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Stete Diagnose verlängertdas Maschinenleben

Predictive Maintenance verändert die Wartungsstrategie
Stete Diagnose verlängertdas Maschinenleben

Instandhaltung | Deutlich hat die Hannover Messe die Trends der vorausschauenden Wartung und Instandhaltung von Maschinen und Anlagen aufgezeigt. Dabei waren auch marktreife Systeme, die automatisch Handlungsvorschläge im Klartext auf dem Smart-phone unterbreiten. ❧ Dietmar Kieser

Der Befund stimmt: Die Verfügbarkeit aller Teile einer Produktionsanlage bestimmt maßgeblich ihre Leistungsfähigkeit. Das Ziel stimmt ebenfalls: Drohende Ausfälle müssen frühzeitig erkannt, ungeplante Maschinenstillstände vermieden und die Anlagenverfügbarkeit verbessert werden. Soweit herrscht Einigkeit – auch unter mittelständischen produzierenden Unternehmen. Vielen Firmenchefs scheint inzwischen klar zu sein, dass es mit der oft vorherrschenden korrektiven Wartung und Instandhaltung einzelner Aggregate und Maschinen längst nicht mehr getan ist.

Je modularer und flexibler eine Produktion sein muss, um die unterschiedlichen Anforderungen an Fertigungsaufträge zu erfüllen, desto eher liegt es im Interesse des Betreibers, stets über die Funktionstüchtigkeit seiner Anlage im Bilde zu sein. Dies gelingt, wenn Maschinenzustände mit aktuellen Sensorsignalen in Verbindung mit Systemen des Condition Monitoring (CM) permanent überwacht werden. Der Vorteil: Der Austausch einer Komponente wird planbarer, zudem braucht es keine festen Serviceintervalle mehr. Prozesse werden sicherer, die Produktivität der Anlage steigt.
Jedenfalls auf Produktebene haben die CM-Systeme Marktreife erreicht. Nach dem Start des Themas vor fast zehn Jahren mit proprietären Lösungen prägen heute zwar immer noch individuelle Lösungen und Konzepte das Bild. Doch mehr und mehr Feldgerätehersteller streben zunehmend nach einheitlichen Festlegungen, die ihre Techniken in Maschinen integrierbar machen, möglichst „ease of use“ sind und kompatibel mit bestehenden Strukturen. Der Schritt gilt in der Branche für die weitere Verbreitung als unabdingbar. Grundlage dafür ist das Einheitsblatt VDMA 24582 unter der sperrigen Chiffre „Feldbusneutrale Referenzarchitektur für Condition Monitoring in der Fabrikautomation“. Der deutsche Normenvorschlag wurde bereits eingereicht und soll auch in die internationale Normung bei IEC Eingang finden.
Denn kommunizieren Sensoren, Aktoren und Feldgeräte bis hin zur kompletten Maschine über eine einheitliche Schnittstelle untereinander, kann ein Produktionsprozess die nächste Stufe erklimmen: die vorbeugende Maschinenwartung und Fehlererkennung mit Hilfe von Software und Algorithmen. Derzeit wird das Thema unter dem Schlagwort Predictive Maintenance hoch gehandelt. Dahinter steckt die Vision, eine Lebensdauervorhersage zuverlässig bereits anhand sehr weniger Einzeldaten einer Maschine machen zu können. Wer im Voraus wissen möchte, wie es den beteiligten Maschinen- und Anlagenkomponenten in ihrem weiteren Leben ergeht, benötigt Vorhersagen und Handlungsvorschläge.
Möglich machen dies die verschiedenen Industrie-4.0-Technologien. Für die Gesamtstrategie müssen zahlreiche Bausteine ineinandergreifen. Schon deshalb ist Predictive Maintenance als wichtiges Kernelement der digitalisierten Produktion zugleich ein Lehrstück dafür, warum die Sache nicht so einfach ist – und deshalb eine Herausforderung für den Maschinenbau. „Um nicht den Anschluss an die Zukunft zu verpassen“, rät VDMA-Experte Peter-Michael Synek, „müssen sich die Unternehmen mit der Digitalisierung von Prozessen, Vernetzung, Kommunikation, Daten erfassen und speichern, Daten-Clouds und Zugriffsrechten ebenso beschäftigen wie mit Netzwerken mit Betreibern, aber auch Maschinenherstellern und Komponentenlieferanten“. Dafür bräuchten sie neue Prozesse, neue Strukturen und neue Organisationsformen. Dem Maschinenbauer nutzt dies laut Synek in Form neuer Geschäftsmodelle und engerer Kundenbindung. Letztendlich schaffe er damit einen Mehrwert für sich und seine Kunden.
