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Technik ist nur die Spitze des Eisbergs

ERP-Rollout: auf den menschen kommt es an
Technik ist nur die Spitze des Eisbergs

Technik ist nur die Spitze des Eisbergs
In der Produktion wie im Finanzwesen oder in der Personalwirtschaft stellen ERP-Systeme das Rückgrat eines Unternehmens dar
Verstärkt setzen Unternehmen ihre Unternehmenslösungen international ein und realisieren globale ERP-Rollouts. Ob diese Vorhaben von Erfolg gekrönt sind, hängt von mehreren Faktoren ab. In aller Regel entscheidet nicht die Technik über Wohl und Wehe, sondern eher weiche Faktoren.

Sich international aufzustellen, gehört für Unternehmen heute zum Pflichtprogramm. Dabei stehen vor allem Kostenaspekte und das Erschließen neuer Märkte im Vordergrund. Auch deutsche Firmen forcieren den Auf- und Ausbau ihrer ausländischen Produktionsstätten – das geht aus einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages bei mehr als 7000 Unternehmensverantwortlichen hervor. Demnach wollen 43 % der auslandsaktiven Industriefirmen ihre Auslandsinvestitionen aufstocken, 47 % wollen sie beibehalten, nur 10 % haben eine Reduktion im Visier.

Diese Expansionsvorhaben beeinflussen auch stark die genutzten IT-Lösungen, speziell die Enterprise-Resource-Planning (ERP)-Systeme. Sie stellen im Finanzwesen ebenso wie in der Produktion oder in der Personalwirtschaft das Rückgrat des Unternehmens dar. Daher müssen Unternehmen den bisherigen ERP-Einsatz auf ausländische Niederlassungen oder Standorte erweitern. Mit solchen globalen ERP-Rollouts verknüpfen Unternehmen handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile (siehe Kasten Globalisierung).
Dass die Erfolgsquote bei globalen Rollouts niedriger ist als bei klassischen ERP-Projekten, ist ein Faktum. Für das Scheitern gibt es unterschiedliche Ursachen, die in aller Regel nicht in der Technik liegen. Denn die technischen Rahmenbedingungen und Erfordernisse lassen sich bereits im Vorfeld einer konkreten Rollout-Phase planen, abklären und realisieren. So sind etwa ausreichende Kapazitäten der Weitverkehrsnetze sicher und verfügbar bereitzustellen. Auch ist darauf zu achten, dass durch unterschiedliche Zeitzonen eine 24×7-Systemverfügbarkeit sichergestellt wird.
Der Arbeitspunkt Mehrsprachigkeit muss als ein eigenständiges Projekt behandelt werden. Bei Aktivitäten in Asien oder Osteuropa reicht etwa ein System in englischer Sprache nicht aus, vor allem wenn es um die Einbindung von Lieferanten geht. Auch ist zu prüfen, inwieweit das ERP-System auch Unicode-Fähigkeiten aufweist, sprich: einen digitalen Code für alle bekannten Schriftkulturen und Zeichensysteme unterstützt. Das ist etwa bei älteren SAP-R/3-Versionen nicht der Fall. Oft ist damit ein Releasewechsel auf den R/3-Nachfolger SAP ERP verbunden. Die Unicode-Umstellung sollte vor dem eigentlichen Rollout abgeschlossen sein.
Immer wieder zeigt sich in globalen ERP-Rollout-Projekten, dass insbesondere zwei Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt werden: die rückhaltlose Unterstützung durch das Management, das einen globalen Rollout verantwortet, sowie die kulturellen Unterschiede in anderen Weltregionen.
Dazu ein konkretes Beispiel: Bei einem Rollout eines Unternehmens aus dem Maschinen- und Anlagenbau musste der ERP-Produktivstart im chinesischen Werk um mehr als ein halbes Jahr verschoben werden. Die Ursache hierfür: Es war aufgrund mangelnder Erfahrung nicht gelungen, eine „kulturelle Brücke“ zwischen der lokalen Projektmannschaft und der IT-Mannschaft aus Deutschland zu bauen. Immer wieder gab es beim Know-how-Transfer Konflikte.
Ein globales ERP-Rollout-Projekt ist kein Buch mit sieben Siegeln. Im Vergleich zu einem klassischen ERP-Projekt sind mehr erfolgskritische Faktoren und spezifische Herausforderungen zu berücksichtigen (siehe Kasten). Besonderheiten liegen in großen geografischen Distanzen und Zeitdifferenzen sowie in Unterschieden in Kultur und Geschäftsgepflogenheiten. Hinzu kommt, dass man sehr häufig mit einem Re-Design von Geschäftsprozessen konfrontiert wird, denn Prozessharmonisierung ist ja eines der Ziele. Dies geschieht dann unter der Maßgabe der Headquarter-Philosophie, aber unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen und Vorgehensweisen.
Planung, Design, Einführung und Betrieb eines weltweit nutzbaren und bedarfsgerechten Templates für den Rollout stellen eine Herausforderung dar. Es muss ein einheitliches Applikationspaket kreiert werden, das definierte Geschäftsprozesse in verschiedenen Unternehmen eines Firmenverbunds in unterschiedlichen Kulturkreisen sowie Weltregionen sinnvoll unterstützt. Als nicht praktikabel hat sich herausgestellt, eine für eine Unternehmenszentrale entwickelte Lösung direkt zu verwenden und sie dann auf Niederlassungen oder Tochterfirmen zu übertragen. Bei der Template-Entwicklung sind grundlegende Regeln von Anfang an zu berücksichtigen und stringent durchzuhalten, wie etwa das Festlegen von Nummernkreisen, die das Hinzufügen weiterer Bereiche erlaubt.
Bei jedem globalen ERP-Rollout sind ein klares und nachhaltiges Commitment der Unternehmensführung und ein hoher Rückhalt durch das Management unabdingbar. So erfordert allein die Lösung des Zielkonflikts „Einhaltung der globalen Kerngeschäftsprozesse“ hier und „Veränderungen von bestimmten lokalen Praktiken“ dort eine gehörige Portion an Autorität und Durchsetzungsvermögen. Ebenso verhält es sich beim Abwägen, welche Funktionen ein Template aufweisen darf und welche nicht.
Diskussionen, inwieweit eine Vereinheitlichung diverser Prozesse überhaupt möglich ist, wird es bei globalen ERP-Rollouts immer wieder geben. Überzeugungsarbeit mit dem entsprechenden Fingerspitzengefühl und Rücksichtnahme auf kulturelle Unterschiede sowie Disziplinierungsmaßnahmen aber ebenfalls. Alle Beteiligten sollten verinnerlichen: Erst durch eine Vereinheitlichung der Prozesse ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen globalen ERP-Rollout gegeben, um beispielsweise eine konsistente Geschäftsdaten-Analyse und Planung als Basis für weit reichende Unternehmensentscheidungen nutzen zu können.
Jutta Schneider, Dr. Martin Nusswald Hewlett-Packard GmbH, Böblingen
Management muss Projekt vorbehaltslos unterstützen

