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Sich im Markt und nicht beim Anwalt messen

Patentstreitigkeiten um Software in der Automatisierung nehmen zu
Sich im Markt und nicht beim Anwalt messen

Patentkonflikte drohen zum firmenpolitischen Druckmittel von Konzernen zu werden. Gerade in den USA sind kleine Automatisierungsunternehmen die Dummen, wenn sie ihre Lösungen und Software nicht umfassend patentiert haben.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

Produktpiraterie erstreckt sich längst nicht mehr auf das Fälschen von Markenuhren und T-Shirts. „Auch maschinennahe Automatisierungssoftware ist immer öfter das Objekt der Begierde“, stellt Edgar Schüber, Vorstandssprecher der Karlsruher XCC Software AG, fest. Als Schutz schlägt er anderen mittelständischen Unternehmen vor, ihre Softwareerfindungen patentieren zu lassen. „Wer nicht erfindet, der verschwindet, wer nicht patentiert, der verliert“, sagt auch Dipl.-Ing. Dieter Schaudel, Mitglied des Vorstands der Endress+Hauser Holding AG im Schweizerischen Reinach.
Es scheint, dass deutsche Unternehmen dem Patentieren zu wenig aufgeschlossen sind. Der Endress+Hauser-Manager weist auf den Trend hin, dass Japan Deutschland bei der Zahl der internationalen Patentanmeldungen vom Platz zwei hinter den USA verdrängt hat. „Diese Entwicklung ist nicht gut, denn sie ist auch ein Hinweis darauf, dass uns die Ideen ausgehen und damit der wichtigste Treibstoff für Innovationen“, warnt Schaudel. Noch mehr Sorgen macht ihm aber die weiterhin unangefochtene Dominanz der USA: „Die transatlantischen Wirtschaftskriege werden heute immer weniger mit Zöllen und Normen ausgefochten, dafür immer mehr mit den Waffen des amerikanischen Patent- und Patentprozessrechts“, so der Patentexperte. Wer einen Angriff mit diesen Waffen schon mal am eigenen Leib erfahren hat, der weiß, dass es für kleine und mittlere Firmen aus Europa ganz schnell um die Existenz gehen kann.
Das Patentrechtssystem in den USA erscheint nach Schaudel „für die Reichen gemacht“, weil Verletzungsverfahren extrem teuer sind und, anders als bei uns, das siegreiche Unternehmen in der Regel seine Prozesskosten auch noch selbst tragen muss. Wer das alles nicht glaubt, möge sich bekannte spektakuläre Fälle anschauen: Dieter Schaudel verweist auf die Auseinandersetzung Rambus gegen Infineon im Streit um das Verletzen von Halbleiterpatenten, oder den Fall Solaia, wo eine US-Anwaltskanzlei heftig gegen Anwender des Schnittstellenstandards OPC (Ole for Process Control) vorging. Und im Fall IBM gegen einen deutschen Anbieter geht es um eine verklausulierte Kombination von Motherboard und Floppy-Disk in einem Industriecomputer, wie er tausendfach in Maschinen eingesetzt wird. Für das betroffene Unternehmen ist dies eine aus den PC-Vorzeiten bekannte Selbstverständlichkeit. Zwar wurde bisher noch kein weiterer Anbieter mit den IBM-Ansprüchen konfrontiert, die weit reichenden Konsequenzen bei einem erfolgreichen Durchsetzen könnten aber durchaus einer Vielzahl von Industrie-PC-Herstellern schlaflose Nächte bereiten.
Offen ist auch die Angelegenheit der französischen Schneider Electric versus Opto22, einem US-Unternehmen aus dem kalifornischen Temecula. Trotz der begründeten Zweifel, die Opto22, selbst Anbieter von Steuerungs- und E/A-Komponenten, an der Rechtmäßigkeit der Schneider-Ansprüche äußert, kapitulierte man nach über zweieinhalb Jahren Rechtsstreit mit einem Vergleich. Aber nicht aus Einsicht, sondern auf Grund finanzieller Erwägungen: Das kleine Unternehmen war schlichtweg nicht mehr in der Lage, noch länger die finanzielle Last zu tragen, die mit dieser langwierigen Auseinandersetzung einherging.
„Weniger spektakuläre Fälle werden meist ganz unter der Decke gehalten, weil der Schwächere eingeknickt ist, oder weil der Stärkere auf unerwarteten Widerstand stieß und sich vorzeitig verglich“, bemerkt dazu Patentexperte Schaudel. Auch sind Fälle bekannt, wo deutsche Firmen in amerikanische Hand übergingen, einfach nach der Drohung, man werde in den USA einen Patentverletzungsprozess lostreten und ausleben. Besonders bedenklich wird es aber, wenn in USA patentgeschützte Technologien zunächst verdeckt in internationale Normen eingeschleust werden, um dann später abkassieren zu können.
Dieter Schaudel rät deswegen allen deutschen KMU:
  • Wie die Konzerne ein eigenes Waffenarsenal mit Patenten aufzubauen, dessen bloße Anwesenheit mögliche Angreifer abschreckt.
  • Bei jedem neu auf den Markt zu bringenden Produkt vorher sorgfältig zu prüfen, ob es in den USA ein Patent verletzt.
  • Jede noch so gering erscheinende Drohung aus den USA wegen einer angeblichen Patentverletzung sofort zur „Chefsache“ zu machen und sie möglichst früh zu ersticken.
Wenn die Juristen über die Automatisierung bestimmen

Leichte Recherche
Anfang November 2003 hat das Europäische Patentamt (EPO) seine Online-Patentdatenbank freigeschaltet. Über das technische Portal der EPO www.espacenet.com können Interessenten kostenlos auf die bibliografischen Daten von Patenten und ihren Rechtsstatus aus 40 Patentbüros und Organisationen zugreifen.Weitere Recherchetipps:
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