Sensorik und Software bestimmen im Verbund mit intelligenter werdenden Feldgeräten das Innovationstempo auch bei Wartung und Instandhaltung. Dabei greifen drei Hebel: Sensor- und Aktordaten werden am Ort ihres Entstehens aufgenommen, in großen Mengen in Data-Mining-Systemen erfasst und an übergeordnete Systeme geliefert, die mit intelligenten Verfahren aus komprimierten Sensordaten Lastinformationen für die Diagnose generieren.
Beispiele, wie Einzellösungen zu einem Gesamtsystem verbunden werden, waren auch auf der diesjährigen Hannover Messe vertreten. An einer Stelle traten sie gebündelt auf: Zehn Aussteller der formidablen Sonderschau „Predicitve Maintenance“ hatten das Thema vorbeugende Instandhaltung für Besucher erfahrbar gemacht und den konkreten Nutzen der Technologien in verschiedenen Applikationen aufgezeigt. Die Ansätze reichten vom einzelnen Verschleißsensor über in Steuerungsplattformen integrierte Condition-Monitoring-Funktionen und mobilen Systemen mit Klartextanzeige vor Ort bis hin zu ersten Serviceangeboten.
Schaeffler etwa untermauert den Sprung in die digitale Welt nicht nur bei seinen Produkten. Auch bei internen Prozessen hin zum Kunden wird die Digitalisierung zunehmend genutzt. Seit Jahren bestückt der Schweinfurter Wälz- und Gleitlagerspezialist seine Komponenten und Systeme mit Sensoren. Dies in ein Geschäfts-modell zu gießen, ist für Schaeffler-Vorstand Dr. Stefan Spindler „die Zukunft“. Überhaupt treibt die Frage, wie das Geschäftsmodell dahinter aussieht, viele Komponenten- und Systemanbieter mächtig um. Schlussendlich müssen die Funktionen einen Mehrwert bieten.
Über sogenannte Micro-Services will Schaeffler aus Daten werthaltige Informationen generieren. Die Anbindung beispielsweise eines Antriebsstrangs erfolgt über die Schaeffler-Cloud (MindSphere), in der die jeweiligen Big-Data- und Software-Lösungen implementiert sind. Der Anwender benötigt dafür lediglich einen Internet-Browser samt Netzwerkverbindung. Einer dieser Services berechnet während des Betriebs die nominelle Restlaufzeit von Wälzlagern auf Basis realer Lastkollektive. Die Schwingungsüberwachung am Wälzlager soll beginnende Schäden an Lagern und anderen Maschinenelementen aufdecken. Die zweite Service-Neuheit hebt darauf auf, die Daten der automatisierten Wälzlagerdiagnose mit dem Schwingungsanalysesystem FAG SmartCheck zu erfassen und an die Cloud zu übermitteln.
Eine plug&play-fertige Condition-Monitoring-Lösung bietet Schaeffler erstmals unter der Bezeichnung FAG SmartQB an. Die Neuheit besteht aus einer Sensoreinheit, die ein kubisches Gehäuse samt Touch-Panel umgibt, samt Kabel für Stromzufuhr und Datenübertragung. Das Frühwarnsystem überwacht die Zustände von Elektromotoren, Pumpen, Lüftern und deren Wälzlagern, indem es Unregelmäßigkeiten erkennt und Fehler identifiziert. Fünf Fehlerursachen lassen sich ermitteln: Lagerschaden, Unwucht, Reibung/Kavitation, Temperaturanstiege sowie generell veränderte, aber nicht eindeutig zuordenbare Schwingungsmuster. Eine derart automatisierte Fehlerzuordnung hat weitreichenden Einfluss. So benötige das Instandhaltungspersonal keine schwingungstechnischen Kenntnisse mehr, heißt es. Überdies könnten Wartungsmaßnahmen und gegebenenfalls die Ersatzteilbeschaffung durch die Fehlerzuordnung in derzeit bis zu 16 Sprachen sofort eingeleitet werden. Der weitere Clou: Die CM-Lösung erzeugt aus den Schwingungsdaten automatisch Klartextmeldungen auf dem 7“ großen Display. Derzeit validiert der Anbieter die Neuheit in verschiedenen Kundenprojekten, darunter auch im Maschinen- und Anlagenbau.
