Der demographische Wandel ist in den Fertigungshallen angekommen. Hinzu kommt: In Zeiten guter Konjunktur schnappen die großen, namhaften Unternehmen den Kleinen oft die besten Köpfe weg. Doch es gibt viele positive Beispiele, wie sich kleine und mittlere Betriebe in Zeiten knappen Personals guten Nachwuchs sichern. Einige Aussteller der Metallbearbeitungsmesse AMB, die vom 18. bis 22. September in Stuttgart stattfindet, zeigen, wie‘s geht. Und mit einem spannenden Rahmenprogramm wirbt die Messe selbst für eine tolle Branche.
„Unternehmen werden durch die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt vor die Herausforderung gestellt, aktiver auf Bewerber zuzugehen“, sagt Kathrin Haimer, Personalverantwortliche bei Haimer (Halle 1, Stand C71). Der Spanntechnikspezialist aus Igenhausen pflegt zwei Schulpartnerschaften und organisiert zweimal im Jahr „Berufsfindungstage“. Diese regionalen Job-Messen richten sich gezielt an Schüler und Schülerinnen. „Um für Technik und unsere Industrie zu begeistern, stellen wir außerdem Mittel für Schulprojekte zur Verfügung und berichten regelmäßig über die Chancen und das Entwicklungspotenzial, das eine duale Berufsausbildung in einem innovativen Unternehmen mit sich bringt“, berichtet Haimer weiter. Die Igenhausener nutzen für die Nachwuchsförderung auch die AMB als Plattform. Die eigenen Auszubildenden besuchen gemeinsam die Schau, um die Bindung zum Unternehmen und zur Branche zu stärken. Indem sie sich auf der Messe informieren, sollen die Jugendlichen ein Technik-Quiz lösen.
Die Schweiz hat ähnliche Probleme wie Deutschland. Der Präzisionswerkzeug-Hersteller Fraisa (Halle 3, Stand B30) fährt mehrgleisig, um auf attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze aufmerksam zu machen. Über 1200 Lernende nehmen jährlich am landesweiten Wettbewerb „Fraisa ToolChampions“ teil. Und das lohnt sich: Neben Ruhm und Ehre gibt es Preisgelder in Höhe von insgesamt 60.000 Franken zu gewinnen. Im Großraum Solothurn wirbt das Unternehmen außerdem mit einer lokalen Berufsmesse, an der sich eine Reihe weiterer lokaler Unternehmen beteiligen. Das Besondere: Die Veranstaltung findet nicht in einer Messehalle statt, sondern in den Fertigungshallen. Etwa 2500 Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 10 erhalten hier von den Auszubildenden des Unternehmens aus erster Hand Einblicke in die Berufe.
Berufsbegleitendes Studium steigert Attraktivität
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) meldeten kürzlich „Ingenieurberufe: Engpässe werden zum Wachstums- und Innovationshemmnis“. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres standen über 80.000 offenen Stellen gerade einmal 24.000 Arbeitsuchende gegenüber. Dem mochte Präzisionswerkzeuge-Hersteller Walter (Halle 1, Stand H30) nicht länger tatenlos zusehen, schon gar nicht im Hinblick auf neue Herausforderungen durch Industrie 4.0. Für das Tübinger Unternehmen ist die digitale Transformation derzeit eines der wichtigsten Unternehmensziele. Gemeinsam mit der dualen Hochschule Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen bieten die Tübinger ab Herbst 2018 ein dreijähriges duales Wirtschaftsinformatikstudium zum Bachelor of Science an. Es verbindet ein wissenschaftliches Studium mit den praktischen Erfahrungen in einem Unternehmen der Werkzeugindustrie: Im Dreimonatsrhythmus wechseln die Studenten zwischen Hochschule und Praxis. Sie erwerben dadurch gleichermaßen Wissen, Berufserfahrung und sogenannte „Soft Skills“. Die Studierenden beziehen über die komplette Studienzeit ein festes Gehalt. Sie genießen darüber hinaus die Privilegien aller Mitarbeiter. Die Praxiseinsätze sind inhaltlich so abwechslungsreich, wie es der Beruf später sein wird. Auch ein mehrwöchiges Auslandspraktikum in einer der Walter Tochtergesellschaften steht auf dem Plan und steigert die Attraktivität des Arbeitgebers.
