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Strategiespiele auf dem Feld des internationalen Wettbewerbs

Passende und konsequent umgesetzte Unternehmensstrategie ist entscheidend für den Erfolg
Strategiespiele auf dem Feld des internationalen Wettbewerbs

Unternehmensstrategie, Prozesswissen, Fertigungs-Know-how, Mitarbeiterqualifikation und -motivation – Werkzeug- und Formenbauer müssen diese „weichen“ Fakten im Griff haben, wenn sie auch zukünftig erfolgreich sein wollen.

Von unserem Redaktionsmitglied Haider Willrett haider.willrett@konradin.de

„Unsere Kunden erwarten zunehmend eine prozesssichere Systemlösung“, sagt Georg Mai. „Bezahlen wollen sie aber nach wie vor nur ein Werkzeug“, fügt der Leiter des Projektmanagements bei der Hofmann Werkzeugbau GmbH in Lichtenfels hinzu. Was die Aufgabe schwierig macht: Die Ursachen für auftretende Systemstörungen gehen vielfach gar nicht vom Werkzeug selbst aus, sondern vom Umfeld. „Wir reißen uns zwar nicht um diese Arbeit, aber wir sehen sie als Herausforderung, die wir gerne annehmen, und als gute Chance, uns von weniger kompetenten Wettbewerbern abzuheben.“ Mai beschreibt eine Situation, die vielen deutschen Werkzeug- und Formenbauern vertraut ist: Die Anforderungen steigen ständig, die Erlöse dagegen sind in den letzten Jahren zum Teil drastisch gesunken.
Entscheidender denn je für den Erfolg ist die Wahl der richtigen Unternehmensstrategie. Werkzeug- und Formenbauer müssen sich genau überlegen, mit welchem Angebot sie am Markt erfolgreich sein wollen und vor allem sein können. „Es gibt zwei grundsätzliche Vorgehensweisen: Entweder man erarbeitet eine Erfolg versprechende Strategie und stattet sein Unternehmen entsprechend mit Maschinen und Know-how aus, oder man macht eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Fertigungsmittel und hält nach einer dazu passenden Marktnische Ausschau“, erläutert Dr. Thomas Bergs, Geschäftsführer des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen. Ist genügend Investitionspotenzial vorhanden, biete die erste Variante allerdings die deutlich besseren Erfolgsaussichten. Sie kann frei auf aktuelle und zukünftige Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet werden. Solche Entscheidungen verlangen von den Führungskräften allerdings ein sehr sensibles Gespür für Entwicklungen und Veränderungen des Markts und die Bereitschaft entschlossen zu reagieren.
Begriffe wie Kundenorientierung klingen zwar mittlerweile abgedroschen, in der Praxis sind sie jedoch vielfach noch nicht umgesetzt. „Betriebe, die gute Formen bauen, gibt´s weltweit tausende. Aber solche, die gezielt auf die jeweiligen Bedürfnisse ihrer Abnehmer eingehen und ihnen eine prozesssichere Gesamtlösung liefern können, sind vergleichsweise selten“, zeigt Georg Mai eine mögliche strategische Ausrichtung auf. Als Engineering-Dienstleister bringen solche Anbieter ihre Fertigungs- und Prozesskompetenz bereits in der Entwicklungsphase eines neuen Produkts mit ein. „Der Prozess muss bereits im Vorfeld richtig ausgelegt werden, sonst nützt hinterher das beste Werkzeug nichts“, betont Mai. Werkzeug- und Formenbauer, die das leisten können, helfen ihren Kunden, deren Fertigungsprozesse zu vereinfachen und wirtschaftlicher zu gestalten. Zudem steigern sie die Produktivität und bieten damit einen Mehrwert, durch den sich die im Vergleich zu Billiganbietern höheren Einstandskosten eines Werkzeugs rechnen. „Diesen Mehrwert gilt es zu vermarkten“, betont Bergs, „denn ein Preiswettbewerb mit Billiganbietern wäre fatal.“ Andere Strategien mit Zukunftspotenzial sind die Konzentration auf lukrative Marktnischen oder der Wandel vom handwerklichen zum industrialisierten Formenbau. Für viele Produktgruppen – etwa PET-Flaschen oder Handyschalen – können Werkzeuge modular aufgebaut und viele Komponenten in Serie gefertigt werden.
