Startseite » Allgemein »

Software schützt am schnellsten

Moderne Linearmotoren erfordern moderne Sicherheitstechnik
Software schützt am schnellsten

Software schützt am schnellsten
Elektronische Sicherheitsfunktionen sehen ausdrücklich den Zugriff für Wartung und Einrichten vor. Damit lassen sich Unfälle durch umgangene Sicherungsmaßnahmen vermeiden (Bild: Bosch Rexroth)
Mit dem sicheren Halt und der sicher reduzierten Geschwindigkeit lässt sich der Maschinenbediener heute auf elektronischem Wege schützen. Wer dieser Technik vertraut, kann sogar mehr Sicherheit erreichen als mit bisherigen Lösungen, sagt Experte Gerhard Kobs.

Ein Mann hockt in der Maschine und soll den Zustimmungstaster durchdrücken, sobald sich eine Achse bewegt. Die schnellsten Testpersonen reagierten in 200 ms. Der Durchschnitt brauchte rund 400 ms, um in diesem vom Tüv inszenierten Experiment die Gefahr abzuwenden. „In 400 Millisekunden käme ein Linearmotor aber schon knapp einen Meter weit. Da kann man wohl kaum von Sicherheit reden“, sagt Gerhard Kobs, Sicherheitsexperte und Produktmanager Antriebssysteme bei der Bosch Rexroth Electric Drives and Controls GmbH in Lohr am Main. Das Problem in diesem Fall: Der Antrieb und die Lösung, die den Bediener schützen sollte, stammten aus verschiedenen Generationen von Technik.

Solche Unstimmigkeiten können auftreten, obwohl die Maschinenrichtlinie dem Maschinenbauer per Gesetz vorschreibt, dass er alle Gefahren berücksichtigen muss, die von seinem Produkt ausgehen könnten. So genannte C-Normen erleichtern ihm diese Aufgabe: Sie fassen zusammen, welche Sicherheitsmaßnahmen an einem bestimmten Typ von Maschine oder einem Roboter vorzusehen sind. „Die Geschwindigkeit und Beschleunigung, die beispielsweise ein Linearmotor im Fehlerfall erreicht, ist in einigen älteren geltenden C-Normen aber noch nicht berücksichtigt“, erläutert Kobs. Wenn ein Maschinenbauer neue, hochdynmaische Technik einsetzt, muss er daher die Gefahren selbst analysieren und bewerten. Wer das tut, kommt zu dem Schluss, dass Sicherheitstechnik aus Antrieb oder Steuerung schneller reagiert als ein Mensch. Sie hätte im beschriebenen Test die Maschine nach wenigen Millisekunden gestoppt, bevor die Bewegung richtig begann.
Dem Maschinenbauer bringen solche Produkte mit integrierter Sicherheit aber nicht nur besseren Schutz des Bedieners, sondern auch organisatorische Erleichterungen. Sobald feststeht, welche Sicherheitskategorie für eine neue Maschine relevant ist, kann sich der Konstrukteur den Antrieb demgemäß aussuchen. Denn viele Antriebshersteller lassen ihre Produkte zertifizieren und liefern eine Baumusterbescheinigung mit, die belegt, dass der Antrieb allen Forderungen des Gesetzgebers für eine gegebene Kategorie entspricht. „Für Spritzgießmaschinen“, ergänzt Kobs, „fordert die C-Norm sogar ausdrücklich eine solche Zertifizierung für die Motorsteuereinheit.“
Weil sich das Thema Sicherheit so komplex darstellt, ist dem Bosch-Rexroth- Mitarbeiter die Aufmerksamkeit von Konstrukteuren und Elektronik-Fachleuten sicher, wenn er in Seminaren über die neuen technische Möglichkeiten referiert. Und in der integrierten Sicherheitstechnik hat sich viel getan, seit 1996 die ersten Produkte auf den Markt kamen. Den sicheren Halt beispielsweise – eine Funktion, die Achsen sicher ausschaltet, während der Bediener in der Maschine arbeitet – haben viele Anbieter im Programm. Darüber hinaus lässt sich Sicherheit mit bewegten Achsen realisieren, indem die Geschwindigkeit reduziert wird oder der Maschinenbauer festlegt, in welchen Bereichen der Maschine sich eine Achse bewegen darf. Diese Funktion bieten laut Kobs nur eine Handvoll Hersteller an, wie Berger Lahr, Bosch Rexroth, GE Fanuc, Lenze, Siemens und SEW-Eurodrive. „Mit dem sicheren Halt und der sicher reduzierten Geschwindigkeit sind rund 80 Prozent aller heutigen Anwendungen abgedeckt“, erläutert der Produktmanager.
Neue Funktionen schützen den Bediener sogar ohne sein Zutun. Während er bisher beim Schichtwechsel die Maschine herunterfahren musste, um alle Funktionen neu zu aktivieren, beherrschen Indradrive-Antriebe von Bosch Rexroth heute die Zwangs-Dynamisierung. „Was sonst durch das Herunterfahren erreicht wurde, passiert hier minütlich während der laufenden Bearbeitung“, sagt Produktmanager Kobs.
Trotz der Fortschritte in der Sicherheitstechnik ist seines Wissens aber noch keine Lösung angeboten worden, die die Kraft oder das Drehmoment eines Roboters im Antrieb sicher begrenzt. Da das Drehmoment über den Strom gemessen und über den Motor geregelt werde, reichen schon zwei oder drei Zyklen von nur 62,5 µs aus, um das vorgegebene Moment zu erreichen. „Und das“, sagt Kobs, „ist aus dem Blickwinkel der Sicherheit auch für moderne Technik noch eine Herausforderung.“ op
Antriebshersteller liefern das Zertifikat mit dem Produkt
Sicherheit wird minütlich neu aktiviert

