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Stabkinematik schafft Stabilität und Steifigkeit

Pick-up-Drehzentrum Index Vertical Line V 100
Stabkinematik schafft Stabilität und Steifigkeit

Ihre Laborphase haben die neuen Kinematiken hinter sich: Steifer, schneller und einen Tick flexibler als die klassisch-kartesische Konkurrenz, zeigt das dreiachsige Drehzentrum der Index-Werke, dass sich unkonventionelle Denke auch im Maschinenbau lohnt. Die V 100 ist bereits über 100fach verkauft.

Die V100 verdient es“, hatte Thomas Walker gesagt und gleich seinen Terminkalender nach freien Stellen durchforstet. Wir hatten den Prokuristen der Esslinger Index-Werke gefragt, ob er die Redaktion bei einem Bericht über die derzeit einzige in nennenswerter Auflage gebaute Metallbearbeitungsmaschine mit Stabkinematik unterstützen würde. Mit einem Satz Prospekte allein sei es dabei freilich nicht getan. Auch hier hatte Walker freundlich genickt: Ja sicher, das sei ihm die Sache schon wert: Im Markt gebe es nach wie vor Vorbehalte gegen Werkzeugmaschinen mit paralleler Kinematik, auf jeden Fall aber die eine oder andere mentale Blockade. Insofern habe er wohl Informationspflicht.

