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Steuerelektronik erzeugt spezifische Befettungsbilder

Minimalmengenschmierung: Sparen mit besseren Einstellwerten
Steuerelektronik erzeugt spezifische Befettungsbilder

Mit ausgefeilter Technik lassen sich auch große Bauteile nur dort befetten, wo das Schmiermittel erforderlich ist. Das senkt den Verbrauch um bis zu 75 %.

Dipl.-Ing. Lothar Handge ist Fachjournalist in Velbert

Die Schmiertechnik bietet zahlreiche Ansatzpunkte zum Reduzieren von Kosten, die noch nicht von allen Unternehmen entdeckt sind. Dipl.-Ing. Georg-Gisbert Zibulla, Geschäftsführer der Raziol Zibulla & Sohn GmbH in Iserlohn, kennt die schlummernden Potenziale: „Wir fahren derzeit Versuche bei einem Unternehmen im Sauerland, wo wir den Schmierstoffverbrauch schon im ersten Schritt auf 35 Prozent reduzieren konnten.“ Wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft würden, ließe sich häufig der Verbrauch insgesamt um bis zu 75% senken.
Dazu ist natürlich ein gewisser Aufwand nötig, sowohl was die Wahl des Schmierstoffs oder die Art des Befettens betrifft, als auch die Einstellung bei den Beteiligten. Das Motto „viel hilft viel“ ist weder für die Bilanz gut noch für die Teile. Überschüssiges Öl kann beispielsweise beim Verarbeiten von Dünnblechen Probleme verursachen oder wird bestenfalls beim Umformen einfach abgequetscht.
Inwieweit auf Schmierstoff verzichtet werden kann, hängt vom Werkstück ebenso ab wie vom Arbeitsprozess. Das Stanzen, Feinschneiden, Biegen oder Profilieren verlangt andere Lösungen als das Tiefziehen oder spanende Fertigungsverfahren. Beim Stanzen oder Feinschneiden beispielsweise braucht das einlaufende Bandmaterial nur so weit befettet zu werden, dass das Öl für alle Prozesse im Werkzeug ausreicht. Darüber hinaus ist es möglich, die Werkzeuge durch integrierte Kanäle oder von außen über Minimalschmierdüsen nachzuschmieren.
Beim Tiefziehen ist der sparsame Umgang mit Schmierstoff schon wegen der Größe der Teile sehr wichtig. „Hier geht der Trend bei der Minimalmengenschmierung mehr und mehr in Richtung partieller Befettung“, weiß Zibulla. In Zonen, die gehalten werden müssen, ist mehr Reibung erforderlich als in Zonen, die fließen. Über gezieltes Befetten läßt sich hier eine Art Ziehkissenstruktur erzeugen. Erfahrungen gesammelt haben die Iserlohner Spezialisten beim Umformen von Edelstahlspülen. Zibulla: „Dabei kann man die Schmierstoffmengen so weit reduzieren, dass sie weit unter drei Gramm pro Quadratmeter, ja sogar unter ein Gramm pro Quadratmeter liegen.“
Um solche Ergebnisse zu erreichen, analysieren die Fachleute zunächst den Ist-Zustand: Welche Teile werden mit welchen Maschinen, Ölen und Schmierapparaten gefertigt. Als primäre Lösung korrigieren sie die Einstellwerte beim Beölen, sofern die Aggregate das erlauben. Schritt für Schritt tasten sie sich an die Grenze heran, bis zu der ein einwandfreies Teil entsteht. Schon dieser erste Durchgang erlaubt nach den Erfahrungen der Iserlohner oft Einsparungen von bis zu 30 %.
Im zweiten Schritt geht es um Teile, die in bestimmten Zonen sehr viel Öl benötigen, aber beim größeren Flächenanteil – manchmal über 90 % der Gesamtfläche – mit einem Zehntel oder weniger dieser Ölmenge auskommen. Hier lässt sich durch ein Befetten mit Walzen ein sehr dünner Film aufgetragen. An neuralgischen Stellen ist ein Nachfetten im oder durch das Werkzeug möglich. Mit einem solchen zweiten Schritt lässt sich der Schmiermittelverbrauch noch einmal senken, hat Zibulla beobachtet: 10 bis 15 %, bezogen auf den bereits reduzierten Wert, sind möglich. „Eine Gesamtreduzierung von 75 Prozent ist sicher nicht immer erreichbar“, weiß der Raziol-Chef, „aber 15 Prozent können bei wichtigen Bauteilen schon viel ausmachen, wenn sie hinterher nicht mehr entfettet werden müssen und praktisch einbaufertig aus der Presse fallen.“ Bei Preisen von 4 bis 8 DM für 1 kg Tiefziehöl dauere es nicht lange, bis sich effizientere Schmiergeräte rechnen. Wegen der gestiegenen Anforderungen an die Sauberkeit der Teile, beispielsweise für anschließende Lackiervorgänge, sei besonders das sorgfältige Entfetten ein wichtiger Kostenfaktor.
