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„Speziell bei kleinen Serien bietet das Verfahren Vorteile“

Lohnfertiger Bernard Schmidt zu den Fortschritten beim 3D-Wasserstrahlschneiden
„Speziell bei kleinen Serien bietet das Verfahren Vorteile“

Seit etwa vier Jahren gibt es 3D-Wasserstrahlschneidsysteme, deren Strahlköpfe sich um fünf Achsen bewegen. Bernard Schmidt, Inhaber des Wasserstrahl-Lohnbetriebs Microjet Sarl in Herrlisheim/ Frankreich, gibt Auskunft über die Fortschritte und beschreibt die Vorteile des Verfahrens.

Das Interview führte für den Industrieanzeiger Dr. Dieter Simon

?Herr Schmidt, welche Aufgaben lösen Sie vorwiegend?
!Die Anwendungsmöglichkeiten für das 3D-Wasserstrahlschneiden sind sehr vielfältig. Wir erhalten Aufträge aus zahlreichen Branchen, speziell für Werkstücke, die sich mit anderen Techniken sehr schwer, sehr teuer oder überhaupt nicht fertigen lassen. Wir arbeiten zum Beispiel für den Automobil-Bereich, für die Kunststoff- und Gewebetechnik, fertigen Schnitte bei Buntmetallen, aber auch bei Keramik und Glas.
?Wo sehen Sie die Vorteile des Verfahrens?
!Vorteile bietet das Verfahren speziell bei kleinen Serien. Wir brauchen kein Werkzeug und keine Formen, ja wir können sogar einzelne Prototypen günstig herstellen. Manchmal sind es Vorserien, wo das Werkzeug oder die Form noch entwickelt werden, oder Varianten, die in kleineren Mengen innerhalb großer Serien gefragt sind, für die sich ein spezieller Werkzeug- oder Formenbau nicht lohnt. Wir können sehr variable Arbeiten oder Nachbearbeitungen für Varianten erledigen.
?Gibt es weitere Vorzüge?
!Eine weitere Stärke des Fünf-Achsen-Systems liegt darin, dass es nicht auf eine Tischebene beschränkt ist, sondern an fertigen Werkstücken alle erdenklichen Be- und Nachbearbeitungen in verschiedenen Richtungen – auch über der Tischebene – durchführen kann. Manche Aufträge, die wir beispielsweise von Fräsern zur Nachbearbeitung erhalten, sind mittels Fräsen praktisch nicht auszuführen, etwa wenn es sich um gehärtete Stähle handelt oder spezielle Kanten gefragt sind.
?Apropos Fräsen: Mit welchen Techniken konkurrieren Sie?
!Direkte Konkurrenten sind das Laserschneiden, Fräsen, Stanzen, Pressen, aber auch das Drahterodieren. Der Laser ist wegen der hohen Temperatur im Schnittbereich vorwiegend auf Eisenmetalle beschränkt. Er ist zwar eindeutig schneller, erzeugt aber bei dickeren Materialien mehr Unebenheiten im Schmelzbereich. Auch bei dünneren Materialien halten wir gut mit, weil wir in mehreren Lagen arbeiten können, ohne diese zusammenzuschweißen. Der Wasserstrahl ermöglicht eine hohe Werkstück-Präzision und erspart oft das Nachbearbeiten – falls nicht zu schnell gefahren wird.
?Wie sieht der Vergleich mit dem Fräsen aus?
!Bei einfachen Formen geht Fräsen schnell. Bei filigranen Formen, speziell wenn scharfe Schnittkanten gefordert sind und dies noch in mehreren Richtungen, ist Fräsen reichlich umständlich. Häufig muss man neu ansetzen, das Werkzeug wechseln, oder gar das Werkstück anders einspannen. Diesbezüglich ist unser Fünf-Achsen-Wasserstrahlschneider unschlagbar, denn wir müssen nicht dauernd neu ansetzen oder neu einspannen, sondern können den Schnitt vielfach durchziehen. Manch komplexe Form lässt sich mittels Fräsen kaum herstellen. Häufiger kommen Fräser zu uns und fragen, ob wir bei speziellen Teilen helfen können, was wir natürlich gerne tun.
