine Seite der Medaille. Schwieriger dürfte es werden, mit dem Ergebnis die Insolvenzwahrscheinlichkeit abzuschätzen. Zu wissen, „bei welchem Innovationsgrad sich die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites wie verringert, wäre zwar das Optimum, nach dem jeder Banker sofort greifen würde“, weiß Stefan Graser um die Begehrlichkeit nach einem solchen Tool. Doch hier treffen die Verfechter der Methodik auf einen heiklen Punkt: Die Komplexität des Themas gestalte die Umsetzung schwierig, dämpft der Lorch-Controller allzu hohe Erwartungen.
Ein Arbeitskreis, in dem auch der Reutlinger Rating-Experte Prof. Dr. Ottmar Schneck mitarbeitet, befasst sich jetzt mit diesen Fragen. In rund zwei Jahren könnte laut Prof. Dr. Joachim Warschat vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut IAO ein solches Innovationsrating für mittelständische Unternehmen verfügbar sein. Vorbild ist ein in der Automobilzulieferindustrie verbreitetes Software-Tool für den Selbst-Check, das der Verband der Automobilindustrie (VDI) zusammen mit der Schneck Rating GmbH entwickelt hat.
Ein Schritt dorthin ist auch Inno-KMU. Ziel des vor wenigen Wochen gestarteten Projekts, das im Sommer 2007 als Online-Portal verfügbar sein soll: Kleinere und mittlerer Unternehmen sollen ihre Innovationsfähigkeit in Eigenregie bewerten können. Zwar ersetze dieser Selbst-Check keineswegs das Innovationsaudit, grenzt Warschat ab. Ein Firmenchef könne aber damit feststellen, wo er in puncto Innovation stehe. Bewertet wird anhand von Benchmarks sowie standardisierten Kenngrößen und Verfahren. Die Nutzer werden zudem methodisch unterstützt und können sich an herausragenden Praxisbeispielen orientieren.
Initiatoren von Inno-KMU sind neben Fraunhofer, Prof. Schneck Rating, VDMA und ZVEI auch Unternehmen wie Lorch, Wittenstein und Kuhnke. Software-Entwickler Communardo steuert das Wissensportal bei, die IKB Deutsche Industriebank den Finanz-Part. Überdies soll das Online-Instrument mit dem Ratingansatz gekoppelt werden. Prof. Ottmar Schneck hebt darauf ab, dass „nicht alles Rating ist, was heute Rating heißt. Ihm ist es wichtig, dass der neu zu entwickelnde Innovations-Rating-Check „nur ein Teil eines gesamten Unternehmens-Ratings darstellen kann, wenn auch ein wichtiger, je kleiner die Firma ist“. Durch Schnecks Mitarbeit soll die methodische Qualität des Tools und letztlich die Akzeptanz bei den Banken gewährleistet werden.
Mit Inno-KMU ließe sich durchaus ein Gegengewicht schaffen zu den harten Vergangenheitszahlen, die bei der Kreditentscheidung die Konditionen stark beeinflussen. Wenn die Banker einem Mittelständler dadurch bescheinigen, dass er sich ein sehr gutes Szenario auf Seiten der Innovation geschaffen habe und dort gut aufgestellt sei, unterstreicht IAO-Professor Joachim Warschat den Nutzen, dann wäre das Projektziel erreicht.
Verbesserungspotenziale per Innovationsaudit aufgedeckt
Inno-KMU soll kleineren Betrieben Selbst-Check ermöglichen

Fallbeispiel Innovationsaudit: Lorch Schweißtechnik GmbH

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Ergebnisse:
Stärken (Auszug)
  • Aktive Analyse und Segmentierung des Marktes
  • Umfassende Markteinführungsstrategie für seine Produkte vorhanden
  • Breites Netzwerk vorhanden
  • Motivierte Mitarbeiter
Verbesserungsvorschläge (Auszug)
  • Technologiebeobachtung systematisieren und Monitoringprozesse einführen
  • Entwicklung/Formulierung eines expliziten Phasenmodells für Produktinnovationen
Nutzen durch das Audit:
  • Transparentes Innovationsmanagement
  • Internes Marketing
  • Argumentationshilfe gegenüber Geschäftspartnern
  • Identifizierte Handlungsfelder
  • Verbesserte Innovationsfähigkeit durch eine verbesserte Prozessstruktur
Quelle: Fraunhofer IAO, Lorch-Innovationsaudit
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