Auch Kühl-Schmier-Emulsionen, die bei Stufenpressen in einem geschlossenen Kreislauf genutzt werden, sind wegen des hohen Aufwandes für Wartung und Pflege nicht unproblematisch. Bei vielen Stufenpressen kann man heute statt des Gemisches eine Verlustschmierung nur mit Öl verwenden. Da so weniger Reibung und weniger Wärme am Werkzeug auftritt, kann auf die Kühlleistung verzichtet werden. So lange die Temperatur auf leicht erhöhtem Niveau konstant bleibt, lassen sich die Nachteile der Umlauföle, die durch Bewuchs mit Bakterien und Pilzen Hauterkrankungen, aber auch Korrosion an den Werkzeugen hervorrufen können, gut vermeiden.
Mit modernen Applikationsverfahren ist es heute auch möglich, die Schmierstoffmenge zur richtigen Zeit am richtigen Platz aufzubringen. Beim partiellen Befetten wechseln sich beölte mit nicht beölten Zonen ab. Die Bereiche lassen sich über Minimalschmierdüsen einzeln ansteuern, so dass mit Hilfe aufwendiger Steuerungselektronik regelrechte Befettungsbilder entstehen. Bei Raziol schrieben die Mitarbeiter eigens ein Programm, das auf einer selbstentwickelten Steuerung basiert. „Wichtig dabei war uns ein einfacher grafischer Aufbau“, betont Zibulla. Nach relativ kurzer Schulung – oft reiche eine halbe Stunde – sei der Bediener in der Lage, ein Befettungsbild zu erzeugen. Bei der Sektionalbefettung lässt sich mit speziellen Düsen die Durchflussmenge einstellen und partiell mehr oder weniger befetten.
Auch weiterentwickelte Fertigungsverfahren steigern die Ansprüche. Zibulla nennt als aktuelles Beispiel das Innenhochdruckumformen, bei dem „im Bereich Schmieren heute noch Probleme auftauchen“. Die Zukunft liege darin, mit Walzen möglichst minimal vorzubefetten und partiell nachzubefetten oder generell nur partiell zu befetten. Dieser Trend ergebe sich daraus, dass hier die hohen Investitionskosten durch die großen Einsparpotenziale gedeckt seien. Freilich ist die Minimalmengenschmierung keineswegs auf große Serien beschränkt, sondern auch für Kleinstserien bis hin zur Einzelteilfertigung geeignet.
Schmierverfahren: Düsen sprühen ohne Ölnebel
Sprühverfahren, Walzen oder Bürsten sind geeignet, um möglichst kleine Mengen an Schmierstoff aufzutragen. Moderne Düsen kommen häufig ohne Absauganlage aus.
Für das berührungslose Befetten mit Düsen sind zwei Systeme entwickelt worden. Beim Airless-Verfahren wird Öl mit hohem Druck aus der Düse ausgepresst, wobei ein kegelähnlicher Strahl entsteht Beim Venturi-Verfahren wird das Öl in der Düse mit Luft vermischt und tritt dann aus. Die Iserlohner Raziol Zibulla & Sohn GmbH setzt heute meist ein Mischverfahren ein. Das Öl tritt aus der Düse als Strahl aus. Spiralförmig geführte Luft, die den Ölstrahl umfließt, versetzt diesen in Rotation, so dass die Zentrifugalkräfte das Medium in kleine Tropfen auflösen. Ihre Größe hängt von der Energie ab, mit der die Rotationsluft zugeführt wird. So lässt sich Ölnebelbildung vermeiden. Viele dieser Düsen kommen ohne Absauganlage aus. Bei größeren Durchsatzmengen oder Bandmaterial ist es zweckmäßig, die Düsen in eine Kammer einzubauen und zusätzlich die Luft abzusaugen. Die Düsen gelten als selbstreinigend. Verunreinigungen können nur von ungefiltertem Schmierstoff hervorgerufen werden, so dass bei derartigen Anlagen Filtereinrichtungen vorgeschaltet werden müssen.
Bei der berührenden Befettung wird das Material in der Regel durch ein Walzenpaar geführt. Als Walzenmaterial kommen Filz, Gummi sowie Fließstoff in Frage. Am besten dosieren Filzwalzen oder – wenn es um hochviskose Schmiermittel geht – Bürstenwalzen, bei denen sich das Medium von innen zuführen lässt. Mit der richtigen Walzenbreite ist sichergestellt, dass nur der benötigte Schmierstoff abgegeben wird.
Fließstoff- oder Gummiwalzen quetschen vom Material das überschüssige Öl ab, das im Umlauf bleibt. Abgeriebene Werkstoffteile werden hierbei mit dem Öl laufend im Kreislauf geführt. Daher ist keine optimale tribologische Einstellung möglich, und das Verfahren führt nicht zu den gleichen Reduzierungen, wie sie mit von innen geölten Walzen zu erreichen sind.
Industrieanzeiger
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