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Schrauben und messen, funken und pressen

Software und Bluetooth bestimmen Trends in der Schraubtechnik
Schrauben und messen, funken und pressen

Wer mit Schraubern nur montiert, hat keine Phantasie: Mit der entsprechenden Software können die Werkzeuge messen, testen und neuerdings auch pressen. Akkuschrauber, die mit einem Bluetooth-Modul ausgestattet sind, funken die Schraubfall-Daten ohne lästige Kabel direkt an den Leitrechner.

Thomas Preuß ist Journalist in Stuttgart

Dass parametergesteuerte Schraubspindeln eher Messgeräte als Schrauber sind, stellte die Atlas Copco Tools Central Europe GmbH auf der Montagemesse Motek in Sinsheim unter Beweis: Die Essener zeigten, wie sich mit einem Schrauber die Funktionen Testen, Messen und Einstellen auf einer gemeinsamen Hardware-Plattform in die Montagelinie einbringen lassen. Mit einer Presskraft von 10 kN – es hätten auch 100 kN sein können – fügte eine sonst Drehmoment-Drehwinkel-gesteuerte Elektroschraubspindel des Power-Macs-Schraubsystems Blindstopfen in eine Passung. Um Kraft und Weg zu überwachen, benötige die Schraubersteuerung nur ein entsprechendes Programm, erklärte Rainer Cordes, Produktspezialist für Schraubautomaten bei Atlas Copco. Denn: „Ob der Schraubcomputer Drehmoment und Drehwinkel steuert – oder über das aufgebrachte Moment die Presskraft und über den Winkel den Einpressweg, ist nur eine Frage der Software!“
Damit wurde aus einer automatischen Schraubstation im Handumdrehen eine elektromechanische Fügeeinheit, die in Sinsheim auf großes Interesse bei einigen Anlagenherstellern stieß, wie Tools-Geschäftsführer Yngve Revander feststellte. Die Pressstation könne mit der Anlagensteuerung vernetzt werden und Mehrfach-Pressaggregate bilden, sagte Rainer Cordes. Durch die gemeinsame Plattform mit dem Schraubsystem profitiere der Anwender von dessen Datendokumentation und der IT-Anbindung an Qualitätssicherungs- und Produktionsleit-Netzwerke. Denn mit der Power-Macs-Technik hat jede Fügestation ihre eigene TCP/IP-Adresse, kann also übers Internet aufgerufen und gesteuert werden.
Auch Einstell- und Messaufgaben, wie Spur- und Lagerspieleinstellungen oder die Reibwertkontrolle an Kurbel- und Nockenwellen, kann das Schraubsystem in der Montagestation gleich mit erledigen. Die in solchen Fällen sonst üblichen Messbänke und Sonderautomaten werden also überflüssig. Die Software, die das ermöglicht, nennt sich Power-Macs-Gauging. Mit ihrer Hilfe kann eine Standardschraubspindel der QMX-Serie von Atlas Copco Tools zum Beispiel das Ventilspiel am Motor einstellen – oder Sturz und Spur der Vorderachse oder das Spiel des Lenkgetriebes. Ebenso könnte am Lenkgetriebe ein Leichtlauf- und Funktionstest erfolgen. Bei der Montage einer Lkw-Achsmutter per Gauging-Programm könnte der Schrauber zugleich das Lagerspiel einstellen: Bei vorgespannter Achsmutter würde er das Radlager solange drehen, bis der vorgegebene Leichtlauf erreicht wäre. Überwachen lassen sich Werkzeuge und Funktionen mit dem Leitwarten-Programm Factory Overview neuerdings aus mehreren Montagelinien in Echtzeit, wie Yngve Revander ergänzt (Industrieanzeiger 38/2003).