Das mag erstaunen. Hatten die Esslinger in den vergangenen beiden Jahren doch über 60 Stück ihrer dreiachsigen V 100 ausliefern können. 40 weitere sind bestellt, und wenn die Konjunktur in den USA wieder in Fluss kommt, dürften es im nächsten Jahr noch einmal 100 Einheiten werden. Dennoch: Zur Düsseldorfer Metallbearbeitungsmesse Metav Juni 2000 auf den Markt gebracht, war die Indexsche Stabkinematikmaschine zunächst skeptisch beäugt worden. Zu viel Vorschusslorbeer war seit Mitte der 90er Jahre verteilt worden an diverse Tricepten, Lina- und Hexapoden, Variaxen und andere Systeme mit Koppelkinematik, ohne zu vermerken, dass es sich hier durchweg um Prototypen handelte. Vorgestellt auf den großen Messen der Branche, sollten sie in erster Linie ein Stück naheliegender Zukunft zeigen – mehr nicht. Herstellern wie Instituten ging es meist darum, die Mechanik und Steuerungstechnik dieser jungen Maschinengattung weiter zu entwickeln und deren Wirtschaftlichkeit und Einsatzchancen auszuloten. Wirklich serienreif wurde keines der Exponate.
Bei der V 100 dagegen, so berichtet Thomas Walker, sei dieses vom Start weg geplant gewesen. Als führender Drehtechnikanbieter habe man zeigen wollen, dass sich das Potenzial paralleler Kinematiken sehr wohl abrufen ließe. Deren altes Problem – der Mangel an schnellen Programmen und Rechnern – hatte sich mittlerweile erledigt, so dass eine Serienmaschine dieses neuen Typs früher oder später erwartet wurde. Prof. Günter Pritschow, als Direktor des Instituts für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen an der Universität Stuttgart mit Stabkinematiken bestens vertraut und als Beirat der Index-Stiftung dem Unternehmen verbunden, hatte ebenfalls zu solch einer Entwicklung ermutigt. Das war Anfang 1999 gewesen. Ein Jahr später war die Nullserie testreif.
µm-Präzision vom Fingerhut bis zur Milchkaffee-Tasse
Was sich auf der Maschine heute alles komplettfertigen lässt, erklärt Walker gern auf der Ebene der Lebenserfahrung: „… alle Teile von der Größe eines Fingerhuts bis hin zur Cappuccino-Tasse, sofern sie nicht härter als 65 HRC sind“. Das Einsatzfeld ist entsprechend breit. So lassen sich auf der V 100 sowohl vorgeformte Rohteile bearbeiten als auch Stangenabschnitte, Press- und Schmiedewerkstücke, Guss- und Sinterteile sowie bereits vorgearbeitete Teile. Selbstverständlich kann auch aus dem Vollen gearbeitet werden. Die Werkstücke werden von dem 130-mm-Futter der Motorspindel jeweils selbstständig aufgenommen und transportiert. Anders als bei kartesischen Vertikaldrehmaschinen, verfährt letztere dabei in drei statt lediglich in zwei Achsen. Eine C- Achse kann zugerüstet werden. Durch die Stabkinematik werden 10 m/s2 Beschleunigung und 50 m/min im Eilgang erreicht. Maßabweichungen durch Verzug und hohe Temperaturen sind ausgeschlossen, denn Maschinenbett, Spindelkasten und die Ständer der Vorschubschlitten sind thermosymmetrisch aufgebaut.
Hinzu kommt, dass die sechsstäbige Kinematik um ein Vielfaches steifer ist als der Kreuzschlitten. Wieso dies so ist und nicht anders sein kann, skizziert der promovierte Ingenieur flugs am Cremona-Plan zur Ermittlung von Stabkräften. Offiziell nennt er dazu zwar den Faktor 2,5, jedoch wird in allen Achsen der Arbeitsspindel tatsächlich das Mehrfache einer kartesischen Lösung erreicht – das sorgt für Laufruhe, locker beherrschten Flankendruck beim Hartbearbeiten und verbesserte Oberflächengüte der Werkstücke. Die Motorspindel ist gekühlt und statisch wie dynamisch steif. Zwei Drittel der bislang ausgelieferten Maschinen bearbeiten hart. Programmieren lässt sich die V 100 wie die kartesische Konkurrenz. Die Index-Steuerung C200-4D übernimmt dabei alle Interpolationen, so dass der Programmierer in seinen bekannten Achsen X, Y und Z sowie gegebenenfalls C arbeiten kann.
Der Workflow jedoch ist eigenwillig, aber um so effizienter organisiert. Tools, Flächenrevolver, Zusatzaggregate und die Werkstückzuführung sind flächig im Arbeitsraum angeordnet. Dies – kombiniert mit der Beweglichkeit der Pick-up-Spindel – ergibt Möglichkeiten im Teilehandling, die zusätzliche Schnittstellen innerhalb der Maschine erübrigen. Abgeschottet vom Arbeitsraum wird das Werkstück mit einem Laufwagen durch die Maschine zur Bearbeitung transportiert. Ein zweiter Laufwagen führt das Werkstück nach der Bearbeitung wieder nach draußen. Diese Art Zuführung bietet sich dann an, wenn mehrere Einheiten verkettet werden sollen. Zwischen den Maschinen kann eine Werkstückwendeeinrichtung eingesetzt werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Optimierung ist, eine Werkstückpalette direkt im Arbeitsraum abzusetzen. Ausreichend Platz dafür ist da. Durch die Spindel können die Teile dann direkt entnommen und nach der Bearbeitung wieder abgelegt werden. Die kurzen Wege bedeuten Netto-Zeitgewinn. Die Paletten selbst werden entweder manuell oder automatisch gewechselt.
Bei der V100 gehört die Y-Achse zur Grundausstattung. Das Drehen, Fräsen, Hartdrehen, Laserhärten und -schweißen, aber auch Füge- und Montagearbeiten sind damit auf engem Raum möglich. Je nach Anwendung lassen sich zudem verschiedene Schleifspindeln für die Innen- und Außenbearbeitung einsetzen. Insbesondere durch die Kombination aus Hartvordrehen und -fertigschleifen werden die Hauptzeiten bei der Hartbearbeitung weiter abgekürzt. Auch dies unterscheidet die V 100 von gängigen Konzepten. Ob und welche Verfahren des Weiteren vorgesehen sind, mag Walker derzeit nicht sagen. Jedoch lasse sich vom Grundsatz her nichts verneinen, was mit Blick auf die Fertigungskosten Sinn macht – die Aussage ist ebenso allgemein wie schlüssig.
Im Flächenrevolver der Maschine sind je sechs Werkzeuge in zwei gegenüberliegenden Arbeitsflächen untergebracht. Werden sie um 180° geschaltet, wird die gesamte Arbeitsfläche gewechselt. Solange ein Satz Werkzeuge ausreicht, fallen dadurch un- nötige Werkzeugwechselzeiten weg. Die Vorteile der Flächenbearbeitung bleiben auch beim Einsatz eines Revolvers erhalten. Werden angetriebene Werkzeuge verwendet, kann der Revolver in 5°-Schritten verriegelt werden. Somit kann immer mit geraden Werkzeughaltern gearbeitet werden. Aufwendig angetriebene Winkelwerkzeughalter erübrigen sich.
Am Markt dürften Walkers Verkäufer regelmäßig auf die Kollegen der holländischen Hembrug B.V. sowie von Emag Hardinge treffen: Die Niederländer sind Experten im Hartdrehen, das deutsch-amerikanische Joint Venture führend bei standardisierten Vertikalmaschinen. Dass die V 100 gegenüber letzteren rund 25 % teurer ist, hat bislang zwar noch keinen ernsthaften Kunden vergrault, den Esslingern jedoch einigen Erklärungsaufwand ab- gefordert. „Standardargumente helfen hier wenig weiter“, kreist Walker das derzeit einzig heftige Problem seiner V 100 ein. „Wir müssen schon einige Probebearbeitungen fahren, Messprotokolle und Stückkosten nachweisen, um zu zeigen, dass die Maschine unterm Strich die günstigere Alternative ist.“ Aber wie gesagt: Auch hier habe er eben Informationspflicht.
Das Referenzteil
Drehwerkstück für Antriebsstrang im Automobilbau
Material 16MnCr5
Härtegrad 60 HRC
bearbeitete Teilelänge 53 mm
bearbeiteter Durchmesser 21 mm
Schnitt . unterbrochen
Messwertspannweite V 100 15 µm (cm=7,92)
Messwertspannweite V 200 Tandem 30 µm (cm=5,30)
Bei diesem Teil lieferte sich Index Konkurrenz im eigenen Haus. Das Ergebnis der Messung war, dass der Einfluss der Stabkinematik auf den Maßtrend der Durchmessermerkmale in Z-Richtung gleich Null ist. Bei der kartesisch aufgebauten V 200 Tandem war dies hingegen nicht der Fall
Technische Daten
Pick-up-Drehzentrum Index Vertical Line V 100
Arbeitsraum X/Y/Z 280/280/145 mm
Handhabungsraum X/Z 110/90 mm
Eilgangsgeschwindigkeit 50 m/min
Beschleunigung 10 m/s2
Vorschubkraft 4000 N
Leistung Motorspindel 10,5 kW
Drehmoment Motorspindel 50 Nm
Drehzahl Motorspindel 10 000 min-1
Stationen Flächenrevolver 12
Leistung Werkzeugantrieb 9,5 kW
Drehzahl Werkzeugantrieb 10 000 min-1
Stationen Werkzeugleiste 8 bis 12
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