Doch nicht nur die Standardisierung von Bauteilen ist ein Weg zu mehr Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Für einen reibungslosen und effizienten Arbeitsablauf müssen auch die innerbetrieblichen Prozesse aufeinander abgestimmt werden. „Standardisierung bedeutet Eindeutigkeit und Verlässlichkeit. Ist die gesamte Prozesskette von der Projektleitung und der Kalkulation über die NC-Programmierung und Fertigung bis hin zum Qualitätswesen standardisiert, sind Kommunikationsprobleme ausgeschlossen“, sagte Günter Hofmann, Geschäftsführer der Hofmann Werkzeugbau GmbH, anlässlich des 5. Kolloquium Werkzeugbau mit Zukunft, das der Aachener Werkzeug- und Formenbau, eine gemeinsamen Initiative des Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen und des Fraunhofer-IPT, veranstaltet hat. Damit trägt die Prozessstandardisierung zu kürzeren Durchlaufzeiten und mehr Wirtschaftlichkeit bei und hilft, die Qualität der Produkte zu verbessern.
Eine moderne Betriebsausrüstung in Sachen Maschinen und Anlagen ist für deutsche Werkzeug- und Formenbauer Pflicht, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. „Über etwas Anderes als High Tech brauchen wir uns hier gar nicht mehr zu unterhalten“, sagt Martin Gosch, Vertriebsleiter im Geschäftsfeld Formenbautechnologie Europa bei der Makino GmbH in Kirchheim/Teck. Gosch macht deutlich, welches Potenzial hinter manchem asiatischen Anbieter steckt: „Der größte chinesische Werkzeug- und Formenbauer beschäftigt rund 10 000 Menschen, und dieser Betrieb kauft bei uns zwischen 2005 und 2007 jedes Jahr rund 280 Senkerodiermaschinen, dazu eine größere Zahl an Bearbeitungszentren und Schneiderodieranlagen.“ Gosch betont, dass es sich dabei durchweg um Hochpräzisionsmaschinen handle, die den meisten deutschen Betrieben zu teuer seien. „Unternehmen wie der chinesische Kunde arbeiten nicht nur mit modernster Technik, sie kaufen auch Engineering- und Prozesswissen. Dadurch ist ihre Lernkurve steil“, ergänzt er.
Einig sind sich viele Experten deshalb darin, dass nicht die harten Fakten den Ausschlag zum Erfolg geben, sondern die weichen. Für Willi Schmid, Geschäftsführer des Branchenverbands VDWF (Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer) ist nicht entscheidend, „dass man eine bestimmte Maschine oder Anlage einsetzt – die kann jeder asiatische oder osteuropäische Betrieb auch kaufen –, sondern was man aus ihr herausholt“. Deutsche Unternehmen müssten Wettbewerbsvorteile ausbauen, die nicht so leicht zu kaufen oder zu kopieren seien wie die Anlagen-Hardware. Prozesswissen und Fertigungs-Know-how zum Beispiel.
Vielfach liegt beim Einsatz moderner Werkzeugmaschinen noch einiges Rationalisierungspotenzial bracht. Mit pfiffigen Automatisierungslösungen sowie innovativer Steuerungstechnik, ausgestattet mit 3D-Werkstücksimulation inklusive Kollisionskontrolle, komfortablen Mess- und Einrichtfunktionen oder der Integration spezifischer Bearbeitungszyklen erleichtern Maschinenhersteller ihren Kunden das Abarbeiten selbst komplexer Jobs. Um weitere Produktivitätsreserven zu erschließen, bietet beispielsweise die zum Bielefelder Gildemeister-Konzern gehörende DMG Vertriebs und Service GmbH das neue Schulungsmodul DMG Training Plus an, das individuell die jeweiligen Anforderungen und Gegebenheiten des Anwenders berücksichtigt.
Die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter sieht auch Georg Mai als entscheidende Voraussetzung für den Erfolg: „Bei uns hat jeder eine fachspezifische Ausbildung, viele haben jahrzehntelange Erfahrung. Und bei anderen erfolgreichen Unternehmen der Branche sieht das nicht viel anders aus.