„Neue Norm bringt noch mehr Sicherheit für den Bediener“

472943

Nachgefragt

Bosch-Rexroth-Sicherheitsexperte Gerhard Kobs rechnet noch in diesem Jahr mit Neuerungen bei den Normen für die Sicherheit an Maschinen.
Wann kommt die neue Norm zur Sicherheit an Maschinen?
Wir rechnen damit, dass die Norm noch in diesem Jahr auf den Weg kommt, auch wenn der Prozess in Brüssel gerade stockt. Die endgültige Version der EN ISO 13849-1 war schon für den Januar 2006 vorgesehen. Und sobald sie veröffentlicht ist, hat jedes Land drei Monate Zeit, die Norm zu akzeptieren. Wenn das geschehen ist, bleibt den Maschinenbauern eine Übergangsfrist von drei Jahren, um sich an die neuen Regeln anzupassen.
Was verändert die neue Norm?
Sie bringt mehr Sicherheit für den Bediener, weil zusätzlich zu den bisher üblichen Sicherheitskategorien auch bewertet wird, wie zuverlässig ein Bauteil ist, wie effizient ein System mögliche Fehler aufdeckt und wie hoch die Fehlerwahrscheinlichkeit ist.
Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles wurde doch auch bisher berücksichtigt …
Die Annahmen, die bisher betrachtet wurden, beruhten vor allem auf Schätzungen. In Zukunft wird genauer gerechnet. Entsprechende Berechnungen und auch die Tests für die Fehlersuche haben wir für unsere Produkte schon durchgeführt.
Müssen sich die Betriebe organisatorisch umstellen?
Nein. Wenn ein Unfall auftritt, bleibt auch mit der neuen Norm die Verantwortung bei demjenigen, der die Konformitätserklärung für das CE-Kennzeichen unterschrieben hat. Damit der ruhig schlafen kann, müssen also auch in Zukunft Entwickler, Konstrukteur und Steuerungsprogrammierer eng zusammenarbeiten – am besten schon in der Planung, damit das höchstmögliche Maß an integrierter Sicherheit erreicht wird.

Neue Norm zur Maschinensicherheit
Die Maschinenrichtlinie gilt europaweit und ist in jedem Land in nationale Gesetze umgesetzt. Sie besagt, dass gefährliche Teile einer Maschine zu sichern sind. Für viele Maschinentypen gibt es C-Normen, die beschreiben, welche Maßnahmen im Einzelnen erforderlich sind.
Die Norm EN 954-1 spricht technische Fragen zur integrierten Sicherheit an und berücksichtigt auch Details der Steuerungstechnik. Sie arbeitet mit geschätzten Risikowahrscheinlichkeiten und ordnet Sicherheitsfunktionen verschiedenen Kategorien zu. Die höchste, Stufe 4, gilt für Maschinen mit hohem Gefahrenpotenzial.
Jetzt ist die EN ISO 13849-1 in Vorbereitung. Sie soll die EN 954-1 ersetzen und arbeitet mit Performance Levels. Diese bewerten zusätzlich zu den bekannten Sicherheitskategorien auch die Zuverlässigkeit von Bauteilen und berücksichtigen, wie gut ein System mögliche Fehler entdeckt und wie schnell ein Gefahr bringender Ausfall auftritt.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de