Azubis werben für ihren Beruf
Jugendliche lassen sich am ehesten von anderen Jugendlichen überzeugen. „Die Attraktivität unserer Ausbildungsberufe muss gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und dem Trend zur Akademisierung deutlich hervorgehoben und somit für Schüler und Schülerinnen besser sichtbar gemacht werden“, ist Jan Scharffenberg, Manager Konzernausbildung bei DMG Mori (Halle 10, Stand C11), überzeugt. Der Werkzeugmaschinenhersteller bindet daher einen Großteil der Auszubildenden als Standpersonal für die „Sonderschau Jugend“ der Nachwuchsstiftung Maschinenbau ein, die im Atrium (Eingang Ost) stattfindet. Scharffenberg: „Interessierte Jugendliche erleben nicht nur Technik live und hautnah, sondern können sich im direkten Kontakt mit unseren Auszubildenden über die Vielfältigkeit unserer Ausbildungsberufe informieren.“ Darüber hinaus unterstützt das Unternehmen schon seit zehn Jahren die WorldSkills auf internationaler Ebene und bei den Deutschen CNC-Meisterschaften auf der AMB. Dort stellt man vier Hightech-CNC-Drehmaschinen sowie Jury-Experten und koordiniert den gesamten Wettbewerbsablauf inklusive Vorentscheiden, Schulungen und kostenfreier Software für die teilnehmenden Auszubildenden. Jörg Harings, Head of Training der DMG Mori Academy: „Berufliche Wettbewerbe mit jungen Menschen vermitteln zusätzliche fachliche Inhalte, animieren zu Höchstleistungen und regen in den Ausbildungsbetrieben das kontinuierliche Überdenken bestehender Ausbildungsinhalte mit an.“ Harings macht auf eine weitere Herausforderung in der Berufsausbildung aufmerksam: die Digitalisierung. „Wir haben zur AMB viele technische Bildungsinstitute eingeladen, um über das Thema zu informieren und über Lösungsansätze zu diskutieren.“
Attraktives Rahmenprogramm
Die Nachwuchsstiftung Maschinenbau des VDW (Halle 10, Stand B01) hat seit März in Tübingen eine zweite Heimat im Süden Deutschlands gefunden. Auf 250 Quadratmetern werden Maschinenbauunternehmen in Süddeutschland in Sachen Ausbildung kompetent beraten. Standortleiter ist Michael Mühlegg: „Außerdem sind unsere Berater in Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz in den Unternehmen unterwegs und geben Hilfestellung rund um das Thema Duale Ausbildung.“ Einen Schwerpunkt bildet dabei eine mobile, digitale Lernplattform, die von der Nachwuchsstiftung entwickelt wurde und die Betriebe unterstützt, eine Industrie-4.0-gerechte Ausbildung zu realisieren. Damit will man auch das Image der Ausbildung verbessern, um den dringend benötigten Nachwuchs an Fachkräften zu gewinnen. Genau in diese Richtung geht auch die Sonderschau Jugend (Eingang Ost, Stand AT100) auf der AMB. „Auf etwa 600 Quadratmetern empfangen wir täglich um die 750 Schüler der Klassen 7 bis 10 und begeistern sie zusammen mit unseren Partnerunternehmen für Technik und Ausbildungsberufe im Bereich Metall und Elektro“, so Mühlegg. Gleichzeitig können sich Ausbilder und Lehrer aus der Region und darüber hinaus über das Angebot der Stiftung und zu aktuellen Themen informieren.
In direkter Nachbarschaft finden die „WorldSkills Germany“ in den Zerspanungsberufen Drehen und Fräsen für junge Fachkräfte bis 22 Jahren statt. Gegründet wurde der Verein WorldSkills Germany 2006. Mit der Ausrichtung nationaler und internationaler Berufswettbewerbe schafft er Plattformen für den beruflichen Erfolg junger Menschen. Die Sieger aus den während der AMB ausgetragenen beiden Disziplinen werden an der Berufsweltmeisterschaft 2019 in Kazan teilnehmen.
Drei weitere Sonderveranstaltungen wenden sich zwar nicht explizit an Nachwuchskräfte, sind aber auch für junge Menschen interessant: Beim Wettbewerb „DreherIn des Jahres“ am Donnerstag, 20. September, lässt sich gut beobachten, wie die „alten Hasen“ vorgehen. Einen hervorragenden Überblick über die Entwicklungen im Bereich Zerspanung und Fertigung liefert die PTW-Innovationstour in der neuen Paul-Horn-Halle (Halle 10). „Bei den Trends von morgen dabei sein“ lautet das Motto der Sonderschau des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt. Innovationsführer zeigen dort ihre Neuentwicklungen. Weitere Themen sind die Kombination aus additiver Fertigung und spanender Nachbearbeitung oder die Steigerung der Energieeffizienz auf Grundlage umfangreicher Energiedaten im Kontext von Industrie 4.0. Stichwort Industrie 4.0: Diesem Thema widmet sich die neue zweitägige Sonderschau „Digital Way“ am 18. und 19. September. Das Konzept besteht zum einen aus einem exklusiven Fachkongress, der in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Software und Digitalisierung des VDMA organisiert wird. Zum anderen präsentieren sich in einer Begleitausstellung Hersteller von Softwarelösungen sowie Dienstleister und Hersteller von Hardware. Showcases geben außerdem einen Überblick über das Zusammenspiel vernetzter Abläufe in Unternehmen. (mw)