globalisierung
Mit ERP-Rollouts, die den IT-Einsatz auf ausländische Standorte erweitern, verbinden sich viele Vorteile: etwa global vereinheitlichte Geschäftsprozesse und harmonisierte Stammdaten wie auch reduzierte Durchlauf- und Lieferzeiten. Eine harmonisierte ERP-Landschaft stellt auch reduzierte IT-Kosten in Aussicht, und neue Prozesse lassen sich zentralisiert entwickeln. Zudem reduziert ein globaler Applications Management Support Kosten und verbessert Service Levels.

Erfolgsfaktoren für globale Rollouts
Ein globales ERP-Rollout-Projekt ist kein Buch mit sieben Siegeln. Im Vergleich zu einem klassischen ERP-Projekt sind jedoch mehr erfolgskritische Faktoren und spezifische Herausforderungen zu berücksichtigen.
Business-Aspekte
  • Klares Commitment des Managements,
  • einheitliche und konsistente Geschäftsprozesse,
  • Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten,
  • Etablieren einer globalen IT.
Technologische Aspekte
  • Ausreichende WAN-Kapazitäten, – Verfügbarkeiten und -Sicherheitsfeatures,
  • hochverfügbarer 24×7-Systembetrieb,
  • Autorisierungs- und Sicherheitskonzepte,
  • Unicode-Fähigkeit,
  • integriertes und eindeutig definiertes Transportmanagement.
Aspekte, die das Projekt betreffen
  • Unterstützung durch das zentrale und lokale Management,
  • professionelles Change- und Konfigurationsmanagement,
  • klare Vorgaben über Projektorganisation, eindeutige Kommunikationsregeln,
  • effiziente und genaue Projektüberwachung (auch hinsichtlich Projektkosten).
Kulturelle Aspekte
  • Fähigkeit, kulturelle Unterschiede zu managen,
  • Berücksichtigung der lokalen Kommunikationsgepflogenheiten,
  • ausreichende lokale Sprachkenntnisse,
  • Wissen um den Kenntnisstand in puncto ERP-Fach-Know-how bei den lokalen Usern,
  • Motivation der lokalen Anwender, ein Geschäftsprozessdenken zu verinnerlichen.

  • Weltweit ausrollen nach Maß

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    Typische Phasen eines globalen Rollout-Projekts beinhalten eine Gap-Analyse mit Evaluierung und Abgleich von Ist- und Soll-Prozessen, die Erstellung des Templates inklusive Projektstruktur sowie Dokumentation und dem ersten Rollout im Rahmen eines Pilotprojekts. Anschließend wird das Template verfeinert und weltweit ausgerollt. Grundsätzlich gibt es zwei Rollout-Szenarien:
    • Szenario 1: Die Prozesse werden in der Zentrale definiert, das System wird vor Ort gemeinsam mit einem lokalen Team designed und implementiert.
    • Szenario 2: Das Template wird mit den Geschäftsprozessen bereits in einem System implementiert und dann lokal auf Basis einer Systemkopie installiert und angepasst (ebenfalls gemischtes Team).
    Daneben gibt es die Möglichkeit, quasi einen „Rollin“ durchzuführen. Hier gibt es ein zentrales ERP-System, mit dem die Firmenzentrale und alle internationalen Niederlassungen arbeiten. Berücksichtigt sind in aller Regel länderspezifische Gegebenheiten. Angebunden sind die Niederlassungen über ein so genanntes Virtual Private Network oder unternehmenseigenes Netz. Jedes globale Rollout-Projekt beinhaltet eine entsprechende Projektorganisation sowie eindeutige Kommunikationsregeln.
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