“ Um das Potenzial ihrer Mitarbeiter besser zu nutzen, hat die im Liechtensteiner Eschen ansässige Thyssen-Krupp Presta AG die Teamarbeit und ein Teamprämiensystem eingeführt. „Das Ziel war, die Mitarbeiter durch vermehrtes Einbinden in Entscheidungsprozesse und durch Übertragen von Verantwortung zu stärkerem unternehmerischem Denken und Handeln zu befähigen und zu animieren“, sagt Dr. Matthias Hänsel, Bereichsleiter Werkzeugbau. Er gibt zu bedenken, dass die Teamarbeit nicht mit der klassischen Gruppenarbeit verwechselt werden dürfe. Während bei letzterer eine Führungsperson die Leitung nach dem Prinzip „Befehl und Gehorsam“ übernimmt, werden die Teams von einem Coach geführt. Dessen Hauptaufgabe ist es, die Mitarbeiter zu teilautonomen Gruppen zu entwickeln. „Dabei muss es ihm gelingen, die drei Rollen des Prozesssteuerers, des Orientierungsgebers und des Klimaförderers zu verbinden“, erläutert Hänsel. Das sei eine anspruchsvolle Aufgabe, die eine hohe soziale Kompetenz voraussetze.
Der Coach vereinbart mit dem Team Ziele und unterstützt es bei deren Umsetzung. Zu den Aufgaben des Teams gehört dann beispielsweise das eigenständige Koordinieren von Aufträgen und Terminen, die Werkerselbstprüfung oder die Urlaubsplanung. „Der erforderliche Zeitaufwand für diesen Veränderungs- und Lernprozess darf allerdings nicht unterschätzt werden. Er muss in den Köpfen aller Beteiligten stattfinden“, betont Hänsel. Entscheidende Aspekte für den Erfolg seien ein gut funktionierender Kommunikationsprozess in beide Richtungen, ein gut ausgearbeitetes Kennzahlensystem, um den Veränderungsprozess zu messen und zu bewerten, und ein faires Teamprämiensystem.
Die Mitarbeiterqualifikation und die Betriebsausrüstung müssten auf den Zielmarkt und damit letztlich auf die Unternehmensstrategie abgestimmt sein, betont IPT-Chef Bergs. Während beispielsweise eine Anlage, die mittels Laserschweißen Material aufträgt und dieses in gleicher Aufspannung mit Hilfe einer 5-Achsen-Fräseinheit in Form spant, für die meisten Formenbauer zu teuer und unrentabel wäre, könne sie sich für einen Betrieb, der sich aufs Reparieren, Überholen oder Modifizieren von Werkzeugen spezialisiert hat, durchaus lohnen.
Teure High-Tech-Maschinen und -Anlagen rechnen sich nur, wenn sie quasi rund um die Uhr Geld verdienen. Um das zu erreichen, werden sich zukünftig viele Anwender auf bestimmte Tätigkeitsfelder spezialisieren und regionale Netzwerke mit anderen Betrieben bilden müssen, in denen die jeweiligen Stärken und Möglichkeiten bedarfsgerecht zusammengeführt werden. Damit das funktioniert, muss jedoch der noch verbreitete Wettbewerbsgedanke einer „Gemeinsam-sind-wir-stärker“-Mentalität weichen.
„Umdenken und sich an die neuen Bedingungen anpassen müssen sich jedoch nicht nur die Werkzeug- und Formenbauer“, betont VDWF-Chef Willi Schmid. Auch die Kunden müssten lernen, dass es unrealistisch sei, an deutsche Anbieter die gleichen Qualitäts- und Lebensdaueranforderungen zu stellen wie bisher und sie gleichzeitig mit Billigangeboten aus Asien oder Osteuropa unter Druck zu setzen.
In Sachen Kompetenz liegen deutsche Anbieter noch gut im Rennen

Aspekte für langfristigen Erfolg
  • Klare, zielgerichtete Unternehmensstrategie
  • Zur Strategie passende Maschinen- und Betriebsausstattung
  • Effiziente und qualitativ hochwertige Fertigung
  • Optimales Prozess-, Methoden- und Personalmanagement
  • Standardisierte Betriebsabläufe von der Kalkulation über die Entwicklung und Fertigung bis zum Qualitätswesen
  • Liefern von Systemlösungen für mehr Produktivität und Verfügbarkeit beim Kunden statt eines nackten Werkzeugs
  • Hohe Engineering- und Prozesskompetenz im Zielmarkt
  • Komponenten in Serie fertigen
  • Enge, partnerschaftliche Beziehung zum Kunden
  • Hohe Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter
  • Unternehmerisches Denken der Mitarbeiter durch Teamorganisation und Teamprämiensystem
  • Offenheit für Kooperationen mit anderen Werkzeugbauern
  • Bereitschaft, umzudenken und neue Wege zu gehen
  • Kein Preiswettbewerb mit Billiganbietern
  • Sich vom harten Wettbewerb nicht einschüchtern lassen
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