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Sternstunden der Effizienzmanager

Energietechnik: Effizienz ist Schlüsselgrösse für die Industrie
Sternstunden der Effizienzmanager

Sternstunden der Effizienzmanager
Auch das ist Energieeffizienz: Die informationstechnische Zusammenschaltung kleiner Erzeugungsanlagen, deren Einsatz von einem zentralen Energiemanagement geplant und optimiert wird Bild: Siemens
Branchenenergiekonzepte, Pumpentuning, Kraft-Wärmekopplung oder intelligente Lüftungssteuerung: Energieberater konnten in der Vergangenheit zahlreiche spektakuläre Entdeckungen feiern. Nach Expertenschätzung lassen sich in Betrieben die Energiekosten bis zu 50 % ohne Einschränkungen senken. Die Effizienz ist damit eine nationale Energieressource geworden.

Für die klassische Glühlampe geht 130 Jahre nach ihrer Erfindung in Europa endgültig das Licht aus. Die EU-Kommission beschloss, die ineffizienten Leuchten ab 2009 schrittweise zu verbieten. Dann sollen Energiesparlampen ihren Siegeszug vollenden – und damit einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Kostensenkung leisten. Denn die Kosten für Energie nehmen in den Bilanzen von Betrieben einen immer größeren Block ein. Die Potenziale, die durch den Einsatz moderner Technik gehoben werden können, sind erheblich. Durchschnittlich lassen sich die Kosten für Energie nach Expertenschätzung um 30 Prozent, in manchen Fällen bis zu 50 % senken, ohne dass Leistung, Qualität oder Arbeitssicherheit sinken. Aber nicht nur Licht, Klima und Heizung offenbaren Ratiopotentiale, auch optimierte Absauganlagen, Druckluftkompressoren, Schaltschrankkühlgeräte oder Energiemanagementsysteme können sparen helfen.

