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Teamarbeit in Reinkultur

In Rostock hat Deutschlands erstes Kompetenzzentrum für Strömungsmaschinen eröffnet
Teamarbeit in Reinkultur

Hier wächst zusammen, was in Sachen Teamarbeit zusammengehört: An der Universität Rostock arbeiten seit November 2011 Experten aller Art zusammen – vom Werkstoffkundler bis hin zum Strömungstechniker. Ihr gemeinsames Ziel: Systemlösungen rund um Strömungsmaschinen.

Ohne sie läuft bei der Energieerzeugung im wahrsten Sinne nichts: Die Rede ist von Strömungsmaschinen, zu denen Propeller, Pumpen, Turbinen, Ventilatoren und Verdichter zählen. Die Ansprüche an diese Antriebseinheiten haben sich – nicht zuletzt wegen der radikalen Energiewende in Deutschland – gewandelt. Es steht nun nicht mehr nur das Aggregat, sondern auch dessen Anwendung im Mittelpunkt. Ein Anwender sucht nicht mehr vorrangig eine spezielle Strömungsmaschine mit exakt vorgegebenen Leistungsdaten, sondern eine Anlage zur Energieerzeugung. Hier kommt Deutschlands erstes Kompetenzzentrum für Strömungsmaschinen an der Universität Rostock ins Spiel.

„Es handelt sich um ein Netzwerk, das allerdings über Verwaltung und Geschäftsleitung verfügt“, erklärt Prof. Dr. Frank-Hendrik Wurm vom Lehrstuhl für Strömungsmaschinen an der Universität Rostock. Er leitet das neue Kompetenzzentrum. Innerhalb des Netzwerks arbeiten beispielsweise bei einem Projekt ein Werkstoffkundler, ein Elektroniker, ein Kybernetiker und ein Strömungstechniker zusammen.
Doch wem nützt diese interdisziplinäre, auf die Strömungsmaschine ausgerichtete Kompetenz? „In unseren ersten Projekten geht es um Windenergie, Wasserturbinen und um Pumpen, die in der Industrie zum Einsatz kommen“, erklärt Wurm. Projekte werden über die bewährten Methoden von Universitäten – über Mund-zu-Mund-Propaganda und Tagungen akquiriert. Mit Erfolg: Es kommen bereits die ersten Interessenten, meistens Leiter von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, mit Aufträgen der ganzheitlichen Art. „Sie wünschen sich ein Zentrum mit vielen unterschiedlichen Forschungsdisziplinen, die möglichst alle Aspekte einer Systemlösung abdecken“, sagt der Wissenschaftler. Die Honorare für die Forschungsarbeit sammelt das Kompetenzzentrum und verteilt sie dann entsprechend des jeweiligen Arbeitsaufwandes an die einzelnen Lehrstühle.
Was ist der Vorteil dieser systemischen Arbeit? „Ich kann alle Komponenten wie Frequenzumrichter, Motor und das Strömungsteil optimal aufeinander abstimmen“, antwortet Professor Wurm. Dank des gebündelten Know-hows der Universität verfüge man über eine einzigartige Kompetenz und könne so ein System ganzheitlich für eine Anwendung optimieren. Da kann es sich auch schon mal „nur“ um Formeln für Programme handeln. Der Wissenschaftler spricht von maßgeschneiderten Regelalgorithmen, die seine Experten gezielt für eine Anwendung entwickeln.
Die Experten können so auch typische, systembedingte Fehlern vermeiden, wegen denen eine eigentlich sehr gute Pumpe mit einem Wirkungsgrad von 85 % im Zusammenspiel mit anderen Komponenten in einem System nur noch auf einen vergleichsweise schlechten Wirkungsgrad von 30 % kommt. „Ich vergleiche in Vorlesungen die industrielle Pumpe gern mit dem menschlichen Herzen, das sich an unterschiedlichste Anforderungen optimal anpasst“, meint Professor Wurm. „Mit einer optimalen Regelung und an den schwankenden Bedarf angepassten Drehzahlen lässt sich auch der Wirkungsgrad einer industriellen Pumpe im System drastisch verbessern.“
Mit jedem Projekt wächst das ganzheitliche Know-how rund um die Strömungsmaschine. Daher kann das Kompetenzzentrum der Industrie mittlerweile auch Themen vorschlagen. So wollen die Rostocker beispielsweise für Turbinen neue Regelungen entwickeln, die sie auf die spätere Anwendung hin optimieren. Um der Industrie die Kosten für derartige Projekte zu senken, denkt der Wissenschaftler an die Vergabe von thematisch passenden wissenschaftlichen Arbeiten, in deren Verlauf Diplomanden und Doktoranden auch interdisziplinär zusammenarbeiten. Positiver Nebeneffekt: Die Studenten üben sich bereits früh mit diesen Pflichtarbeiten in der späteren Teamarbeit der Industrie.
Um Strömungsmaschinen noch besser als bisher an ihre Anwendung anpassen zu können, erhielt das Kompetenzzentrum vor kurzem einen neuen Schallmessraum für eine Million Euro, der in seiner Art in der europäischen Hochschullandschaft einmalig sein soll. Damit können die Rostocker bei Strömungsmaschinen Geräusche und ihre Ursachen ermitteln. Der Schallmessraum besitzt einen integrierten Wasserkreislauf, in dem sich nicht nur einzelne Komponenten, sondern auch das Modell eines kompletten Pumpensystems akustisch analysieren lassen. Er verfügt zudem über eine sehr effektiv schallisolierte und praktisch reflexionsfreie Umgebung mit einer Grenzfrequenz von weniger als 100 Hz. „Unsere Wissenschaftler messen in der Kabine Körper-, Luft- und Flüssigkeitsschall bis hinunter zu sehr tiefen Frequenzen“, sagt Wurm. „Wir können genau orten, wo und wie der Schall erzeugt, weitergeleitet und abgestrahlt wird. Auch psychoakustische Analysen mit dem Ziel einer Klangoptimierung sind möglich.“
Gute Chancen malen sich die Akustik-Detektive vor allem bei Auftragsarbeiten aus. Wurm: „Die immer bessere Geräuschdämmung von Gebäuden sorgt dafür, dass selbst sehr leise, früher verdeckte Geräusche hörbar werden und stören.“
Nikolaus Fecht Fachjournalist in Gelsenkirchen
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