Vernetzung auf einer anderen Ebene hat sich die Robert Bosch GmbH auf die Agenda geschrieben: Die Stuttgarter präsentierten einen Funk-Akkuschrauber mit Bluetooth-Technik. Mit einem entsprechenden Funkmodul wird die Exact-Serie dialogfähig. „Der Akkuschrauber kann nun über einen Access Point online per Ethernet Informationen mit dem Prozessleitrechner austauschen“, erklärt Michael Gänzler, Vertriebsleiter Industriewerkzeuge. Damit lasse sich der Prozess ohne Kabel und Schläuche dokumentieren. Der Schrauber stellt folgende Daten zur Verfügung: Schraubertyp, Seriennummer, Inventarnummer, Bluetooth-Adresse, voreingestelltes Drehmoment, Schraubstelle sowie weitere frei wählbare Datenfelder. Dazu übermittelt das Tool die Schraubfall-Daten, wie I.O.- oder N.i.O.-Meldung, die sich aus Schraubzeit, Stromverlauf und Auslösung der Abschaltkupplung zusammensetzt.
Die Funkverbindung hat eine Reichweite von bis zu 20 m. Durch das adaptive „Frequenz-Hüpfen“ würden andere Funksysteme nicht beeinträchtigt, versichert Gänzler. „Bluetooth prüft, ob ein Kanal benutzt wird, bevor es dorthin hüpft.“ Mit über 2000 Mitgliedsunternehmen aus allen Branchen in der Bluetooth Special Interest Group sei gesichert, dass dieser Standard weltweit vorangetrieben werde, ist sich der Experte sicher. Die Akku-Schrauber der Exact-Familie decken einen Drehmomentbereich von 0,6 bis 30 Nm mit Drehzahlen von 100 bis 900 min-1 ab. Sie sind maschinenfähig mit Cmk-Werten über 1,67 bei einem Toleranzfeld von ± 10 %.
Während Bosch bei dieser Serie ansonsten alles beim Alten lässt, brachte die Holger Clasen GmbH + Co., Hamburg, eine neue Impulsschrauber-Serie nach Sinsheim. Die Hydro-Puls-Schrauber eignen sich für die Montage im Blech-, Apparate-, Fahrzeug- oder Schaltschrankbau und sollen sich durch exakte Arbeitsergebnisse und einfaches Handling auszeichnen. Die Hamburger bieten etwa 20 Geräte an, die zwischen 800 g und 2,6 kg wiegen und Drehmomente zwischen 7 und 160 Nm abdecken. Die Genauigkeit wird durch ein spezielles Einstellventil sowie ein Temperatur-Ausgleichsventil erreicht. Das reduziert Drehmomentschwankungen: Ohne Abschaltkupplung erreichen die Maschinen Genauigkeiten von ± 15 %, mit Abschaltkupplung von ± 10 %. Mit Druckluftantrieb sind Verschraubungen von M 5 bis M 12 möglich. Die Akkuversion erreicht vorerst nur 8 bis 45 Nm.
Im Bereich Peripherie stellte die WSM-Automation GmbH, Castrop-Rauxel, eine weiterentwickelte Positionskontrolle für handgeführte Werkzeuge vor. Dabei überwacht die Schraubersteuerung neben der Kurve des Drehmomentverlaufs auch die jeweilige Position des Schraubers – und zeigt sie auf dem Display an. Die Funktion stellt sicher, dass ein Bauteil in der richtigen Reihenfolge verschraubt wird, ohne dass der Anwender eine automatische Station mit Schrittmotor- oder Servoachse einsetzen muss.
„Posigraph“ nennen die Entwickler diese absolute Werkzeugpositionierung. Im Gegensatz zu bekannten Systemen, die in der Regel mit der Abfrage von Impulsen je Wegstrecke arbeiten, muss beim Posigraph nicht ständig ein Referenzpunkt angefahren werden. Die Schrauberposition wird mit dem System in einem bestimmten Verhältnis verkleinert und auf einen X-Y-Koordinatensensor übertragen und berührungslos abgetastet. An die Steuerung werden ausschließlich absolute Koordinaten übermittelt. Der Clou ergibt sich im Zusammenspiel mit der Steuerung von WSM: Die Visualisierung der Schraubergebnisse wird nun durch ein Abbild des Werkstückes ergänzt. Auf dem Bildschirm sieht der Bediener die nächste Schraubposition, und nur dort ist das Werkzeug einsatzbereit. Ist die Schraube angezogen, wird das I.O.- oder N.i.O.-Ergebnis angezeigt. Über das Netzwerk oder einen Drucker lässt sich ein Protokoll für das Werkstück ausgeben.
Schrauber funkt I.O.-Meldung an den Leitrechner
Industrieanzeiger
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