Ein Beispiel aus der Holzbearbeitung belegt das deutlich: Zwei Drittel der gesamten Stromkosten entfallen allein auf die Maschinenausstattung und die dazugehörigen Versorgungseinrichtungen. Der größte Energiebedarf mit einem Anteil von 40 % entfällt auf das Absaugen von Staub und Spänen, gefolgt von den Kosten für Druckluft, weiteren Produktionsmaschinen, Lackierraum, Beleuchtung und Heizung. In einem energieeffizienten Betrieb gelten für den Stromverbrauch pro Mitarbeiter 3000 kWh pro Jahr als Richtwert, der von der Produktionsstruktur und Betriebsgröße abhängt. Derzeit liegt aber der Stromverbrauch eines Betriebs mit einem Meister, zehn Facharbeitern und drei Auszubildenden etwa doppelt so hoch. Die Gründe: Die Maschinenausstattung und die Betriebsinfrastruktur entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand.
Während so mancher Betriebsinhaber darauf achtet, dass das Licht in der Werkstatt nicht lange brennt und die Temperatur niedrig gehalten wird, lässt er die großen Posten in der Strombilanz seines Betriebs außer Acht. So verbraucht etwa eine herkömmliche Absauganlage mehr Strom als die Bearbeitungsmaschine. Mit einem automatischen Schieber kann die Absaugung unterbrochen werden, wenn die Maschine nicht läuft. Allein dadurch können bis zu 20 % der Stromkosten gesenkt werden. Wird eine Luftrückführung eingebaut, sind zudem pro Jahr rund 4000 Liter Heizöl zu sparen, wenn die Werkstatttemperatur bei 20 °C.
Beim Energiefresser Drucklufterzeugung gehen bis zu 90 % der zum Antrieb des Kompressors eingesetzten elektrischen Energie als Abwärme verloren. Das heißt: Nur zehn Prozent der eingesetzten Energie stehen als Druckluft zur Verfügung. Die Abwärme sollte für Heizungszwecke genutzt werden. So kann die Abwärme eines 22-kW-Kompressors bei 1000 Betriebsstunden 1000 Liter Heizöl sparen. Auch bei Anschaffung eines neuen Kompressors kann gespart werden. Denn die meisten Maschinen benötigen nur einen Druck von sieben Bar. Eine Reduktion des Nenndrucks von zehn auf sieben Bar führt zu einer Stromeinsparung um 20 %.
Pumpen gehören zu den größten industriellen Stromverbrauchern. Mehr als 30 % des Stromverbrauchs in Gewerbe und Industrie entfallen auf Pumpenmotoren. Bezogen auf den Lebenszyklus einer Pumpe, betragen die Energiekosten durchschnittlich rund 45 % der Gesamtkosten. Zusätzlich entstehen Kosten für Instandhaltung und Wartung. Da Pumpen nicht immer auf Hochtouren laufen müssen, können Industrie- und Gewerbebetriebe hier ansetzen, um zu sparen. Nach den Erfahrungen der Deutschen Energie-Agentur GmbH (Dena) aus mehr als 70 durchgeführten Beratungen in verschiedenen Unternehmen lagen die Einsparpotenziale durch eine Optimierung von Pumpensystemen zwischen 2500 und 50 000 Euro. In Einzelfällen sogar bei 100 000 Euro pro Jahr. Durchschnittlich lag das Kostensenkungspotenzial bei 30%.
Anders als in Haushalten sollten sich Betriebe in Sachen Energieoptimierung aber externen Beratungsstellen oder technischen Überwachungseinrichtungen anvertrauen, die nicht nur komplette Analysen anbieten, sondern auch Know-how-Transfer in die Betriebe leisten. Warum? In der Regel fehlen in den Betrieben Kenntnisse der technischen Einsparmöglichkeiten sowie personelle Ressourcen für Energiefragen. Das sind die Erfahrungen der EnergieAgentur NRW, die auch durch Erkenntnisse von Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder der ETH Zürich bestätigt werden.
Auch das Beratungsunternehmen En-Control aus Hannover verknüpft technisches Know-how und Ideenreichtum mit innovativer Technik und entwickelt Kosten senkende Lösungen für eine optimierte Energienutzung. Ein Team aus Betriebswirten und Ingenieuren verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur die konzeptionelle Beratung beinhaltet, sondern mit konkreten Handlungsvorschlägen und in der Umsetzung vor Ort endet. Bei dem Betrieb Werner aus Leetze bei Bremen liegt der jährliche Stromverbrauch bei circa 425 000 kWh. Da nicht alle elektrischen Betriebsmittel mit derselben Verbrauchsreduktion auf eine Spannungsregelung reagieren, durchlaufen die Geräte eine gründliche Struktur-Analyse. Hierbei berücksichtigen Mitarbeiter von En-Control leistungskonstante, energiekonstante und spannungsabhängige Verbraucher mit ihrer jeweiligen Leistungsaufnahme: Sie setzen einen Spannungs-Datenlogger, um eine zuverlässige Aussage über die Ersparnis zu treffen. Das Gerät zeichnet die im Unternehmen vorherrschende Spannung über den Zeitraum von einer Woche auf. Dann wurden rund 14 500 Euro in eine Spannungsregelanlage investiert, deren Kosten sich in weniger als drei Jahren amortisiert. Der Stromverbrauch lag etwa zehn Prozent unter dem vorherigen Wert und alle elektrischen Geräte arbeiten vollkommen unverändert. Diese Anschaffung einer Delta-Volt-Anlage rentiert sich ab 300 000 kWh Verbrauch.
Das Unternehmen Dürr Systems verbessert die Wirtschaftlichkeit in der Lackiertechnik Erreicht wird diese Einsparung durch ein Paket von mehr als 20 verschiedenen Optimierungsmaßnahmen, die von einer ausgeklügelten Mehrfachnutzung heißer Trocknerabluft über die Konstruktion kleinerer Lackierroboter und damit auch kleinerer Lackierkabinen bis zur Konditionierung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Lackierkabinen mittels einer speziell entwickelten Software reichen. Ein weiteres Standbein des Konzepts ist ein neues Tauchverfahren für das Lackieren von Autokarosserien. Bei dem Rodip-Verfahren werden die Autos nicht wie herkömmlich durch das Tauchbecken gezogen, sondern um 360° gedreht. Dadurch können die Tauchbecken verkleinert werden, was Energie und Chemikalien einspart.
Grundsätzlich führen Ideenreichtum und das Nutzen bereits vorhandener technischer Möglichkeiten zu Einsparpotenzialen. Bei der Gebäudemodernisierung gibt es bereits sehr erfolgreiche Bemühungen, zum Beispiel durch KfW-Anreize, den Bestand zu modernisieren. Nach Einschätzung von Immobilienexperten wird der energetische Zustand einer Immobilie für Unternehmen immer bedeutender, weil davon Corporate Social Responsibility und Unternehmensimage abhängen. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung werden die Wirkungsgrade bei der Umwandlung von Primärenergie bis zur Nutzenergie deutlich gesteigert. In Lüdenscheid hat die Freund Drehtechnik GmbH vor zwei Jahren eine neue Fertigungshalle bezogen. Das wäre unspektakulär, wenn da kein innovatives und energieeffizientes Konzept zur Wärmeversorgung umgesetzt worden wäre. Nach Beratungen durch die EnergieAgenutur.NRW wird nun die Abwärme der Maschinen in Kombination mit einer Wärmepumpe und einer Fußbodenheizung zur Hallenbeheizung genutzt.
Werner Blaß, Geschäftsführer des Fachbereichs Elektrische Antriebe im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI), Fachverband Automation, bestätigt: „Bei Standardanwendungen in den betrieblichen Nebenfunktionen wie Pumpen, Ventilieren, Verdichten, Fördern, Bewegen, Klimatisieren und Kühlen finden sich gerade im installierten Bestand erhebliche Energie-Einsparpotenziale.“ Doch noch verzichten nach wie vor viele Unternehmen auf Energieeffizienzmaßnahmen. Das hat die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) im Rahmen der Initiative EnergieEffizienz bei überwiegend mittelständischen Unternehmen verschiedener Branchen ermittelt. danach sehen 36 % in der Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen die größte Herausforderung. 32 % verfügen nicht über genügend Informationen um sich der Energieeffizienzsteigerung widmen zu können. Dazu passt, dass 25 % der Unternehmen noch auf der Suche nach Ansatzpunkten für die technische Umsetzung sind. Vielleicht verhält sich die Industrie derzeit noch wie viele Privathaushalte in der Vergangenheit, denen jetzt erst die EU die Glühlampe ausknipste.

