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Sensoren nehmen den akustischen Fingerabdruck

Instandhaltung: Körperschallmessung an Pressen
Sensoren nehmen den akustischen Fingerabdruck

Sensoren nehmen den akustischen Fingerabdruck
Servicetechniker bringen Sensoren am Kraftfluss der Presse an. Die aufgezeichneten Frequenzen liefern zuverlässige Daten über den Zustand der Maschine und ihrer Komponenten Bild: PTC
Ein plötzlicher Maschinenstillstand durch den Ausfall einer Komponente ist der Albtraum jeder Produktion. Mittels Körperschallmessung lassen sich verschlissene Teile punktgenau aufspüren.

Umformtechnische Anlagen unterliegen wie alle Maschinen einem nutzungsbedingten Verschleiß. Unterschiedliche Lastfälle, Schmierung oder der Einsatz von Stickstoffkissen führen zu einer nicht linearen Abnutzung. Insbesondere in hydraulischen Maschinen erzeugen Pumpen und periphere Komponenten hochfrequente Schwingungen, die negativ auf Maschinenteile einwirken und etwa zu Rissen im Pressenkörper oder zum Abriss von Verrohrungen führen können.

Im Presswerk des Hausgeräte-Herstellers Miele beispielsweise traten an einer 10 000-kN-Presse immer wieder die gleichen Probleme auf: Die hydraulische Kupplung musste in relativ kurzen Zeitintervallen überholt werden, da die Lamellen beschädigt waren. Techniker der PTC Presstechnic.Com GmbH aus Oberhausen gingen der Sache auf den Grund – mit Hilfe einer Körperschallmessung. Dadurch erkannten sie, dass der Werkzeugeingriffswinkel erheblich zu groß war. Die starke Torsion und Biegung der Antriebswelle führte dazu, dass die Schwungradlager sehr hoch belastet waren und die Antriebswellenlager kontinuierlich beschädigt wurden. Folge: Die grenzwertig ausgelegte Kupplung rutschte immer wieder kurzzeitig durch und wurde so überhitzt.
„Ganzheitliche Körperschallmessung ist ein sicherlich nicht kostenloses, aber zuverlässiges Mittel, um Produktionsmaschinen im kontinuierlichen Condition Monitoring zu halten“, erklärt PTC-Geschäftsführer Klaus Schülling. „Sie liefert objektive Daten, die wir mit Hilfe von Datenbanken und Erfahrungswerten aus drei Jahrzehnten interpretieren.“
Mit dieser Methode erkennt der Instandhalter Mängel und Störungen, die sich mit anderen Messtechniken erheblich schwerer aufspüren lassen:
  • Konstruktive Mängel an neuen Maschinen
  • Zustand der Maschine zu jedem Zeitpunkt, also auch zum Auslauf der Garantie
  • Verschleiß und Zustand der Maschinenkomponenten
  • Verbleibende Laufzeit der Maschine bis zur nächsten erforderlichen Instandhaltung
  • Zusammenspiel von Werkzeug und Maschine und resultierende Resonanzen
  • Erforderliche Werkzeugoptimierungen
  • Qualitätsbeeinflussende Faktoren in der Produktion
Bei der ganzheitlichen Körperschallmessung bringt der Servicetechniker Sensoren im Kraftfluss der Maschine an, beispielsweise am Zuganker, dem Getriebegehäuse und den Hydraulikleitungen. „An diesen Stellen sind sämtliche Geräusche, die in einer Maschine schwingungsbedingt entstehen, präsent“, erläutert Schülling. „Unbedingt erforderlich ist es, für jede Maschine nach Getriebe- und Funktionsart einen Frequenz-Kalender zu erstellen.“ Durch dieses Hilfsmittel weiß der Analyst genau, welche Geräusche er in dem Wirrwarr suchen muss. Spezielle Filter ermöglichen es, eine zu suchende Frequenz auszufiltern. Der Kurvenverlauf und die Signal-Amplitude erlauben dann eine Aussage über das gesuchte Maschinenteil.
Neben dem aktuellen Zustand einer Maschine lassen sich nach drei Messungen in Abständen von jeweils 500 Betriebsstunden Aussagen zu Laufzeiten der Maschine bis zur nächsten erforderlichen Revision oder bis zum Austausch der kritischen Komponenten berechnen. Zudem erfährt der Maschinenbetreiber, welche Teile wie stark verschlissen sind – somit kann er rechtzeitig Ersatzteile beschaffen. Die Methode ist damit auch ein Hilfsmittel, um Instandhaltungsbudgets genau zu ermitteln.
„Ideal ist ein Condition Monitoring bereits an neuen Maschinen“, betont Körperschall-Experte Schülling. So lassen sich konstruktive Mängel – etwa zu klein ausgelegte Lager, Unwuchten in Wellen und Montagefehler – früh erkennen. Der Zustand der Maschine zum Ablauf der Garantiezeit und erforderliche Nachbesserungen lassen sich so fixieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die Technologie eignet sich gut, um das Zusammenwirken von Werkzeug und Presse zu verbessern. Ein zusätzlich am Werkzeug angebrachter Sensor liefert Daten über die Belastungen der Presse im Arbeitsbereich. Neben den Arbeitsvorgängen lassen sich auch – sofern vorhanden – Veränderungen am Werkstück aufzeichnen, beispielsweise Stauchungen oder Rissbildungen. Während Optimierungsdaten im Offline-Betrieb aufgenommen werden, muss der Servicetechniker Werkstück und Produktion immer im Online-Betrieb kontrollieren. „Dies empfiehlt sich besonders für Maschinen, die bereits einen kritischen Zustand erreicht haben, aber noch nicht aus der Produktion genommen werden können“, erklärt Schülling.
Bei Miele in Gütersloh haben die Messergebnisse nach mehreren Jahren vergeblicher Ursachenforschung den wahren Grund für die zyklisch auftretenden Schäden geliefert. „Erst die Körperschallmessung hat uns auf den richtigen Weg gebracht“, bestätigt Werkleiter Detlef Fichtner. Der Pressenbetreiber änderte daraufhin die Werkzeugeingriffszeit und die Abstimmung der Stickstofffedern. Die Antriebswelle und ihre Lager wurden verstärkt, das Kupplungsmoment geringfügig erhöht. Ergebnis: „Die Presse arbeitet problemlos“, berichtet Fichtner, „seit über drei Jahren.“
Dr. Jürgen Pielen Geschäftsführer der PTC PressTechnic.Com GmbH, Oberhausen
Zusammenwirken von Presse und Werkzeug verbessern