Dass Meldungen im Klartext erfolgen, soll dem Anwender den Umgang mit CM-Systemen so einfach wie möglich machen. Damit, so argumentiert Dr. Hans-Willi Keßler, Leiter Service Produkte Industrie bei Schaeffler, „sinkt die Hemmschwelle und die Akzeptanz steigt.“ Denn nicht nur durch die neuartige Auswertung der erfassten Datenströme werden die vorausschauende Wartung und Instandhaltung entschieden. Auch die Zustimmung des Servicepersonals dürfte die stärkere Durchdringung der Systeme in den Fabrikhallen beeinflussen. Denn wenn ein Teil des Jobs von Computersystemen übernommen wird, muss der Instandhalter kein Experte mehr sein, was an seinem Selbstwertgefühl nagen könnte. Sein Domain-Wissen wird dennoch gefragt sein, wenn ihm die CM-Systeme weitere Handlungsvorschläge unterbreiten. Erhält er eine Meldung auf sein Smartphone oder Tablet, kann er selbst entscheiden, ob der veränderte Wert im Toleranzbereich liegt oder etwa die vorbeugende Wartung der Maschine eingreifen muss.
Lösungen müssen vor Ort sichtbar werden
Albrecht Winter, Leiter Geschäftsfeldentwicklung des Vakuumtechnikspezialisten J. Schmalz plädiert dafür, „unsere Produkte sowohl für die Automatisierung als auch für den Instandhalter vor Ort sichtbar zu machen“. Unter dem Slogan „Der Schalter, der alles sichtbar macht“, positionierte Schmalz den brandneuen Vakuum- und Druckschalter VSi auf der Messe. Bei deren Technologiepreis „Hermes Award“ gehörte die Neuheit zu den fünf Nominierten. Bei automatisierten Handhabungsprozessen, etwa an einer Presse, erhält der Nutzer auf sein Smartphone wichtige Daten direkt vom Prozessor des Schalters per Near Field Communication-Technologie. Dazu reicht es aus, dass er das Handy in geringem Abstand an den Schalter hält. Sogleich erscheint im Display eine ausformulierte und verständliche Meldung. Zugleich sind die Zustandsdaten bis in die Leitebene sicht- und nutzbar.
Auch Hydraulik- und Schmiersysteme können vom frühzeitigen Erkennen von Verschleiß und Schäden profitieren. Den aktuellen Zustand des Öls bestimmt der neue Verschleißsensor OPCom FerroS von Argo-Hytos. Der intelligente Sensor misst den Verschleiß mechanischer Bauelemente, indem er ferromagnetische Partikel detektiert. Dabei erfasst ein induktives Messsystem kontinuierlich die Menge an Partikeln und wertet sie aus. Bei alldem verfügt die als Einschraub- oder Eintauchsensor erhältliche 4.0-Komponente über eine hohe Sensitivität und soll unempfindlich sein gegenüber Störungen wie etwa Vibrationen. Laut Hertsteller können damit Überwachungssysteme kostengünstig aufgebaut werden, durch die sich Betriebs- und Folgekosten für den Anlagenbetreiber effektiv senken lassen.
Ist eine Maschine oder Anlage bereits mit Sensoren bestückt, lässt sich eine vorbeugende Instandhaltung auch mit relativ kleinem Geld realisieren. Der Pneumatikanbieter Aventics etwa nutzt auch vorhandene Sensoren, um Aussagen über den Zustand von Anlagen zu treffen. So werden etwa verschleißende Komponenten wie Stoßdämpfer überwacht. Dazu werden bereits existierende Zylinderschalter verwendet. „So können wir durch Überwachen des Zeitverhaltens der Prozessschritte den Zustand der Stoßdämpfer, aber auch von Antrieben oder Führungen bestimmen“, erläutert Dieter Michalkowski, Industrie 4.0-Experte bei Aventics.
Um alle Daten vollständig und unabhängig von der Maschinensteuerung online überwachen und analysieren zu können, kooperiert Aventics bei Projekten mit dem Sensoranbieter IFM Electronic. Durch die direkte Kommunikation der Sensor- und Pneumatiksysteme können die Zustandsdaten der Maschine, etwa derEnergieverbrauch, effektiver als bislang überwacht und frühzeitig optimierende Maßnahmen ergriffen werden.
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