Marktchancen
Das Energiesparen in der Industrie hilft nicht nur der Umwelt, sondern verschafft auch Wettbewerbsvorteile. Auch wenn die Investitionskosten zunächst steigen sollten – wichtiger sind die Lebenszykluskosten, die sich verringern und am Schluss für günstigere Produkte sorgen. Energieeffizienz ist für alle Produktionsprozesse und damit für die Kunden des Maschinen- und Anlagenbaus ein immer wichtiger werdender Parameter. Energieeffizienz wird in Zukunft eine der Kaufentscheidungen werden.

Verborgene Schätze heben

Nachgefragt

Wie hoch sind denn heute die Energieverluste?
Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung beziffert sie in der Summe aller energetische Wandlungsstufen auf durchschnittlich 85 bis 90 Prozent.
Um wie viel Prozent könnten sie reduziert werden?
Ein Drittel wäre nicht unrealistisch.
…und in welchen Bereichen?
Es bieten sich vor allem bei Pumpen, Druckluft-, Hydraulik- und Antriebssystemen große Potenziale.
Können Sie das konkretisieren?
Die ABB Niederlassung in Minden hat aufgrund unserer Beratung 40 000 Euro in zwei neue Kompressoren investiert, dadurch 60 000 Kilowattstunden pro Jahr eingespart und die CO-2-Emission um 40 Tonnen pro Jahr reduziert.
Warum ist Hilfe nötig?
Hauptursache sind in der Regel fehlende Kenntnisse der technischen Einsparmöglichkeiten, mangelnde personelle Ressourcen für Energiefragen, Fehleinschätzung der Wirtschaftlichkeit einer Effizienzsteigerung sowie das Fehlen von Investitionskapital und entsprechenden Anreizen der öffentlichen Hand.
Welche Rolle sollte denn die Politik spielen?
Vielerorts sind bereits Strukturen und Institutionen geschaffen. In NRW ist es die EnergieAgentur.NRW oder das Förderprogramm progres.nrw, das sich vornehmlich aus Mitteln der NRW.Bank speist. In vielen anderen Ländern gibt es vergleichbare Einrichtungen.
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