?Und die anderen konkurrierenden Verfahren?
!Stanzen und Pressen empfehlen sich primär bei hohen Stückzahlen, da in der Regel ein Werkzeug benötigt wird. Das Drahterodieren ist zwar sehr genau, dafür aber langsam und erfordert leitendes Material. Alle Kunststoffe scheiden aus. Es gibt auch Fünf-Achsen-Drahterodiersysteme, die allerdings sehr teuer sind.
?Wie präzise können Sie arbeiten?
!Das hängt vom Material, dessen Dicke und Härte sowie von der Schnittgeschwindigkeit ab. Die Präzision reicht bis ± 0,03 Millimeter. Je härter das Material, desto höher die Genauigkeit, da der Strahl vom Material geführt wird. Die Schnittbreite beträgt um 0,8 Millimeter, ebenfalls abhängig vom Material, dessen Dicke sowie der Schnittgeschwindigkeit. Vor allem aber erlaubt die Fünf-Achsen-Anlage einen Schnitt von 90° zur Werkstückoberfläche, was bei größerer Materialdicke wichtig ist. Mit einem einfachen Wasserstrahlschneidsystem ist dies nicht möglich, denn der Strahl streut ein wenig, so dass der Schnitt innerhalb des Materials mit wachsender Tiefe breiter wird. Das Ergebnis ist dann ein Schnitt, der nicht ganz 90° zur Werkstückebene liegt. Dies war bisher ein großer Nachteil des Verfahrens.
?Zu den Vorlagen sowie den Programmen: Womit arbeiten Sie da?
!Natürlich wird die Fünf-Achsen-Maschine per CAD-Programm gesteuert. Da der Maschinenhersteller aber vielfach Neuland betreten musste, hatten wir anfänglich ziemliche Probleme. Ich glaube, wir waren ein wenig Versuchskaninchen. Im Nachhinein sehe ich dies als Vorteil. Inzwischen haben wir die Dinge gut im Griff, und immer häufiger erkennen wir gute Lösungsmöglichkeiten für Aufgaben, bei denen zunächst niemand an Wasserstrahlschneiden gedacht hat. Aber speziell die Präzision ist Erfahrungssache. Damit sind wir wieder bei den Prototypen, den Vorserien oder den Varianten innerhalb großer Serien. Dort bringen wir unser Know-how ein, das wir zwar oft nicht direkt honoriert bekommen, aber die Kunden wissen, mit welchen Erfahrungen sie bei uns rechnen können. Wir haben schon manches hingekriegt, wo andere kapitulieren mussten.
?Was brauchen Sie vom Kunden?
!Als Vorlagen können wir CAD-Zeichnungen verarbeiten, gehen aber auch auf Wünsche, Erklärungen und Skizzen des Kunden ein. Manchmal müssen wir Vorrichtungen bauen, wenn wir Schnitte in höherer Ebene über dem Arbeitsgitter anbringen müssen.
?Wo sehen Sie die Grenzen des Wasserstrahlschneidens?
!Die Grenzen liegen bei hohen Stückzahlen, sowie in der Größe der Werkstücke. Unsere Schneidfähigkeit liegt bei maximal ein auf zwei Meter in der Ebene sowie 45 Zentimeter in der Höhe. Außerdem muss der Schneidstrahl in einem Wasserbecken aufgefangen werden, was einen maximalen Schnittwinkel von 55° zum Arbeitsgitter erlaubt. Leider müssen wir auch bei kugelförmigen Geometrien passen. Die Grenzen sind jedoch sehr weit gesteckt, und wir können sehr viele Aufgaben lösen.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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