Kosteneffizienz
Die Körperschallmessung hilft dem Konstrukteur, Maschinen zu optimieren, unterstützt den Betreiber bei der Ermittlung der bestmöglichen Maschinenlaufzeit und gibt der Instandhaltung genaue Informationen über den Zustand der Verschleißteile. Sie zeigt an, welche Teile wann zu wechseln sind und liefert wichtige Daten über das Zusammenspiel zwischen Werkzeug und Maschine. Kostenersparnisse liegen in den längeren Laufzeiten der Maschinen, den kurzen Zeiten für die Revision und im Vermeiden von Stressfaktoren aus den Werkzeugen.

Körperschallmessung – so funktioniert’s

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Die Körperschallmessung basiert auf der physikalischen Gegebenheit, dass Maschinenkörper und -elemente ein jeweils einzigartiges Schwingungsverhalten haben. Messtechnisch ist vom so genannten Fingerabdruck der Komponenten die Rede.
Seit Anfang der 70er Jahre ermitteln und dokumentieren verschiedene Institute die Resonanzfrequenzen von fast allen Maschinenteilen. Hochdynamische Beschleunigungssensoren nehmen die Schwingungen auf, die dann auf einem Magnetband analog aufgezeichnet werden (Grafik 1).
Bei der ganzheitlichen Körperschallmessung werden Sensoren im Kraftfluss der Maschine – etwa an Zuganker, Getriebegehäuse, Hydraulikleitungen – angebracht. An diesen Stellen sind alle Geräusche, die in einer Maschine schwingungsbedingt entstehen, präsent.
Da mindestens an zwei Stellen gleichzeitig gemessen wird, lässt sich beispielsweise anhand des Getriebeschemas oder durch das Hochrechnen der Signaldämpfung genau ermitteln, welches Bauteil an welcher Stelle stark verschlissen ist (Grafik 2). Das ist besonders wichtig, wenn die Maschine mehrere Komponenten der gleichen Bauart enthält.
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